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Full text of "Jahrbuch des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung"

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Jahrbuch des 
Vereins für 
Niederdeutsc... 
Sprachforsch... 



Verein für 
Niederdeutsche 
Sprachforschung 



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Jahrbuch 

des 

Vereins für niederdeutsche Sprachforschung. 



Jahrgang 1889. 



XV. 



NORDEN und LEIPZIG. 

Diedr. Soltau's Verlag. 
1890. 



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Inhalt. 



C • Seite 

Die Ebstorfer Liederhandschrift. Von Ed w. Schröder 1 

Niederdeutsche Handschriften. Von K. E. H. Krause 33 

Mittelniederländische Bruchstücke. Von K. E. H. Krause 39 

Zitelöse. Von K. E. H. Krause . . 44 

Diele, dele. däle. Von E d. D a m k ö h 1 e r 51 

Plattdeutsche Sprüchwörter und Redensarten aus Hinterpommern. Von 

0. Knoop 53 

Der Heliand und die niederländischen Volksdialekte. Von H. Jellinghaus 61 

Ein Liebesbrief aus dem 16. Jahrhundert. Von W. Ribbeck 73 

Zu Pseudo-Gerhard von Minden. Von Karl Breul 78 

Zum Sündenfall. Von Ed. Damköhler . . . . 79 

Zu Johann Laurembergs Scherzgedichten. Von R. Sprenger 84 

Zum Düdeschen Schlömer. Von R. Sprenger 91 

Zeugnisse für die frühere Verbreitung der nordfriesischen Sprache. Von 

Otto Bremer 94 

Pelwormer Nordfriesisch. Von OttoBremer . . . 104 

Mittelniederdeutsches Arzneibuch. Von J. H. Galläe 105 

Noch einmal das Hundekorn. Von K. E. H. Krause 149 

Karl Strackerjan. Von Reinhard Mosen 157 



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Die Ebstorfer Liederhandsehrift. 



Das Liederbuch, mit dem ich die Freunde der niederdeutschen 
Litteratur wie des Kirchengesanges bekannt machen will, darf ich 
wohl ein Vermächtnis von Karl Goedeke nennen. Ihm verdanke ich 
nicht einen blossen Hinweis, er hat mich zur Herausgabe ausgerüstet 
und verpflichtet, indem er mir mit der Handschrift selbst, die er aus 
den Händen des ehemaligen kgl. hannoverschen Ministers Frhrn. von 
Hammerstein empfangen hatte, eine nahezu vollständige Kopie von 
seiner Hand übergab. Das geschah im Jahre 1885, bald nachdem der 
erste Band seines Grundrisses in neuer Auttage herausgekommen war 
und auf S. 472 (vgl. S. 458) die erste Nachricht von unserem Ma- 
nuscript gebracht hatte. Es war am Schlüsse einer jener Plaudereien 
in seiner Studierstube, die sich oft stundenlang hinziehen konnten 
und von denen ich nie ohne reiche Belehrung, selten ohne ein kleines 
Geschenk heimgekehrt bin. Goedeke hat mich dann noch wiederholt 
ermahnt, der Heimat des Liederbuches selbst einen Besuch abzu- 
statten und mich an Ort und Stelle nach weiteren Handschriften 
umzusehen, und eben diese Anregung, der ich leider auch bis jetzt 
noch nicht habe Folge leisten können, war der Grund, aus dem ich 
die Herausgabe des Ganzen immer wieder verschob. 

Das Benedictinerinnen - Kloster Ebstorf (Ebbekestorpe) in der 
Lüneburger Heide (etwa IV2 Meile nordwestlich von der jetzigen Kreis- 
stadt Ülzen) erlebte in der zweiten Hälfte des Mittelalters eine Blüte 
des geistigen Lebens, von der Erzeugnisse der Wissenschaft, Kunst 
und Litteratur vielfältige Kunde geben. Ich erinnere nur an jene 
mächtige Weltkarte, die um 1350 im Kloster oder doch für das Kloster 
angefertigt wurde und deren Herausgabe jetzt der historische Verein für 
Niedersachsen vorbereitet 1 ); ich verweise auf Mithoffs Kunstdenkmale 
und Altertümer im Hannoverschen Bd. IV S. 63 — 69, wo neben Denk- 
mälern der Architectur, Sculptur und Malerei zahlreiche Producte des 
Kunstgewerbes verzeichnet sind, — und ich nenne schliesslich die 
Bibliothek des Klosters. Ihre noch immer stattlichen Überreste hat 
im Jahre 1886 Archivrat Dr. Jacobs (von Wernigerode) in einem 
sorgfältigen Katalog verzeichnet, dessen Ergänzung sich in heimatlicher 
Ferienmusse Herr Dr. H. Warnecke eifrig angelegen sein lässt. 

*) Vgl. vorläufig 0. Sommerbrodt, Afrika auf der Ebstorfer Weltkarte (Fest- 
schrift), Hannover 1885. 

Niederdeutsches Jahrbuch XV. 1 



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2 



Der freundlichen Vermittelung des Herrn Dr. Warnecke und dem 
liebenswürdigen Entgegenkommen der hochwürdigen Frau Äbtissin 
des adlichen Damenstiftes Ebstorf, Frau von Meding, verdanke ich die 
Einsicht in diesen Katalog wie auch die Übersendung verschiedener 
Handschriften. Weitere Ausbeute, als ich sie diesmal geben kann und 
will, darf man einmal von Dr. Warnecke, dann aber auch wohl von 
einer Bearbeitung der Geschichte des Klosters erwarten, wie sie der 
niedersächsische Geschichtsverein in Hannover angeregt hat. Die Vor- 
arbeiten dazu entzogen mir die Bekanntschaft mit einigen der wich- 
tigeren Manuscripte. 

Der Name Ebstorf erinnert die Germanisten an jene Vir- 
ginal-Bruchstücke, welche Goedeke im Korrespondenzblatt des Ge- 
sammtvereins der deutschen Geschichtsvereine 1856, S. 58 f. bekannt 
gemacht und Zupitza nach einer Abschrift MüllenhofFs für seine Aas- 
gabe des Gedichtes verwertet hat, s. Deutsches Heldenbuch Bd. V 
S. IX f. (E). Nach der Seite der weltlichen Litteratur verspricht 
nun freilich der Handschriftenkatalog keine weiteren Spenden. Der 
Inhalt der deutschen Abteilung (VI) ist ziemlich eintönig: Gebet- 
bücher, Predigten, geistliche Betrachtungen (Asketisches und Kate- 
chetisches), dazu lateinische Hymnen mit Interlinearversionen, ein la- 
teinisch-niederdeutscher Vocabularius ex quo (vgl. unser Korrespondenz- 
blatt VII, 85) — damit dürfte der Inhalt umschrieben sein. Aber 
einmal ist diese Litteratur sehr reichlich vertreten und dann wächst 
ihr Wert dadurch, dass die Entstehung grossenteils am Fundort zu 
fixieren ist. Besonders wird die Geschichte der Predigt aus den um- 
fangreichen Handschriften VI 5 und 6 Nutzen ziehen: es sind nieder- 
deutsche Homilien, die in Ebstorf selbst gehalten sind und sich auf 
die Jahre 1497 — 1521 bestimmt datieren lassen. Ihnen scheint sich 
die Handschrift VI 1 1 anzuschliessen. Geschrieben sind diese Codices 
überwiegend, vielleicht durchgehends, von den Damen des Klosters, 
die gelegentlich auch ihre Namen genannt haben. Es ist nicht un- 
möglich, dass auch die eine oder andere Frauenhand, die an unserem 
Liederbuch Anteil hat, sich später durch Vergleichung genauer be- 
stimmen lässt. 

Es ist ein reges religiöses Leben, das aus diesen vielfach modrigen 
und wurmzerfressenen Handschriften zu uns spricht, und wir begreifen 
sehr wohl, dass gerade von Ebstorf aus den Reformationsbestrebungen 
des Herzogs von Braunschweig-Lüneburg ein besonders heftiger Wider- 
stand entgegengesetzt wurde, s. A. Wrede, Die Einführung der Re- 
formation im Lüneburgischen durch Herzog Ernst den Bekenner (Göt- 
tingen 1884) S. 211 ff. Ja, wie ein Wetterleuchten scheint es bereits 
aufzublitzen, wenn auf den letzten Blättern unserer Handschrift (s. 
unten Nr. XXII) die biblischen Zeugnisse für den Wert der guten 
Werke zusammengestellt und unter Berufung auf Augustin die Umtriebe 
der 'Ketzer' bekämpft w T erden. Die Geschichtschreibung der Refor- 
mation hat auch auf protestantischer Seite längst begonnen, den 
socialen Zuständen vor der grossen Bewegung gesteigerte Aufmerk- 



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samkeit zu schenken, aber sie hat sich noch viel zu wenig um die 
verschiedenartige Entwicklung des religiösen Lebens gekümmert, die 
zu erforschen gerade eine Hauptaufgabe der Local- und Territorial- 
historiker sein sollte, und auch der Verf. der eben angeführten Mo- 
nographie verhält sich diesen Dingen gegenüber in einem Masse gleich- 
giltig, dass man ihn nicht einmal der Unwissenheit zeihen darf. 

Das geistliche Lied ist diejenige Gattung der niederdeutschen 
Litteratur, deren nähere Kenntnis uns erst am spätesten erschlossen 
worden ist. Freilich, wenn Phil. Wackernagel im zweiten Bande seines 
grossen Werkes, der die Lieder und Leiche von den Tagen Otfrids bis 
auf die Reformation umfassen und reproducieren will, unter 1448 Stücken 
nur 6 niederdeutsche (und daneben 12 'niederrheinische') bietet, so ent- 
sprach das schon damals (1867) keineswegs mehr dem Stande unseres 
Wissens, aber es erklärt sich aus der Zersplitterung, in der die nieder- 
deutschen Lieder auf uns gekommen und zur Publication gelangt sind. 
Unser Verein wird bald die Aufgabe ins Auge fassen müssen, die in 
zahlreichen z. Tl. abgelegenen Drucken versteckten Gedichte zu sammeln 
und mit einer Nachlese aus den Handschriften zu einem besonderen 
Bande seiner 'Denkmäler' oder 'Drucke' zu vereinigen. Der Herausgeber 
einer solchen Sammlung muss dann ein kritisches Verfahren einschlagen 
und er wird uns aus dem gewonnenen Überblick über das Mass von 
Originalität, das dem geistlichen Lied des alten Niedersachsens viel- 
leicht gegenüber Oberdeutschland und den Niederlanden verbleibt, 
aufklären können. Der Abdruck einer einzelnen Handschrift wie der 
Ebstorfer kann nicht gut zum Ausgangspunkte einer solchen Unter- 
suchung gemacht werden, ich muss mich mit wenigen Hinweisen auf 
verwandte Sammlungen und einzelne Parallelen begnügen. 

Die bisher bekannt gewordenen geistlichen Liederbücher in nieder- 
deutscher Sprache stammen sämmtlich vom Niederrhein und Westfalen. 
Von ihnen ist das Liederbuch der Catherina Tirs aus dem Kloster 
Niesink-Münster (1588) bereits 1854 von Hölscher in seinen Nieder- 
deutschen geistlichen Liedern und Sprüchen aus dem Münsterlande Nr. 
I — LX1I veröffentlicht worden, während zwei andere erst vor Jahresfrist 
ans Licht getreten sind: das Liederbuch der Anna von Köln, 
über welches Bolte in der Zeitschr. f. d. Phil. XXI, 129—163 ein- 
gehend berichtet hat, und das in diesem Jahrbuch XIV, 60 — 89 durch 
Jostes zum Abdruck gebrachte Werdener Liederbuch. Alle drei 
gehören dem 16. Jahrhundert, keines der Zeit vor 1520 an. Kann 
man diese rheinisch-westfälischen Liederbücher zu einer Gruppe zu- 
sammenschliessen, welche viele Stücke gemeinsam hat und weiterhin 
mit den durch Hoffmann von Fallersleben, Horae Belgicae X (1854) 
und neuerdings durch W. Bäumker, Vierteljahrsschr. f. Musikwissen- 
schaft IV (1888), 153—254. 283—350 ausgebeuteten mittelniederlän- 
dischen Handschriften aus Berlin (Mscr. germ. in 8°. 185 und 190) 
und Wien (7970) zahlreiche Berührungspunkte bietet, so steht die 
Ebstorfer Handschrift, das erste eigentliche Liederbuch, das aus dem 
östlichen Teile des niederdeutschen Sprachgebiets bekannt wird, mehr 

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für sich. Mit dem Lb. der Anna von Köln hat sie nicht ein einziges 
Lied gemein, mit dem der Schwester von Niesink nur Nr. IV, mit dem 
Werdener ausser dem Mühlenlied (Nr. I) noch den ursprünglich hoch- 
deutschen und nur niederdeutsch angetünchten Meistergesang auf 
Maria (Nr. III) und die in Nr. XVII bewahrten Fragmente eines weit- 
verbreiteten geistlichen Volksliedes. Und ebenso spärlich sind die 
Beziehungen zu den niederländischen Handschriften, die man in den 
Anmerkungen zu I. IV. VIII. XVII. nachlesen mag. Ob mir im übrigen 
bei den litterarischen Nachweisungen nicht ein und der andere ver- 
einzelte Druck entgangen ist, wage ich nicht zu bezweifeln: von mehr 
als der Hälfte der dargebotenen Stücke ist mir eine gedruckte Fassung 
nicht bekannt geworden. 

Aber nicht allein in diesen novis liegt der Wert unserer Hand- 
schrift. Auch die bereits bekannten Stücke gewinnen an Interesse, 
sei es durch das Alter der Überlieferung, das ihnen hier zur Seite 
steht, sei es durch das Zeugnis für ihre Ausbreitung nach Osten. Es 
scheint mir ferner kaum einem Zweifel zu unterliegen, dass auch ein- 
zelne der bisher unbekannten Gedichte niederländischen Ursprungs 
sind. Das anziehendste an dem Ganzen aber ist die enge Verbindung, 
in der hier das geistliche Lied mit dem Volkslied erscheint. Haben 
andere derartige Liederbücher, wie das Werdener und die niederlän- 
dischen Handschriften HofFmanns von Fallersleben, hier und da über 
dem Texte kurze Hinweise auf weltliche Lieder, deren Melodie kirch- 
lichen Neudichtungen zu Grunde gelegt wurde, so finden wir hier ein- 
zelne Volkslieder in extenso eingeschaltet — wenn auch leider nicht 
vollständig erhalten (Fragmente sind Nr. XII und XIV, vollständig 
Nr. XI). Es ist möglich, dass an der Verstümmelung der Handschrift 
religiöser Eifer mitgewirkt hat, welchem die weltlichen Strophen in 
dieser frommen Umgebung anstössig erschienen. Den schlimmsten 
Verlust freilich hat der Mäusefrass herbeigeführt, dem Bl. 1 — 5 zum 
Opfer gefallen sind. Was uns erhalten blieb, ist fast durchweg ohne 
Schwierigkeit zu lesen. 

Das Liederbuch führt heute die Bezeichnung VI 17 und ist eine 
Papierhandschrift in' kleinem Octavformat: etwa 15 : 11 cm, der sehr 
verschieden beschriebene Raum nicht über 10 : 7,5 cm; sie liegt in 
einem dreifachen Einband, der über einem doppelten Pergamentum- 
schlag (Stücke einer niederdeutschen Urkunde und einer lateinischen 
Bibelhs.) noch eine Gobelinhülle aufweist. Das erhaltene umfasst nach 
meiner (jetzt mit Bleistift eingetragenen) Zählung 62 Blätter, von 
denen 8 (4. 5. 51 — 56) leer, 3 nur einseitig beschrieben sind (23. 
50. 62); da aber die Seite 35h mit einem Textblatt überklebt ward, 
kommen wir im ganzen auf 106 beschriebene Seiten. Die Schrift ist 
durchgehends steile Buchschrift, wie sie gerade in norddeutschen 
Klöstern noch um 1500 üblich war: die Handschrift wird sich vor- 
läufig nur auf die Zeit 1490 — 1520 bestimmen lassen. Die Vergleichung 
mit anderen Ebstorfer Handschriften, besonders mit VI 10 ergibt die 
gleiche Schreiberschule. Die Abkürzungen sind wenig zahlreich: ich 



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habe sie durchgehends aufgelöst und da, wo, wie bei dem Nasalstrich, 
ein Zweifel obwalten konnte, mich sorgfältig nach dem sprachlichen 
Brauch der Umgebung gerichtet, vn ist stets durch unde wiedergegeben, 
weil diese Schreibung sehr oft, und niemals vorkommt. Um den 
Freunden unseres alten Kirchengesangs die Leetüre nicht unnötig zu 
erschweren, habe ich u und v grundsätzlich geschieden, obwohl dies 
in neueren Abdrücken niederdeutscher Schriftstücke seltener geschieht. 

Für die Interpunction bin natürlich ich verantwortlich, ebenso für 
die geregelte Verwendung der grossen Anfangsbuchstaben bei Eigennamen 
und Absätzen. Dagegen habe ich mit Bedacht nur unzweifelhafte Schreib- 
fehler gebessert, aber keine Änderung vorgenommen, welche das Bild der 
Sprachmengung zerstörte, auch dem Reime zu Liebe nicht. Für den Li- 
terarhistoriker wie für den Grammatiker ist die Bewahrung dieses Bildes 
wertvoll und interessant. Die Frage: ob nach einer Vorlage? oder Nie- 
derschrift aus dem Gedächtnis? muss für jedes der unten folgenden poe- 
tischen Stücke einzeln gestellt werden, wenn auch nur für wenige sich die 
Antwort der letzteren Entstehung zuneigen mag. Auf die Sprachmischung, 
die der Feder des Schreibers unmittelbar entstammt, ist bei älteren Denk- 
mälern hundertfach hingewiesen worden, auf die oft noch rücksichts- 
losere, welche das unsichere Gedächtnis des naiven Menschen vollzieht, 
hat man bisher fast nur bei dem modernen Volkslied geachtet. 

Ich unterscheide drei Schreiber- oder wohl richtiger Schreiber- 
innenhände, die sich mehrfach innerhalb der gleichen Lage, aber nur 
einmal (auf Bl. 1) innerhalb des gleichen Stückes ablösen. 

1) Bl. la (sowie, nach den erhaltenen Buchstabenresten, die vor- 
ausgegangenen 5 Blätter); ferner, nur mit spitzerer Feder, Bl. 35bb — 62 
incl. Es ist die am wenigsten geübte Hand. 

2) Bl. lb— 23 incl.; BL 32a von Kyrie ab — Bl. 35 incl. Feste 
und kräftige Züge, obwohl auf verschiedenen Blättern ungleich grosse 
Schrift. 

3) Bl. 24 — 32a bewaren amen. Zierlich und gleichmässig. 

Alle drei Schreiberinnen haben vereinzelt grün und rote Initialen 
angebracht. 

Die einzelnen Stücke verteilen sich auf die verschiedenen Hände 
in folgender Weise: 

1: Nr. I bis Str. 10, 1 had-; Nr. XIII— XXII. 

2: Nr. I von Str. 10, 1 -de ab; Nr. II— VI; Nr. X— XII. 

3: Nr. VII— IX. 

Die verschiedenen Schreiberinnen kommen vor allem auch für die 
wechselnden Züge der sprachlichen oder doch orthographischen Phy- 
siognomie unserer Handschrift in Betracht. 

Der lückenhafte Zustand der Handschrift erforciert indessen, auch 
auf die Zusammensetzung aus Lagen noch mit einigen Worten ein- 
zugehen. 

Bl. 1 — 7 gehörten einer Lage von 6 Doppelblättern an, von 
denen nur das innerste erhalten ist (Bl. 1. 2); die herausgerissenen 
oder wohl richtiger von Mäusen abgefressenen 5 ersten Blätter müssen 



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mehr enthalten haben als die sieben fehlenden Strophen des Mühlen- 
liedes, zu denen nur 3 Blattseiten nötig waren. 

Bl. 8 ist ein einzelnes angeheftetes Blättchen. 

Bl. 9 — 22 bilden eine vollständig erhaltene Lage von 7 Doppel- 
blättern. 

Bl. 23 wie Bl. 8. 

Bl. 24 — 31 seheinen eine unversehrte dritte Lage von 4 Doppel- 
blättern darzustellen; doch vgl. die Erwägung zu Nr. VII 24, 3. 
Bl. 32 ist wieder einzeln angeheftet. 

Bl. 33 — 38, 3 Doppelblätter, im Innern der Lage fehlt mindestens 
ein Doppelblatt, das den Schluss von Nr. XII (2. Hand) und den 
Anfang von Nr. XIV (1. Hand) enthielt. Noch vor dem Verlust dieser 
wichtigen Blätter wurde aber Bl. 35b überklebt und dies Deckblatt 
35bb (das ich jetzt losgelöst habe) von der 1. Hand beschrieben (Nr. 
XIII); man muss vermuten, dass in ähnlicher Weise auch noch der 
Schluss von Nr. XII durch die Fortsetzung von Nr. XIII überklebt 
war, ehe beides herausgerissen wurde. 

Bl. 39 — 50, 6 Doppelblätter, eine vollständige Lage. 

Bl. 52 — 61, 5 Doppelblätter, ebenfalls eine unversehrte Lage, 
um die nachträglich noch Bl. 51 und 62 als äusserstes Doppelblatt 
herumgelegt wurden. 

Ich bringe die Handschrift ihrem ganzen Umfang und Inhalt 
nach zum Abdruck, da ich das Gesammtbild nicht durch Weglassung 
der wenig Raum beanspruchenden Prosastücke beeinträchtigen möchte. 
Der geistlichen Lieder sind es vierzehn; unter denen, welche bisher 
ohne Variante sind, dürften die volkstümlichen Nummern XIII und XV 
das meiste Interesse erregen. Besonders in Nr. XV, wo eine sehr 
verbreitete, noch heute für Neujahrs- und Dreikönigslieder übliche 
Melodie zu Grunde liegen mag, scheint mir der Ton des geistlichen 
Yolksliedes so gut getroffen, wie in wenigen Stücken unserer älteren 
Überlieferung. 



Nr. I. Fragment 

(f. la) berichtet dat. 

8. Gyon, Fison, Eufrates, 
Tigris, gy vlete vere 
unde gy stolten revere, 
hebbet waters ghenoch, 
pleghet der molen er ghevoch. 

9. Gy twolff apostele, ghadt hir vor, 
maket gy de molen ghande, 

dat ze nicht enblive bestände, 
gy synt tho malende sant 
aver al de lant. 

10. Byn juncfrouwe had(f. lb)de eyn 

seckelin 
mit weten wol ghebunden, 



des Mühlenliedes. 

nach vorghesprakenen stunden 

to der molen qnam. 

eyn prophete dat vornam. 

12. Isaias de hadde dar langhe 
tovoren af ghescreven: 

'set, uns wart ghegheven 

eyn junckfrouwe wertd, 

de dar eynes sones ghebert.' 

13. Syn name de hetd sick 'god mid uns, 
den wil wi laven, 

gnedichliken van baven 
he to uns quam. 

des vrouwet sick vrouwen unde mau. 



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14. De siner langhe ghebeydet (f. 2a) han, 
de repen alle: 'wy enachtent 

nicht mer, 

wy sint des wis, 

dat uns Crist ghebaren is.' 

15. Do de nacht de körte entfenck, 
de dach de nam de lenghe, 

der dusternisse dwenghe 

eyn ende nam. 

o godt! des bistu lovesam. 

16. Gy ewangelisten alle vere, 

gy moghen wol wijzliken wachten 



dat sekkelin, 

wente dat brochte uns eyn fyn meghetin. 

17. Lucas, nu loze up den sack, 
(f. 2b) gheit up an gades namen, 
lere uns alle samen. 

du bist gheleret, 

wo g"ades sone minscke wartd. 

18. Marcus, rit den sack entwey, 
gud up de molen, lat wriven. 

du konst wol bescriven 
dat offer grot, 

wo godt dar na led den dotd. 

19. Matheus, nu loze up den sack, 
gheit up de molen, lat schroden, 
wo got stunt up van dem dode. 



wo dat gheschach, 

dat repestu an den osterdach. 

20. (f. 3a) Johannes, eyn arnt van hoger 

vlucht, 

dar na scholtu uns leren 
de hemmelvart unses heren 
al apenbar. 

de helpe uns, dat wy kamen dar. 

22. Pawest, keyser, prediger, 
wäret gy der molen even, 
dat se moghe geven 

mel unde molt. 

des möge gy hebben riken solt. 

21. De mole de gheit, se ijz bereit; 
we de nu sin körne wil malen, 

de schal here halen 

sin körne al reyn. 

so wert id eme (f. 3b) malet klene. 

23. De sine sele spieen wil, 
de schal sick here snellen, 
to desser molen seilen. 

sid des bericht: 

se malet unde mattet nicht. 

24. De desse molen ghebuwet hat, 
den mote god gheleyden, 

wan we van hinnen schullen scheiden; 
uns engel wis 

de vore uns an dat paradijz. Amen. 



16, 2 hs. vachten. 17, 3 hs. alle. 24, 1 hs. han. 5 hs. de vore. 

Die Litteratur über das in letzter Zeit so vielfach behandelte Gedicht 
s. bei Wiechmann-Hofmeister III, 60 ff., 228 f., Jostes, Jahrbuch XIV, 84, 
Mlinghaus in Pauls Orundriss d. germ. Philol. II, 1, 425. In der Strophen- 
zählung habe ich mich an Hofmeisters Abdruck angeschlossen. 

[fol. 4 und 5 unbeschrieben.] 

Nr. II. Übersetzung von Ev. Joh. I, 1 — 14. 

(f. 6a) Hir beghinnet sick dat ewangelium des hilghen aposteljz Jo- 
hannes; we dat alle daghe list, er he sprickt, de wart vorwert vor donner, 
blixem unde aller vorgiftnisse unde vor dem snellen unvorsichtighen dode. 

(1) In dem anbeghinne was dat wort, unde dat wort was bi gade, 
5 unde godt was dat wort. (f. 6b) (2) Dat wort was in dem anbeghinne by 
gade. (3) Alle dinck sin dorch ene ghemaket, unde ane ene ijz nicht ghe- 
maket, dat dar ghemaket is. (4) Dat was in eme eyn levent, unde dat levent 
was eyn licht der minseken. (5) Unde dat licht luchtet in den dusternissen, 
unde de dusternisse hebben ene nicht (f. 7a) begrepen. (6) Id word eyn 



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8 



minfzke ghesant van gade, des name was Johannes. (7) De sulve quam in 
tuchnisse, dat he tuchnisse gheven scholde van dem lichte, up dat alle minscken 
dorch ene loveden. (8) He was nicht dat licht, men dat he tuchnisse gheven 
scholde van dem lichte. (9) Id was eyn wäre licht, dat dar vorluchtet alle 
5 minjz(f. 7b)ken de dar kumpt in dusse werldt. (10) He was in der werlt, 
unde de werlt heft ene nicht bekant. (11) He quam in sin eghen, unde de 
sinen hebben ene nicht entfanghen. (12) Overst alle de de ene entfenghen, 
den gaff he de macht, kinder gades to werdende, de dar loven in sinen namen. 
(13) De dar nicht uthe dem blöde (f. 8a) noch uth dem willen des fl[e]isckes, 

10 noch uth der wollust des mannes, men uth gade gheboren sint. (14) Unde 
dat "wort ijz flesck gheworden, unde heft ghewonet in unfz, unde wy hebben 
ghesen sine glorien, alze de glorien sines eyngheboren [sunes] van dem vader, 
vul (f. 8b) gnade unde warheit. 

Gade si dancknamicheit! Dorch de worde des hilghen ewangelii moten 

15 uthe delghet werden alle unse sunde unde 1 ) mote van unjz entfernighet 
warden alle varlicheit lives unde der zele. Amen. 

*) Mit roter Schrift am Bande nachgetragen dar, von gleichzeitiger, viel- 
leicht der gleichen Hand. 



Nr. III. 

1. (f. 9a) Maria zart, 
van eddeler art, 
eyne rose ane dornen, 
Du hefst mit macht 

5 wedder bracht 

dat so lange was vorlaren 
Dorch Adams val. 

dy heft de ghewalt 

sunte Gabriel vorspraken. 
10 help dat nicht werde ghewraken 

myne sunde unde schult, 

vorwerft 7 mi hult. 

Wente neyn trost ijz 

wor du nicht enbist, 
15 barmherticheit to erwerven. 

(f. 9b) An dem lesten ende, 

bidde ik, nicht wende 

van my in mynem stervende. 

2. Maria milde, 
du hefst ghestilt 

der oltveder vorlangent, 
De jar unde daghe 
5 in we unde klaghe 

de vorhelle helt ghevanghen. 

To aller tydt 
scrienden se den stridt 
al dorch des hemmels porten 
10 toridt in allen orden, 

dat he her (f. 10a) af queme 



Marienloh. 

unde en beneme 
Ere sware pin; 
unde dat dorch dyn 
15 kusck junckfrouwelick geberen 
Ijz af ghesteldt, 
dar umme dy telt 
alle weit eyne kröne der eren. 

3. Maria reyn, 
du bist allene 

der sunder trost up erden. 
Dar umme dy had 
5 de ewige radt 

eyne moder laten werden. 

Des hogesten heil, 
[de] dorch ordel 

am jungesten daghe wert richtende, 
10 holde my an dinen (f. 10b) plichten, 

du werde frucht, 

al myn toflucht 

Hebbe ik to dy, 

am cruce bist my 
15 mit sunte Johannes ghegeven, 

Dat du ok myn 

moder scholt syn, 

vrist hir unde dar myn leven. 

4. Maria klar, 
du hefst vorwar 

mit groten smarte gheghangeu, 



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Do dine vrucht 
5 ghans mit untucht 

unschuldich wart gbevanghen 
Umme myne dadt. 

vorwerff my gnade 

(f. IIa) to beterende hir myn levent, 
10 wente ik bin hir ummegheven 

met swarer pine, 

unde dat dorch myne 

Groten sunde unde schulde, 

ik vele vordulde 
15 am lyve unde allen enden. 

0 werde roze, 

myne kranckheit loze, 

dine gnade nicht van my wende. 

5. Maria zart, 
vormeret wart 

in dy grote leydt unde smarte, 

Do dyn kynt dot 
5 eyn sper mit nodt 

dorchstack syn sach(f. llb)te harte 
Dyn blödes saft 

krenckede dy dine kraft, 

van leyde wordestu dy senkende, 
10 Johannes deden se wenkende. 

he quam al dar, 

nam diner war, 

Do dy dat swert 

dyn herte vorserde, 
15 dar van Symeon saghet. 

0 junckfruwe werde, 

sunne lucht unde erde, 

den dodt dynes kyndes beklaghet. 

6. Maria schon, 
du hogeste Ion, 

wen ik (f. 12a) van hir schal scheyden, 

So kum to my, 
5 bescherme my, 

dat my doch nicht vorleyde 
De valsche Sathan, 

wen ik nicht kan 

sine duvelscken list erkennen, 
10 noch moth ik jo van hennen. 

umme werp my ok 

dynen mantel unde rock, 

Waner din kint 

my rieht gans swint, 
15 so wise, fruwe, din hert unde brüste 

Dinem sone Jhesu, 

sprick: 'gif (f. 12b) my nu 

dessen sunder ik ewich vriste. 1 



7. Maria gud, 
wen in unmodt 

de vader van my wendet, 
So bidde dat dar 
5 dyn sone schickke clar 
syne syden, vote unde hende. 

Denne mach nicht sere 
de vadder mer 

wedder my eyn ordel spreken; 
10 ok mach sick jo nicht wreken 

got hillige gheist. 

de erst bewist 

Sote gnedicheit. 

denne ijz bereyd 
15 (f. 13a) drevoldichlike gude. 

Also wert my 

zalicheit dorch di, 

vor (my) sunden my behode. 

8. Maria fyn, 
dyn klare schin 

erluchtet den hogesten tron, 

Do dy mit eren 
5 van tvolf sternen 

wart up ghesettet eyn kröne. 
De drevoldicheit 

heft dy ghekledet 

mit hogher gnade ummegheven. 
10. Maria, vriste myn levent, 

so mennighen dach 

ik bichten mach. 

O junc(f. 13b)frouwe sote, 

help dat ik böte 
15 mine sunde vor minem ende; 

Wen myn herte brickt, 

myn ghesichte vorschrickt, 

bede myner zele dine hende. 

9. Maria vrouwe, 
help dat ik schouwe 

dyn kynt vor minem ende; 

schicke myner zele 
5 sunte Michael, 

dat he se vore behende 
Int hemmelrike, 

dar alle (f. 14a) ghelike 

de enghele vrolick synghen, 
10 er stemne don helle erklinghen: 

'hillich, hillich! 

du bist hillich! 

O starke got. 

van Sabaoth, 
15 regerest gheweldichliken. 1 



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10 



So heft en ende 

al myn elende, 

unde vrouwe my ewichlyken. 



11. (f. 15a) Maria reyn, 
junckfruwe alleyn, 
in dy ifz nen ghebreck. 
Id levet nen man, 
de de mach effte kan 
dine ere to grodt nth spreken. 



dyne truwe am ende, 

so ik van henne schal varen. 



10. Maria klar, 
du bist vorwar 
fygnrliken wol to bedudende: 
Dat vlu8 Gedeon 



5 



5 bistu, du (f. 14b) kon, 

van gade krech macht to stridende. 



Dyn hogheit laven 
swevet ewich baven 
in hemmel [unde] ock up erden, 
dyn ghelike mach nummer werden, 
reyne creature, 
o junckfruwe pur! 
Wen id dar tho kumpt, 
(f. 15b) dat myn munt vorstummet, 
myn zele van dem lyve schal Scheden, 
So ghedencke dar an, 
dat ik dy han 

hir mede ghedacht to eren. Amen. 



Bedudest vort 



unde bist de porte, 
de ewich blifft gheslaten, 



10 



10 von dy ijz uth ghevlateu 
dat ewighe wort; 
gheslatene garde, 
Ghetekende boruc, 
klar aljz de sunne 



15 



15 fyguret vor langhen jareu. 
Van my nicht wende . 



Id ifz gesehen dat eynes rikes mannes sone ys bevallen mit den pocken, 
so ene alle doctores avergheven, des he sere bedrovet was. Ok so hade he 
sine leve(f. 16a)daghe nicht vel gudes dan, men alle synen vlit settede he 
allene up lede to dichtende unde to singhende, beyde gud unde quad. So quam 
5 em in den syu wes to makende van der moder gades, unde makede dusse vor 
beschreven ghesette. Dar na tohant in der nacht ijz he ghesunt worden van 
der plaghe, dat men an synem live nicht konde merken dat he wejz sericheit 
heft ghehat; to welkeren ghesetten de byschop van Reytz heft gegheven 
XL daghe afflates alle (f. 16b) den jennen de desse ghesette lesen efte leren 
10 efte singhen hören, ök sunder twifel Maria wel se bewaren unde beschermen 
vor der quaden suke unde krancheit der pocken. 

2, 8 die gemeine Lesart gibt wünschten, auch die Werdener Hs. : wonsten. 

4, 7 hs. myner. 8, 6 hs. wart ghe up ghesettet. 

Nachwort Z. 8 lesen hochdeutsche Drucke Zeitz, s. IL v. F., Kirchenlied 

5. 455. 

Von dem ursprünglich liochdeutscheri und in hd. Einzeldrucken und Ge- 
sangbüchern häufigen Meistergesang (Wackcrnagel II, Nr. 1036 ff. Bäumker 
I, Registei') hat die Werdener Hs. (Nr. 5) eine von der unsern abweichende nd. 
Unischrift; zum obigen stimmen ein Marburger und ein Hamburger Text. 



Nr. IV. Kreuzlied. 

Eyn ander cantilena van dem hilghen cruce. 



1. Lave zederbom, 
du hoghelavede holt, 
au dy so heft ghehenget 
de eddele vorste stolt. 



2. Ik mene Jhesum Christum, 

sin name is wit unde bredt; 

we en dricht an sinem (f. 17a) herten, 

he benimpt ome al sin led. 



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11 



3. 0 du sote Jhesu, 
du eddele vorste fin, 

giff mi, dat ik di dreghe 
al an dem hertken min. 

4. Also du, leve here, hanghedes 
al an dem cruce breyt, 

do dyn vil milde hertken 
en scharper sper dorsnet. 

5. To mines leves hoveden 
dar steit eyn krenjzelin, 
dat krenselin is bedowet 
mit dem eddelen blöde sin. 

6. Och were myn herte eyn (f. 17b) garde 
van eddelen blomken fyn, 

dar in so wolde ik planten 
mines leves eyn krenselyn. 

7. De blomken de ik mene 
de heten humilitas, 

de anderen schollen heten 
spes, fides, karitas. 

8. To mines leven syden herten 
dar springhet eyn bornelin, 

eyn revereken wil ik leyden 
an minem gardelin. 

9. 0 Jhesu, gardenere, 
du wäre ackerman, 

woldestu mines garden pleghen, 
so wor(f. 18a) de he lavesam. 

10. Mynes leves arme 

de Stadt wit uthghebreit, 
mochte ik dar inne rouwen, 
so vorghete ik al myn leit. 

11. Myn lef heft to my gheneghet 
sinen rotermunt: 

och mochte ik one küssen! 
so were min zele sunt. 

12. So ik en an gheschouwe, 
den vorsten hoch ghebaren, 
de leve heft ene vorwundet, 
sine varwe heft he vorlaren. 

13. (f. 18b) An mines leves siden 
dar steit eyn gülden schrin, 

were ik dar inne besloten 
al na dem willen min! 



14. Ik kan dar nicht in kamen, 
du leydes mi dar in, 

wente du hefst ghesproken: 
'ane my könne gy nicht sin.' 

15. To mines leves voten 
dar steit eyn bomelin, 

mochte ik dar under spasceren ghan, 
so vorghete ik al myn pine. 

16. Wan ik min lef vorlese, 
den dach und ok de nacht 

so mach ik one wedder vin(f. 19a)den 
al in des bomes ast. 

17. De leve heft ome ghebunden 
de hilghen hende syn 

al an des cruces aste 
mit scharpen negelkin. 

18. Se ik em an de vote 
den levesten heren myn, 

he steit so vaste ghenegelt, 
he kan my nicht entvlen. 

19. 0 du sote Jhesu, 
wo dicke ik di entfle, 
dorch miner sunde willen 
is minem herteken we. 

20. Dencke, here, der rede 

(f. 19b) de van di schreven stau: 

'so ik vorhoget werde, 

alle dinck wil ik na my han.' 

21. Jk bidde dy, sote Jhesu, 
dorch diner leve kraft, 

the myn vil wilde herte 
in dines cruces ast. 

22. Dat min herte rouwe 
ok an den wunden din: 
al twisken dinen brüsten 
aljz eyn mirren bundelin. 

23. Reghere, leve here, 
myne sele to aller stunt, 

(f. 20a) dat ik dine leve viude 
in mines herten grünt. 

24. Wol up, miner zele krefte! 
nu maket juck alle her. 

unde denet dem heren mit vlite: 
dat ijz al myn begher. 



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12 



25. Dat he uns nicht enwike, 
in ein licht al myn trost, 
ift ik ene nicht envole, 
myn zele ijz nicht ghelozet. 



26. lk bidde di, sote Jhesu, 
durch diner marter pin, 
vor(f. 20b)nyghe my mit diner leve, 
mik kan nicht beth ghesin. 



4, 1 hs. hanghendes. 8, 1 /. Ut m. leves herten. 12, 4 hs. verve. 19, 3 
hs. mine. 

Das Lied ist nach einer zweiten Ebstorfer Aufzeichnung (Mscr. VI 10 
S. 71b. 7a) abgedruckt im Korrespondenzblatt VII (1882) S. 84 f. 1 ): der Eingang 
lautet hier 'Love zedewerbom love', Str. 20 u. 23 fehlen. Vgl. ferner Horae 
Belgicae X, 186 (Nr. 94): 'Ghelovet sijstu cederboom', Hölscher S. 39 (Nr. XVm): 
'Boven allen cederen bornen'. 



Nr. V. 'Jesus mein Liebster'. 



1. Nu lave, hertken, lave! 
du scholt nicht sore stan. 

ik wil di noch dallinck bringhen 
den levesten den ik han. 

2. Heft dar we sin lef vorlaren, 
so han ik jo dat min, 

ik wil ghan to dem cruce 
und breken eyn krenselin. 

3. Eyn krenselin van rosen 
is gudt to brekende, 

eyn lef van stedem sinne 
is hoch (f. 21a) to drepende. 

4. Eyn krenselin van dornen 
is scharp to dreghende, 
rosen mancket den lylien 
sin gud to brekende. 



5. To mynes leves voten 
dar stan twe bomelin, 

de eyne de dricht muschaten, 
de ander neghelkin. 

6. Muschaten de sint sote, 
de negelkin de sin gud, 
wan ik der mach smecken, 

so draghe ik eynen vriseken motd. 

7. Tho mynes leves hoveden 

(f. 21b) dar steit eyn lylienbladt, 
dat lopt van vrouden umme 
so alzc eyn molenradt. 

8. Tho mines leves siden 
dar stat eyn gülden schrin, 
dar inne is beslaten 

dat milde hertken sin. 



1, 1 hs. herken. 2, 4 hs. eynen. 4, 1 hs. dorne. 

Das Gedicht, in dieser Fassung mir sonst nicht bekannt, steht in nalien 
Beziehungen zu dem vorausgehenden ; die Überlieferung des Liedes vom Ccder- 
bäum bei Hölscher Nr. XV11I bietet in Str. 12 eine Stroplie, die oben der 
Schlussstrophe nachgebildet scJieint. Bekannter ist das weltlicfie Lied: Bei meines 
bulen haupte da stet ein güldner schrein (Uhland Nr. 30), von dem es auch 
eine erweiterte niederdeutsche Fassung gibt: Nieder d. Volkslieder hrsg. v. Yer. 
f. nd. Sjrrachforsch. I, 49 f. (Nr. 76). 

Nr. VI. Sprüche in Prosa. 

(f. 22a) Holt di ersten in vrede, so machstu ander lüde vredesammich 

maken. 

*) Str. 10 lies dort stad st. dat is. — Str. 18 ist vollständig erhalten und 
weicht von der obigen Fassung nur mit neghelt st. ghenegelt ab. 



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1& 



Eyn vredesammich minscke is nutter wen eyn ghelert minscke, unde en 
unvredesam minscke de thut ok dat gude in dat quade unde lichtliken lovet 
he quades. 

De vredesammiche minscke de kert al dinck to dem besten. 
5 (f. 22b) De in gudem vrede ijz, de enheft up nemande quade dancken. 

Werstu ghelavet, du bist dar umme de hilgeste nicht; werst[u] ghe- 
lastert, du bist dar umme de snodeste nicht. 

Dat du bist dat bistu, unde bist nicht groter, wen got din ewich (?) ijz. 
Wan du aver denckest, wat du inwendich bist in di, du en(f. 23a)achtest 
10 nicht wat de lüde van di segghen. 

De minscke sut in dem antlate, men godt in dem herten. 
De de wandert in gade inwendich unde to uthwendighen dingen nene 
begheringhe enheft, dat ijz eyn statd enes innighen minscken. 

[fol. 23b unbeschrieben.] 

Nr. VII. Christus und die Seele. 



(f. 24a) De eddele zele eynes 
juwelken cristen mynschen spricket to 
dem hilgen cruce: 

1. Boghe dynen strenghen telghen, 
du schone palme holt! 

dorch dyne milden gude 

so giff my dyne frucht so sote, 

giff my myn leff so stolt! 

Dat cruce to der zele: 

2. Ik sta hir by dem wege 
unde byn berede dy. 

myne frucht wil ik dy gheven, 
men du most dy up heven 
unde stich dar dyn leff ijz. 

De zele: 

3. Wo schal ik to em kamen? 
dyn polle is my to hoch, 
neghe dy to der erden, 

(f. 24b) dat my myn leff möge werden, 
so werde ik seker vro. 

Dat cruce: 

4. Dyn leff ijz an der wunne, 
du bist eyn arme wicht. 

he schal hyr an my hangen, 
du kanst ene nicht äff langhen, 
to dy so wil he nicht. 

De zele: 

5. Eya, du schone palme! 
wo bistu my so swar! 

myn leff ijz vul der gnade, 
he gheve sick my so drade, 
worde he myner enwar. 



De zele to Jhesu orem leve: 

6. Slapestu edder wakestu? 

(f. 25a) Jhesu, min trost so gudt! 
na dy so lith myn herte 
so droflike smerte, 
kum, lose id uther noth! 

De zele: 

7. Wo hengestu, leff, dyn hovet 
nedder al umme den willen myn? 
wultu my nicht to sprecken, 

so modt myn herte breken 
al dorch de leve dyn. 

De zele: 

8. Wack up, wak up, myn heylant! 
myn hopene unde al myn trost. 
sprickestu my nicht to so drade, 

so hape ik nener gnade 

unde (f. 25b) werde nummer lost. 

Jhesus antwert der zele: 

9. Wol ijz dat de my wecket 
al uth dem slape myn? 
slapes ik beghere, 

ik bin vormodet sere 

van lydent unde ok van pyn. 

De zele: 

10. Leff, dat bin ik vil arme, 
dar to bringhet my de noth. 
werestu nicht entwaket 

unde heddestu my nicht to Spraken, 
van ruwe were ik doth. 



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14 



Jhesus: 

11. An der leve bistu nicht vaste, 
dat merke ik wol an dy. 

woldestu so ringhe (f. 26a) vormoden, 
ifte ik dy lete an noden, 
so hapestu klene an my. 

De zele: 

12. Ach leff, myne macht unde ok myne 

starke 

de ijz dy wol bekant. 
wultu dy to my keren, 
so mach ik dulden leren; 
anders ijz id umbewant. 

Jhesus: 

13. Wultu dulden leren, 
so se, leff, hir her an my: 
an myne wunden rode 
mit mynem bitteren dode; 
hir an so speygel dy. 

De zele: 

14. Ik se dy, leff^ gekronet 
myt eynem krantze roth, 
den drichstu, leff, vul pyne 
al umme den willen myn, 
dar na so steyt myn modt. 

(f. 26b) Jhesus: 

15. Scholle wy twe leve wesen, 
so nym, leff, den kranjz to dy. 
drich ene unvorborghen 

den avent unde ok den morgen, 
dar by so dencke [an] my. 

De zele: 

16. Wo se ik, leff, dyne oghen! 
dar umme myt blöde rodt! 

dar alle engele schare 
unde alle hilgen klare 
syn in ewiger vroude grodt. 

Jhesus: 

17. Myne oghen syn vordecket 
alto eynem bilde dyn, 

wen dyne oghen mere 
stan na ideler ere, 
so dencke, leff, an my. 



De zele: 

18. Wo bleck syn dyne wanglien! 
(f. 27a) wor ijz de schonheyt dyn? 
dyn liff mit blöde berunnen 

hir henget an der sunnen 
al umme de schult myn. 

Jhesus: 

19. Bistu nicht geleret 
al an der leve grod? 

al de eyn vast leff kesen, 
ere varwe se vorlesen 
unde bernen van leve roth. 

De zele: 

20. Wo reckestu uth dyne arme? 
entfanck my, leff, dar in! 
mochte ik an dy rouwen, 

dyne groten leve schouwen, 
so worde ik .seker vro. 

Jhesus: 

21. Ik bin alle tyd berede 
unde wil dy dar inne entfan. 
de (f. 27b) sunde scholtu myden, 
unde umme mynen willen lyden 
allent wat dy kan an ghan. 

De zele: 

22. Ik sta unde se dy, Jesu, myn leff, 
vorwundet al an dat herte dyn, 
mochte ik my dar in senken, 

wen myn herte unde munt nicht mer 
spreket, 

so ladt my, leff, dar in! 

Jhesus: 

23. Schal ik dy laten rouwen 
an mynes herten grünt, 

so vorwunde erst dyn herte 
myt mynes lydendes smerte 
to betrachtende in aller stnnt. 

De zele: 

24. Jhesu, eyn bunt der mirren 
gifstu den leven dyn. 

se mit (f. 28a) dy so moten dregen 
dyn cruce in allen wegen, 
wultu, so mach id syn. Amen. 



2, 5 vn am Bande mit Verweisung szewhcn nachgetragen. 19, 4 Iis. 
varue. 24, 3 ist so durchaus verderbt; etwa da mit sy moten? (Es könnte 
immerhin auch ein Innenblatt der Lage zwischen mit und dy ausgefallen sein.) 



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15 



Das Stück bringt uns ein zweites Gedicht der Gattung, welche bisher 
in der niederdeutschen Litteratur nur durch das bekannte Lied: Heff up din 
cruce, min leveste brut (Hölscher Nr. XLV, Jahrb. VII, 3 ff., Horae Belg. X, 
Nr. 81, Werdetier Lb. Nr. 23) vertreten war. 



Nr. VIII. 'Trug-Welt' (nach der Melodie 'Ave pulcherrima regina'). 



1. Droch werlt, my gruwet vor dyn 

wesent. 

wor syn nu de resen, 

de dar nesen 

nicht enkonden? 

se sint so gar vors wunden, 

des bedrove ik ray. 

We moten al up de sulven Straten, 

wo wille we uns säten? 

de mate, de lengede, 

de wech ijz wit unde enge 

gar wunderlik. 

Se sin dot, de alle tydt na Insten weren 
nach der werkle lop. 
help uter nod, Crist! wente du so duldich 
werest 

an des (f. 28b) cruces rope. 
wor vint me nu to kope 
de dope 
der ruwe? 

wente ik mot grnntliken schonwen 
al myne schult. 

2. Des were wol tydt, dat ik ray be- 

dachte, 
wo ik willichliken brochte 
to rechte 
myn levent. 

he kumpt, de uns wil gheven 
eyn ewich Ion. 

Nach werken unde ok nach worden, 
nach dem strengen orden 
des ordels ich vruchte, 
ik beve unde ik suchte 



vor gades torn. 

Wente he kumpt und weckt my uther 
erden begraven, 
(f. 29a) dar ik ligge beschuret, 
so mod ik vor des strengen koninghes 
krafft, 

de dar ewichliken dnret. 
went ik dat besure, 
so truret 
myn geraote. 

de my io schop, sin gode 
help my dar to. 

3. Nu help Maria eyn koninginne reyne, 
wente du bist alleyne, 
de ik meyne 
myt truwen. 

du machst my ewichliken vronwen 

nach dyner Inst. 

Du bist de hogelavede werde, 

de de beyde hemmel unde erde 

bekerde 

to den vra(f. 29b)men, 
do Christus wolde kamen 
to dyner brüst. 

Do god up slos syne hilgen drevoldicheyt 
also herliken, 

he gaff dar uth den schat der erlicheyt 

also dogentliken. 

he late uns nicht entwiken 

syn rike 

tom lesten, 

wen sick unse sele resten 
in vromde lant. Amen. 



Das Lied existiert — freilich mit irreleitender Stroplicnabteilung — 
auch in einem Rostocker Einzeldruck von L. Dietz (ca. 1520), der bei Wiech- 
trmnn- Hofmeister III, 65 beschrieben und wiederholt wird; eine mittelnieder- 
ländische Fassung ist von Baumker, Vierteljahr sschr. f. Musikwiss. IV (1888), 
229 ff. nach der Wiener Handschrift 7970 mit Lesarten des Berliner Mscr. 
germ. in 8° 190 herausgegeben. Die gleiche künstliche Strophenform begegnet 
auf niederdeutschem Boden noch in Hölschers Nr. LXIX. Den Eingang 'Droch 
werlt 1 liat auch der geistliclie WecJisel (Seele und Welt) bei Hölscher Nr. 
XXVIII, während die betr. Stropfie im Werdener LB. Nr. 7 die fünfte ist. 



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16 



Nr. IX. Sprüche in Versen nnd in Prosa. 

1. De meyster Aristotil spricket: 

De bose wanheyt de guden vorkeret, 

de gude wanheyt de bösen leret; 

id ijz neyn complexio so gudt, 

de wanheyt vorwan(f. 30a)delt eren modt. 

2. We in snntheyt unde in vrede wil leven, 
de mot sik dar to gheven, 

dat he stedes hebbe enen vroliken raod 
unde vormide sorghe, torn unde drovicheit. 

3. Wes ghemlik lustich unde fro 
unde fruchte god in allen Steden jo. 

4. Wultu don na gudem rade, 
so holt gades bade. 

5. Eyn anbeghin der wisheyt ijz de fruchte gades. 

6. Wisheit averwint de bosheyt. 

7. We salich wil bliven, 
de mod leren lyden. 

8. (f. 30b) Lydent ane dult 
endeiget nene schult. 

9. Id gha dy wol edder ovele, 
dyn hopene sy to gade snel. 

10. Denck up dem ende 
alles dinghes en ende. 

11. Na tyden unde na Steden 
wandelt de wise minsche sine sede. 

12. Lever mach de minsche myt swigende winnen, 
den dat he mit spreckende werde vorwunnen. 

13. Men swich unde lydt, 
dencke unde mitd, 

so hefstu tydvordrif. 

14. Swich unde lydt, 
id kumpt de tydt, 

dat swigent maket lident quidt. 

15. Nen doget also hoge (f. 31a) gheyt, 
alse dar deyt de duldicheyt. 

16. Wener de minsche unbescheden ijz, so wert de doget to ener undoget 
gekeret. 



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17 



17. Mate i/z under allen dinghen alder nuttest. 

18. Dat ding wert nummer gudt, 
dat me ane mate deyt. 

19. Wol vrunt by vrunden nicht ensy, 
doch schal dar truwe by syn. 

20. De dar mit worden misbert, 
des herten dat nicht enment, 

do dn ok so in den saghen, 
so wert de knnst bedraghen. 

21. De en war (f. 31b) frunt ifz, de heft alle tyd leff unde steyt in vrouden 
rinde in droffnisse vast, dat i/z wis. 

22. Du scholt nicht snel werden en vrunt, overst wen du dat bist ge- 
worden, so bewise dat myt den wercken. 

23. Iftu wult gudt syn, so wes allen truwe myt dynem munde. 

24. We de holt sinen munt, 
de beholt ok synen vrundt. 

25. Du scholt swighen unde nicht openbaren wat dy wart bevalen. 

26. Du scholt dy nicht tornen unde in torne nicht arges spreken. 

(f. 32a) 27. We gades moder stede ert, 

in quade pyne wert he nummer kert. 

28. Du scholt dy maken anname unde bereyt 
gade to denende ane underscheyt. 

29. Misse, bedent, almisse, vastent, 
desse vere algenant 

de losen de zele uter pynebant — 

dar god unfz alle mote vor bewaren. amen. 

Am Text dieser Sprüche wäre besonders viel zu tun: der Reim ist 
vielfach durch Umstellung oder Einsetzung von kqchdeutscJien oder rheinischen 
Formen Jier "zustellen. So lies: 9, 1 ovele edder wel (: snel); 11, 2 seden; 18, 2 
dut; 19, 2 wesen by (: ensy). Ein Reim ist wohl auch einzuführen in 23 
(gudt : inudt) und in 25 (holden verhalen : bevalen); 20, 2 lies des dat herte. 
Weiteres unterlasse ich, weil andere vielleicht mehr Varianten und Parallel- 
stellen beizubringen in der Lage sind. 

1 wies mir W. Seelmann bei Everhard von Wampen Buch 1, V. 101 

— 104 (Jahrb. X, 124) nach; darauf habe ich in der Ootliaer Handschrift 
auch nach 2 gesucht, aber vergeblich. — 5 Eccli. 1, 16. — 6 vgl. Sap. 7, 30. 

— 13 vgl. Rimbölcelin V. 1287 ff. — 18 Freid. 114, 5. 6. — 19 Freid. 
96, 13. 14: Swie fremede ein friunt dem andern si, da sol doch triuwe 
wesen bi. 

Niederdeutsches Jahrbuch. XV. 2 



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18 



Nr. X. Gebet in Reimprosa. 

Kyrie, ach vader, alder hogeste godt! 
wo kleyne achtet men dyn gheboth! 
schon unser bo/zheit, 
de vel sunde deyt, 
5 (f. 32b) vorbarme dy unser, Crist, 
de du bist 

de porte des levendes, de wech der warheit 

unde dat levent der ghelovighen zalicheit, 

van dem vader ghegheven, 
10 dar dorch wi leven. 

vorbarme di unser, 

Kyrie billige geyst in ewicheit! 

sta uns bi dorch dine barmherticheit! 

unse sunde de syn uns bi — 
15 wil nicht vorlaten 

de up dy hapen. 

vorbarme dy unser! 

4 hs. xpe. 

Nr. XI. Farbenlied. 



(f. 33a) 1. Na groner farwe min herten 
vorlanghet, 

do ik elende was. 
dat ijz der leve eyn anghefanck 
recht so dat grone grajz 
Eyntsprunghen uth des meyes schin 
mit so mennigheu blomlin klar, 
des heft sick eyne junckfruwe fyn 
ghebildet in dat herte myn 
tho dussem nyen jare. 

2. TJmme oren willen draghe ik widt 

in mines herten grünt, 

min hertz steyt mit gansem flite 

na orem rodermunt. 

Dar na sette ik mine dancken 

(f. 33b) beyde nacht unde ok den dach, 

dar na so gha ik mennigheu ghanck, 

de tidt wert mi nummer to lanck, 

wen ik se schouwen mach. 

8. Roder farwe der hebbe ik vel, 

in der leve so brent myn hertz ; 

dat se dat nicht erkennen wil, 

dat dot my seker smertz. 

Dat szeghe ik van hertzen gherne: 

ach mochte ik by er syn! 

ik hope, dat se jo wil schir 



ere junghe hertze to my keren, 
wor ik in elende byn. 

4. Blaw bistu, leff, van my be(f.34a)ghert 
in rechter stedicheyt, 

wüste ik wat din herte beghert, 

dat scholde dy sin bereyt. 

Dar scholtu, lef, neyu twifel anne liftn. 

mit (dy) truwen ik di mene, 

[ik] wil an dinem denste stan, 

de wile ik dat levent han 

wenthe an den ende myn. 

5. Grauwe farwe brinckt my pine 
mit suchten unde ok myt claghen, 
also ik in droflikem schine 

in minem herten draghe. 

Dat se sodanes nicht erkent, 

myn mydent bringhet my (f. 34b) pine, 

min hertz er mennich suchtent sent, 

ik hope, id werde des schir eyn endt, 

[so] ik bi er mochte sin. 

6. Geler farwe heft se mi vormant, 
do se my bejeghende de suverlick. 
ik se, se gerne heft se erkant; 
dat maket my frouden rick. 

Se bod my eren rodermunt, 



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19 



iiiiiies leydes ik vorghadt 
ik danckede er to der sulven stunt. 
myn hertz in groter freyden stunt; 
do wort myn sorghe gheboth. 

7. (f. 35a) Swarte farwe heft rai vor- 
schrecket : 
dat modt eyn scheydent sin. 



al myn frode beft se bedecket 
under erem düsteren scbin. 
Godt seghen di, leff, to aller tidt! 
scheydent bringbet dat groteste swer. 
dach unde nacht dencke ik mit flidt, 
al wor ik bin, ferne unde wydt, 
ik vorghete dy numer mer. 



1, 3 hs. anfanck, dann fanck durchstrichen und (in der folgenden Zeih) 
ghefanck. 2, 3 steyt mit anderer Tinte am Rande. 2, 6 es stand ursprünglich 
dach unde (ok de Übergeschrieben) nacht. 3, 8 hs. herteze. 4, 8 hs. hant. 
6, 2 de am Rande nachgetragen. 

Die gleiche Zahl und Reihenfolge der Farben hat die Fassung des 
Frankfurter Lb. (bei Mittler Nr. 697), völlig abweichend der niederdeutsche 
Text in den Nd. Volksliedern I Nr. 108 (8 Strophen). Eine geistliche Um- 
(Uchtung bei Hölscher Nr. XXXIX (6 Strophen). — Die Melodie liegt dem nl. 
Uede Ic heb ghejaecht mijn leven lanc (Horae Belg. X Nr. 109 unter Drugmans 
Namen) zu Grunde. 

Nr. XII. Volkslied. 

Eyn ander leydt. 

1. Id redt eyn ridder wolghemodt, 

He vorde eyne fedderen up sinem hode. 

2. (f. 35b) He vorde eyne valcken up siner hant, 
He redt dem marckgraven dorch sin landt. 

3. He redt dem marckgraven vor sine dor, 
Dar seten dre schone junckfruwen vor. 

4. 'Stolte ridder, ridt mi nicht to na, 
Dat my juwe grauwe rojz nicht entsla.' 

5. 4 Myn grauwe rojz sleyt juw nicht: 

He heft de schonen junckfruwen vel to leff. 

6. Junckfruwe, ik gheve juw — 

Das Lied steht hochdeutsch bei Uhland Nr. 108 (vgl. S. 1010), nieder- 
deutsch in jüngerer stark abweichender Fassung in den Nd. Volksliedern I 
Nr. 131. 

Der Schluss unserer Aufzeichnung ist leider herausgerissen und die 
Seite 35b obendrein überklebt durch 

(f. 35bb) Nr. XIII. Geistliches Lied nach der Melodie des vorigen. 

1. Id was eyn vorste also grodt, 

de hemmel unde erde allene Schopp. 

2. He Schopp den mynschen na synem ghebilde, 
tho synem lave unde ere. 

2* 



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20 



3. De dorch deii slangheu wart bedragheu 
unde vau synem scipper gheraden. 

4. De milde god vorbarmede sick des, 
dat de mynsche bedraghen was. 

5. Uude trachte tho erer salicheyt, 
wo de mochte — — — 

Vgl. hierzu die Variante f. 36b. 37a (unten Nr. XHIa): die abweiclienden 
Lesarten zeigen, dass das Lied beidemal aus dem Gedächtnis niedergeschrieben 
ward. 



Nr. XIV. Fragment eines Volkslieds. 

— (f. 36a) hamer unde ok myt tanghen. 
dar vant ik nicht men haverkaff, 
dar was myn krudt verghanghen. 

2. Dat du myn krudt vordorven hefst, 
des schal dy noch wol ruwen; 

uude leve ik dissen sommer lang, 
ik plante noch eynen nyeu blomen. 

3. Ik kam mick in eynen danfz gheghan 
mancker ghesellen unde hovescke juncfrouwen, 
dar vanth ik mynes krudes eynen kranjz, 

dar tho vorghetten truwe. 

4. Dar vanth ik ze in dem dansse gheghan, 
(f. 36b) dar my helft na vorlanghet, 

dar vanth ik ze an dem dansse gheghan 
myt bruner varwe bevanghen. 

5. Du, du eddele lylienbladt, 
du eddele keyzerinne, 

uude dat ik van dy scheiden schal, 
des krencket myr hertz unde synne. 

Ich habe das Lied nicht anderweitig feststellen können. 



Nr. XHIa (teilweise Wiederholung von XII). 

Dit ander singhe na der wyze alse van dem ridder, de dem marckgraYen 
redt dorch syn land: 



1. Id was eyn vorste also grod, 

de hemmel unde erde allene scopp. 

2. He schop den myuschen na synem bilde, 
en allene tho belevende unde erende. 



dtirchstriclm, 



Den anbeghin desses Sanges vinst du III blade thovoren. 



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21 



(f. 37a) 3. De dorch deii slangben wart bedraghen 
unde so van orem gode drenghet. 

4. De milde god vorbarmede sick des 
unde trachte tho orer salicheit. 



> durchstrichen. 



Nr. XV. 

1. De here vorbode den engel schone, 
dat he her trede al an den tron. 

2. De engel quam, godt sprach thohant: 
'ik mudt dy senden in verne lantd. 

3. Ach Gabriel, eyn junghelyn fyn! 
du must my eyn tmwe bade syn. 

4. Nu nym unse septrum in dyne hant, 
up dat du sist van allen bekant. 

5. (f. 37b) Var in de Stadt tho Nazareth 
to ener juncfrouwen ghar wunnichlick. 

6. De grote in dem namen myn 
unde segghe er, ik wyl ore kyndelyn syn. 1 

7. De enghel sperde uth synegoltvedderen, 
he hof sick up, he sette sick nedder. 



8. He vloch so snel myt groter hast 
to Nazaret al in de Stadt. 



Lied von Marien Verkfindignng. 

15. De hilghe geyst schal an di komen, 
also de douw valt up de blomen. 1 

16. Do sprack Maria al apenbar: 
'ik han dyne rede wol vorstan. 

17. Na dinem worde my ghesche, 
des helpen my de namen dre. 1 

18. Tohant so bloyede de roze rodt, 
den soten dow ze an sick sopp. 

19. (f. 38b) Ok sehen hir var dat 
morghenrodt, 

de waren sunne an sick slotd. 

20. Er hovet neghede ze al den schod, 
also de blawe fyolek dodt. 

21. Se heft ok oren roke sehyn, 
also de wytte lylye fyn. 

22. Do Maria vulbortd hadde gheven, 
Gabriel in vrouden beghunde to sweven. 



9. He quam aldar de maghet was: 
an oren inuighen bede ze lach. 

10. He sprack: 'god grote juw, schone 

maghet! 

wente gy ok gode so wol behaghet. 

11. (f. 38a) Gy scollen syn maghet unde 

moder 

van Jesu Christ al unseu behoder. 1 

12. De maghet scrack so sere vorwar 
al vor dem grote des enghel/z clar. 

13. Se sprack : 'wo mach ik des beghinnen ? 
wente ik nu nenen man bekande. 1 

14. De enghel de tröste ze al tohant: 
'Maria, dat schal dy syn bekant. 



23. He spreyde uth syne goltvedderen, 
he hoff sick to dem trone snel wedder. 

24. He brochte dat vulbortd van der 

maghet, 

de gode hadde so wol behaghet. 

25. (f. 39a) Do sprack god vader in 

ewycheyt: 
'ok segghe, eyn enghel ghemeyt, 

26. Ok segghe my, eyn junghelyn fyn: 
wo entfeng dy doch dat meghetyn? 1 

27. 'Dat meghetyn heft myr wol ent- 

fanghen 

godes wylle i/z vullenghanghen. 1 

28. Were dyt kyndelyn scone nicht ent- 

fanghen, 

so were wy altomalen vorghanghen. 



29. Were unfz dat kyndelyn nicht gheboren, 
so were wy altemaleu vorlaren. 



14, 2 Iis. bekat. 16, 1 hs. apebar. 21, 
sweuede beghüde to, nachträglich umgestellt 



1 Iis. rokesehyn? 22, 2 hs. 

jfaiÄGoo^Ie 



22 



Xr. XVI. Ein anderes. 

Noch eyn ander schone cantilena up dat ewangelium 'missns est angelus'. 



1. (f. 39b) Tho dissera nuwen jare 
so wyl wy vrolick syn! 

unfz heft eyn juncfrouwe clare 
ghebert eyn kyndelyn: 
tho Bethleera vorkoren, 
alse unfz de scrift vorklart, 
wardt unfz dat kyndelin gheboren, 
de maghet bleff unbeswert. 

2. Dar boven uth dem trone 
wart Gabryel ghesant 

tho eyner maghet schone 

al in dat lovighe lant: 

tho Nazareth al in de Stadt 

där he ze vant alleyne; 

he sprack: 'godt gheve dy vrede, 

godt ifz mydt dy ghemeyne. 

3. (f. 40a) Du bist boven alle frouwen 
van gode ghebenedyet, 

an dy so ijz entholden 
dat Adam heft entfernighet. 
du schalt an dynem lyve 
eyne eddele frucht entfan 
unde blyven sunder anghest 
unde twyvelen nicht dar an.' 

4. De maghet wartd ser entbeven, 
vorschrecket in oren moth, 

ze dachte in oren sinne, 

wat wezen mochte de grodt, 

den er de enghel brochte, 

de was ny er ghehordt. 

ze sprack myd stempnen sachte: 

'wo mochte dat ghesyn? 1 

5. (f. 40b) De enghel sprack: 'du schone, 
du scholt nicht syn vorsaghet, 

du entfangest des oversten sone 
unde blivest eyn reyne maghet. 
du entfanghe one sunder sunde, 
dat licht, der eughele brodt. 
der werkle moghe syne 
eyn wortd nicht syn ghenodt.' 

6. 'Wo mochte ik frucht gheberen? 
ghekande ik doch ny nenen man, 
hebbe ik doch ny gheberet, 

wo mochte dat wezen dan? 



id ijz boven nature unde krefte, 
tho wezende mo(f. 41a)der unde maghet, 
des truret myn ghedechte, 
dar van byn ik vorsaghet. 1 

7. 'Du hoghe maghet van pryze, 
du schalt nicht syn vorsaghet. 
de hilghe geyst wyl risen 

an dy vel werden maghet. 
de godes krafft utherkoren 
de wertd dy umme ghedan, 
dat van dy wertd gheboren, 
schal Adames sunde affdon.' 

8. Adam unde syne ghesellen 
de leghen so langhe ghevanghen 
in der varborch der hellen, 

dar umme dat ze hadden myjzghedan. 

dat Adam Jiadde vorloreu 

(f. 41b) den erdescken paradifz, 

dat wartd van dy gheboren. 

Ave, ik byn des wys. 

9. Elyzabeth heft eutfanghen 
in orer olden tydt, 

ore jar de synt vorghanghen, 
du maghet ghebenedyet. 
id ijz ok in ghodes vormoghe, 
wat ijz unde wezen schal, 
vulborde myt ghuder hoghe 
unde tröste dit jamerdal. 

10. De maghet was othmodich unde reyne, 
vallet nedder upp ore kny: 

'su, eyn denerinne godes, 
nach dynem worde my sehe.' 
al tho den sulften stunden 
entfanghet de maghet fyn, 
ze droch one sunder anxst, 
ze geber one (f. 42a) sunder pyn. 

11. Tho Bethleem utherkoren, 
so unfz de scrifft vorklaret, 
wort uufz dat kyndelyn gheboreu, 
de maghet bleff unbeswert. 

syn moder de bleff maghet; 
er van des wyl wy vrolick syn 
unde frouwen unfz altomalen: 
unfz mochte nicht beth gheschen. 



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23 



Das Gedicht ist in der Überlieferung besonders arg mitgenommen, ob- 
wohl es ein ursprünglich niederdeutsches Product, keine Übertragung aus dem 
Hochdeutschen ist: schon die Reimbindungen 4, 2/4 modt : grodt (muot : gruoz); 

5, 6/8 brodt : ghenodt (bröt : genöz) ; 4, 5/7 brachte : sachte (brähte : sanfte); 

6, 5/7 krefte : ghedechte würden als Beweis dafür genügen; vieles andere ist 
bei der Umschrift aus einem westlichen in einen östlichen Dialekt, mehr noch 
durch Einwirkung oberdeutscher Schreibart verwischt wcn'den. 1, 5 /. uther- 
koren (wie 11, 1). Ii kynt, ebenso 11, 3. 8 l. unbeswart (: verklart), ebenso 
11, 4. — 2, 5 tho Nazareth der stede (: vrede). 6/8 l. alleyn : ghemeyn (resp. 
alleen : ghemeen). — In Str. 3, wo der Reim gänzlich zerstört ist, macht 
Z. 4 die grössten Schwierigkeiten: entfernighet stand ursprünglich da, ist aber 
in ein Wort geändert, das ich nur als entfernt zu lesen vermag, 5, 7 wird 
durch Umstellung leicht ein Reim lyve : blyven hergestellt wie 7, 1/3 prise : 
risen. — 4, 6 wird im Reim auf sin : geschiu (geschien) eingeführt werden 
müssen, vgl auch 11, 6/8. — 5, 2/4 muss ebenso wie 6, 6/8; 7, 2/4 stumpfer 
Reim sein, also etwa in der Schreibung m aecht : vortsaecht. — 6, 1/3 wird 
man auf den ursprünglichen Reim gewinnen : weet ik doch nicht van minnen 
raten dürfen, — 7, 6/8 /. ummevan : afdwan. — 8, 2 Z. ghevan, — wenn nicht 
die Verderbnis tiefer liegt. — 10, 1/3 ist gewiss von einer Umstellung in 3 
aus zu heilen: godes denerinne : reyner sinne? 7 /. sunden (: stunden), oder besser 
noch sunde (: stunde). 



Nr. XVII. Fragment ('Es kommt ein Schiff gefahren'). 



1. Ave Maria, roseke, 
du leve moder myn, 
tröste alle herte, 
de nu bedrovet syn. 



2. Hur kumpt eyn schepken varen 

so verne uth Enghelant, 

Maria sit darinne, 

ore leve kynt wol bekant. 



3. Och we (f. 42b) mochte küssen 
vor sine rotermnnth! 
dat kerne wol tho lusten: 
syn zele de worde ghesunth. 

Str. 2 und 3 bilden in der Sstrophigen Fassung der Ilorac Belgicae X 
Nr. 26 die erste und letzte Strophe, im Werdener LB. Nr. 11 Str. 1 und 7. 
Str. 1 hat nur einen Anhalt in der oberdeutschen Tradition, vgl H. v. F. 
Kirchenlied Nr. 34 (= Wackernagel II Nr. 458) Str. 3. 



Nr. XVIII. Osterlied. 

Wy wyllen alle vrolick syn 

tho disser osterliken tydt, 

dar al unse trost unde heyl an lydt. 

alleluja, alleluja! 

alle alle alleluja! 

ghelavet sy god unde Maria! 

Vgl Wackernagel II Nr. 1121; niederdeutsch aus einer Hildesheimer 
Hs. v. j. 1478 im Jahrb. V, 47. 



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24 



Nr. XIX. Passionslied (Christi Tagezeiten). 



1. (f. 43a) Unfz daghet hüte en Jzalich 

dach, 

de mach unjz vroude bringhen; 
de ewighe sunne gift eren schin, 
der mach unjz wol ghelinghen. 

2. Wan dat kumpt to der primen tyd, 
und ik myn leveken wil schouwen, 

so vinde ik en to Pylatus hu/z 
mit roden rozen bestrouwet. 

3. Wan dat kumpt to der tercien tydt, 
unde ik myn leveken wil schouwen, 

so wizet he my dat duldighe lam, 
dat kan he wol bewisen. 



4. (f. 43b) Wan dat kumpt to der sexten 

tyd, 

so kumpt my myn leff to mote, 
mit enen cruce, dat ijz swar, 
so bitterliken wenende. 

5. Wan dat kumpt tor nonen tydt, 
so schinet de sunne hete, 

so schenket he my den roden wyn 
uth synes herten wunne. 

6. Wan dat kumpt tor vespertydt, 
unde ik myn leveken soke, 

so vinde ik one in Marien schote 
mit heten tränen beghaten. 



5, 



7. (f. 44a) Wan dat kumpt to der completen tydt, 
unde ik myn leveken wil schowen, 
so ze ik hir unde ze aldar, 
ift he där nerghen stunde. 

Die Reime sind mehrfach verderbt, man möge einsetzen: 4, 2 bejeueiide. 
4 swete; andere Verderbnisse liegen tiefer. 



Nr. XX. Die minnende Seele. 

Ift du begherest tho hörende ifte tho synghende werlike senghe unde ghudt 
tydvordriff tho hebbende, so holt dy tho dissen senghen. 



1. Ik byn van sorghen drovich, 
thom herten ijz my we, 

wan ik de valschen warlde 
vor mynen oghen /ze. 

2. Ik wil selscop soken 

unde wyl spasceren (f. 44b) ghan 
in mynes leves gharden 
unde speien sunder wan. 

3. Wan ik byn allene, 
so byn ik seker vro, 
wen(te) alle tydtvordryvent 
ijz in ghuder selscopp jo. 

4. Ik han twe leve selleken, 
de stedes by my syn, 

de eyne ijz myn apostel, 
de ander myn enghel fyn. 

5. Dar tho eyn truwe meghetyn, 
dat heth oratio, 



de kan so wacker vleghen 
wente in den hemmel hoch. 

6. Dat meghetyn wyl ik senden 
von hir uth Jeri(f. 45a)cho, 

dat ze my selscop vorwerve 
van Jerusalem hoch. 

7. Bekanth unde ok wylkomen 
ijz ze dem hemmelschen her, 
wes ik dar uth beghere, 

den kan ze brynghen her. 

8. Wol ijz de maghet wacker, 
doch wart ze vaken kranck, 

so mudt ze by sick hebben 
van tränen eynen dranck. 

9. Se schal my dar vorwerven 
des hilghen geystes ghunst, 
de ijz in allen speien 

de alderbeste kunst. 



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25 



10. Wyl ik wol behaghen 
dem leven Jhesu myn, 

so mudt ik medebrynghen 
de leven moder syn. 

11. (f. 45b) Wan ik dorch myne smide 
synen torae frucbte [so], 

so suth he syne inoder 
vor my tho biddende jo. 

12. Se mach orae vormauen 
de brüste de he soch, 

wan ze one up oreu armen 
in syner kyntheyt droch. 

13. Se metyghet synen torne 
unfz armen sunderen jo, 
wan wy niyd unsem bede 
tho er hebben thovlucht jo. 

14. Wan ik de koninghinnen 
van hemmel so lade jo, 

dan volghet orer vruwen 
dat ghansse her dar tho. 

15. (f. 46a) Margareta, Ursula, 
Agneta, Barbara, 

de volghen mydt den anderen 
der koninghynnen na. 

16. Myd den wyl ik den speien 
«ude treden in den danfz, 

ze scholt my helpen maken 
mynem leve eynen kranfz. 

17. Wol mach sick den vrouwen 
myn zele uude ok myn lyff, 
wan ik myd sulker selseopp 
mach hebben tydtvordryff. 

18. Vor mynes leves gharden, 
dar ligghen vyende vel, 

de raick den wech (f. 46b) vorkeren, 
wan ik dar speien wyl. 

19. Ik wyl tho sammede lezen 
dat bittere lydent syn 

unde legghen upp myn herte 
so eyn mirren bundelyn. 

20. So ijz neyn vyent so dryste, 
<le my den do vordretd, 



wan ze de starcken wapen 
up mynen brüsten seen. 

21. Wol [he] mydt syuem herten 
den gharden umme geytd, 

so ijz he van der werlde 
jo wyder unde breydt. 

22. Myner zele krefte, 

Stadt upp unde ghadt (f. 47a) vyl snel, 
dat wy der tydt wol bruken, 
de unfz god gheven wel. 

23. Id geyt nu an den avent 
mydt unses lyves macht, 
unfz mochte snel besliken 
des wyssen dodes nacht. 

24. Welck tydt nu [isj vorlaren, 
de wert nycht wedder bracht, 
de is jo in dem besten, 

de nu syn leveken socht. 

25. In mynes leves gharden 
ijz de berch calvarie, 

dar wassen rozenblomen 
tho allerhande we. 

26. (f. 47b) Dar[inne?]heftunfzgheplantct 
de wäre karitas 

de druffelen upp den rancken, 
dar me den roden wyn uth parset. 

27. De bom des hilghen cruces 
ijz hoch unde ok al breydt, 
dar jo mydt wyden armen 
Jhesus myn leff uppe steytd. 

28. Van mynes leves schetelen 
wente upp synen vodt 

kan ik in ome nicht vynden 
men wunden unde blodt. 

29. Och mochte ik dar sughen 
myd dem sundighen munde myn 
uth den mynsten wunden 

den roden soten wyn! 

30. (f. 48a) Ik hau [van] rayneu sundeu 
grote krancheyt unde byn seck, 
rayner zele wunden 

syn ser vul unde depp. 



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26 



31. In sick myn leff lieft salven, 
de maket my wol sunth, 
darumme wyl ik ome wyzen 
al myner sunde gruntd. 



33. In syn vyl mylde herte 

wyl ik my sencken, 

so kan ik nenes leydes 

(f. 48b) men vrouwde dencken. 



32. Eme wyl ik klaghen 
al mynes herten leydt, 
he kan my wol trösten 



34. Wy wyllen in dissem gharden 

de fynen blomelyn 

altosamede plucken 

unde maken eyn krenselyn. 



alse eyn frunt den anderen deyt. 



35. Dat krenzelyn schal van leve 
thohope voghet syn, 
den wyl ik den upsetten 
dem alder levesten myn. 



Str. 11, 2 man könnte auch auf fruchten ilo raten. 18, 4 es steht 
vorher durchstrichen: wan ik spasseren wyl. 20, 2 die la. vordre td ('vcrdricssl) 
scheint sicher, obwohl das erste r und dann wieder re übergeschrieben sind; der 
Beim lässt sich ja durch Einfügung der Form seedt herstellen. 23, 4 hs. 
acht (durchstrichen) nacht. 33, 2 hs. secken. 35, 1 hs. krezelyn. 

Das Gedieht kündigt den Wetteifer mit der Weise des Volksliedes gleich 
in der Vorbemerkung an. Es gehört mit dem folgenden (XXI) und mit Nr. J 
IV, V zu einer engern Gruppe, die niederrheinischer, vielleicht geradezu nie- j 
derländischer Herkunft ist, obwohl ich bisher nur für Nr. IV eine niederländische i 
Parallele kenne. 

Nr. XXI. Paraphrase der Glaubensartikel. 

Disse naghescreven verseke spreket up de artikel des cristliken loven 
unde thom ersten up dat wort: 'he is entfanghen' dit versek: 
1. Her Gabriel de plautede eyne rozen to Nazaret, 
de wajz in sick so kreftich, dat ze den hemmel thoredt. 

(f. 49a) Gheboren van Marien: 



2. Tho bethleem dar was eyn fyn wyd rozelyn, 

in houw hadde de gheplantet eyn fyn kusek meghetyn. 

Gheleden : 

3. In dessem gharden wassen de eddelen drufFelyn, 
dar unfz ijz uth gheparset de heylsame rode wyn. 



4. In dem mydden daghe (f. 49b) so ifz de sunne hetd, 
so gha wy tho dem bome, dar ik myn leveken wedt. 

5. Dar wyl ik ome tho holden mynes herten schotd 
unde wyl den dar entfanghen de soten rozen rodt. 

Begraven : 

6. Mercket: desse rozen, dat ifz dat leveken myn, 
dat wyl ik den begraven an mynes herten schryn. 



Ghestorven: 



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27 



He ijz nedder steghen to deu hellen: 

7. De vyl schone rose scheu so eyn karhunkelyn 
den syuen in der helle unde lozede ze uth der pyn. 

ff. 50a) He ifz up ghestan van den doden: 

8. De vorwelkede roze van sleghen unde van pyn 

[in] douwe wedder groyet unde heft dusent sunnen schyn. 

He ifz up ghesteghen tho den hemmelen: 
0. Van hogher vlucht de arnt so varet de blomelyn 
boven alle hemmele wente tho dem trone syn. 

He is thokuftich tho richtende de levendighen unde de doden: 
10. Uth mynes leves munde geytd eyn twe — 

Str. 3 und die Überschrift von 4. 5 wurden doppelt geschrieben und 
dann das erste Mal ausgestrichen; Variante: 3, 2 zuerst gheparset, nachher 
ghepset. 7, 1 hs. schone blome (durchstrichen) rose. Str. 10 mit twe- bricht 
die Schreiberin ab, Bl. 50b ist unbeschrieben. 

[fol. 51—56 leer.] 

Nr. XXII. Biblische Zeugnisse vom Lohne der guten Werke. 

(f. 57a) Mercke du cristen mynseke uth den worden Christi unde des hilghen 
apostels saneti Pauli, ok uth anderen bestentliken scriften, wo dat de hilghen 
Ion vordenen. 

To dem ersten vyntme Mathei am voften, Luce am sosten: 'Sedt, juwe 
5 Ion i/z grodt unde averflodich in den hemmelen.' (Matth. 5, 12. Luc. 6, 23.) 
Quarte apocalipsis in dem anderen: (f. 57b) 'Ik werde gheven enem ju- 
welken na synen werken.' (Apoc. 2, 23.) 

Item Apocalipsis in dem verteynden: 'Salich syn de doden, de in den 
heren stervet, ore wercke volghet one na.' (Apoc. 14, 13.) 
10 Luce in dem verteynden dar wert me ok wol vinden, wer de werke nicht 

ghelden, dat hir tholangh ifz to scrivende. 

In der ersten epistelen tho den Corinteren in dem voftey[n]den unde 
verteynden capittel: (f. 58a) 'Eyn juwelck wart syn Ion nemen na synem arbeyde.' 
(I Cor. 3, 8.) 'Overvlodich sitd in dem wercke des heren stede, dar uth dat gy 
15 weten, dat juwe arbeyt ijz nicht unnutte in dem heren.' (I Cor. 15, 58.) 

Paulus to den Romeren am anderen : 'Godt wart gheven eynem juwelken 
na synen warcken, den vorwarvet de vader lydinghe des ghuden (f. 58b) werckes 
herlich eyt unde ere unde unstraflicheyt soken, dat rike godes unde dat ewyghe 
levent.' (Rom. 2, 6.) 
20 Sapiencie in dem lesten : 'Se hebben nicht ghehopet dat 18n der gherech- 

ticheyt, ghudt aver dunde scolle wy nicht uphoren, wente wy werden id in der 
tydt meyen.' (Sap. 2, 22.) 

Item Paulus to den Galateren in dem sosten: 'Wan wy tydt hebben, ladt 
utifz ghudt don tho allen, unde dem meysten to dem husghesinde des gheloven.' 
25 (Gal. 6, 10.) 



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28 



(f. 59a) Ecclcsiastes im anderen: 'Gy de den heren fruchten, ghelovet 
ome, unde juwe Ion schal nicht uth ghedelghet werden.' (Eccli. 2, 8.) 

Psalmista: 'Ik hebbe myn herte gheneghet tho dunde dyne gherechticheyt 
in der ewycheyt umme den wedderlon.' (Ps. 118 (119), 112.) 
30 Sapiencie in dem ersten: 'De rechten werden in ewycheyt leven, unde 

by dem heren ifz ore Ion.' (Sap. 5, 16.) 

Mathei im teynden: 'De enen propheten to sick (f. 59b) nympt in dem 
uamen des propheten, de wart enes propheten Ion nemen.' (Matth 10, 41.) 

Mathei im neghenteynden : 'De de vorledt huze, efte brodre, efte suster, 
35 efte moder, efte vruwen, efte kynder, efte acker umme mynes namen wyllen, 
de wart hundertvolt nemen unde dat ewyghe levent besitten.' (Matth. 19, 29.) 

Les Marci im negheden, Mathei in dem twyntighesteu, in der ersten tho 
den Chorin(f. 60a)theren im drudden capittel: 'Isset dat werke blivet unde dat 
he dar upp buwet, he wart Ion entfanghen etc.' (I Cor. 3, 14.) 
40 Luce im XVIII. unde im VI., Ecclesiastes im XVI., to den Ebreren im 

VI., ok im X: 'Warpet nicht van juw juwe vortruwenisse, de de heft grote 
wedderghevinge des lones.' (Hebr. 10, 23.) 

Item to den Ebreis im XIII., Johannis im anderen vynt me där ok van 
wäre tuchnisse. 

45 (f. 60b) Item Paulus ad Titum: 'De de vechtet im banghestrydt, schal 

nicht ghekronet werden, id sy dat he eeliken stridet' (II Tim. 2, 5!) 

Genesis im XV.: 'Ik byn dyn vordeghedingher, dat Ion dynes arbeydes.' 
(Gen. 15, 1.) 

Ecclesiastici im III.: 'He heft ghegheven den gherechten dat Ion ores 
50 arbeydes. (Sap. 10, 17!) 

Ecclesiastici im drudden: 'Den doden nicht vorbeydet gnade.' (Eccli. 

7, 37.) 

(f. 61a) Paulus ad Titum, dat he scholde dat volck vormanen unde reyzen 
tho ghuden wercken: 'Darumme blivet jo bestendich, juwe warcke willen vaii 

55 dem heren nicht unvorloeut bliveu, des wy de ghanssen scrift vul hebben.' 
(Frei nach Tit. 3, 8.) 

Ok secht sanctus Paulus : 'Id behort sick dat ketterie werden, up dat de 
lovighen werden vorsocht.' (I Cor. 11, 19.) 

Augustinus in dem boke de civitate dei: 'Alse de duvel sudt, dat de 

60 tempel der duvel syn vorlaten (f. 61b) unde dat me loppet tho dem namen der 
vryeheyt des myddelers, so beweghe[t] he de ketters, de under dem crist- 
liken namen wedderstan der cristliken lere alse eyn stadt des hones, alse ift 
ze ane jeneghe breclicheit syn ghesen in der stadt godes unde syn doch alse 
eyn stadt des hones. ze hebben mancket sick wyssaghen de mannigherhande 

65 unde wedderwardighe dinghe volen. wat he nu nicht dorch sick kan don, dat 
deyt he dorch valsche broder, de he be(f. 62a)drechliken under der stalt- 
nisse des ghuden unde der upscrift des loven — de duvel — heft gemenghet 
mancket de cristen dorch de tholatinghe godes, up dat ze den waren loven 
anvechten umme der nutticheyt syner utherwelden [willen], de namalfz werden 

70 sen de pyne unde slymheyt der kettere, dancken gode, de ze so nicht heft 
laten dwelen, ane den wy nicht können don efte vullenbrin[gen]. . 



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29 



Z. 1 bis 2 bestentliken, Z. 6 Quarte bis audereii mit roter Tinte. Z. 1 
Iis. vth dem. Z. 8. 10 hs. verteyndem. Z. 12 Iis. Iii den. Z. 17 vorwarvet 
de vader lydinghe steht unbestreitbar da; secuudum patientiara aber will durch 
ua der lydingbe übersetzt sein, vorwarvet ist ein ganz überflüssiges Verbum, 
das sich mit dem Lesefehler vader eingedrängt hat: das neue Subject schien 
auch ein Prädicat zu fordern. Z. 24 dem raeysten verlesen für tem meysten? 
Z. 28 hs. gherechtich-heyt. Z. 38 f. dat he vn dar durch Verweisungszeichen 
umgestellt. Z. 63 Iis. breclich-heit. Z. 66 ander der] hs. vn der. Z. 71 mit 
vullenbri bricht der Text ab; es wird wohl eine letzte Zeile, die den Wort- 
schluss gen brachte, abgeschnitten sein; die letzte Seite (62b) ist leer. 

Die mehrfachen ungenauen Stellenangaben werden niemanden verwundern, 
der sich je um die Citate mittelalterlicher Predigthandschriften gekümmert hat. 



Anhang I. 

In unserm Liederbiichlein fand sich schliesslich noch ein loses 
Doppelblatt, dessen erste Hälfte beschrieben ist. Es wird schon Jahr- 
hunderte in der frommen Gesellschaft geruht haben, in die sein Inhalt 
so wenig hineinpasst, ja die Aufzeichnung mag immerhin in die Ent- 
stehungszeit der Handschrift selbst hinaufreichen. Format und Structur 
des Papiers sind genau die gleichen, und die gänzlich abweichende 
Kursive mochte recht wohl neben der kunstvollem Buchschrift im 
Kloster geübt werden. 

Das Gedicht ist eine altertümlichere, wenn auch leider aus 
Willkür und ungenauem Gedächtnis entstellte Fassung des Volks- 
liedes, welches jetzt als Nr. 94 in den Niederdeutschen Volksliedern 
(Hamburg 1883) S. 66 nach den Liederbüchern von Uhland und de 
Bouck wieder abgedruckt steht. Die beiden Strophen 6 und 7, welche 
die Pruckfassung mehr hat, sind wahrscheinlich jüngerer Zusatz: 
unsere Version bietet einen drastischen Abschluss, wie ihn der neckische, 
aus sentimentalem Pathos ins Burleske umschlagende Ton des Ge- 
dichtes verlangt. Dagegen ist unsere Strophe 4 nicht nur in der 
Uberlieferung barer Unsinn, sondern auch von Anfang an unberechtigt: 
dem entflogenen Vogel können unmöglich neue Schellen angehängt 
werden! Die Schreiberin hat hier offenbar einen Versuch gemacht, 
das Motiv von den Schellen weiterzuspinnen, gibt ihn aber alsbald 
wieder auf und zieht sich mit einer Reminiscenz an einen bekannten 
Liedeingang (Niederdeutsche Volkslieder Nr. 22): My ys ein fyns 
bruns Megdclin gefallen in mynen sinn recht ungeschickt aus der 
Affaire. Im übrigen bietet unsere Aufzeichnung wertvolle Lesarten, 
unter denen keine anziehender ist, als der ' wilde adeller' in Str. 2, 1, 
den der Druck durch einen 'wischen ogeler* (Schmeichler) ersetzt hat. 
Für den Grundgedanken des Spottlieds verweise ich auf das Gedicht 
'Van minnen inde van gelde' der Berlin-Blankenheimer Handschrift 



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so 



(von der Hägens Germania VII 327 f.), wo Str. 2, 4 Ich tcaindc ich 
din leyfiste were geradezu an Str. 1, 3 des Volkslieds erinnert. 



1. Falsker thungen rotter mimt, 
wo hastu meck bedrogen! 

du sedest, eck seholde de leveste syn: 
nu hastu meck vorlogen. 

2. Meck ys eyn wylder adeller 
gewont an myne thynnen, 

de hat meck mynen falken voryaget, 
de ys meck entflogen also verne. 

3. Dat he meck entflogen ys, 
dat schrecket meck so sere. 

de schellen heven eren klanck vorloren, 
se krygen en nummer mere. 



4. Eck henke ein eyn nye par schell eu au, 
de sunt em af gefallen. 

meck ys eyn fyn bruns medelyn gefallen, 
de belevet meck vor allen. 

5. Se hete meck gar fruentlych sytten gan 
by ere schmalen syden, 

se streck ineck oever myn geles har, 
se meynde dat gelt ym buydel. 

6. Ach, het eck gelt, so were eck eyn helt, 
so were eck wol er holde. 

nu heve eck neyn gelt yn mynem buydel: 
nu ys de leve gar thoschalden! 



2, 2 an aus yn. 4, 2 hs. gefalle. 5, 2 hs. schalen. 5, 4 Iis. meyde. 
6, 2 Iis. holden. 



Anhang IL 
Aus einer Marburger Handschrift. 

Während das Ebstorfer Liederbuch gedruckt wurde, fand mein 
Freund der Bibliothekar Dr. Boysen in einer Handschrift unserer 
Universitätsbibliothek das Lied 'Maria zart' und ihm angefügt die 
Nachahmung '0 Anna zart', beide in niederdeutscher Fassung. Die 
Papierhs., welche jetzt die Nummer 72 führt, stammt aus dem Kloster 
Corvey (alte Nr. 15) und enthält im Eingange Bl. 1 — 9 lateinische Gedichte 
— Historisches, Geistliches, Persönliches — des Hinricus Bogerius (s. 
Krause in der Allgem. deutschen Biographie 3, 39), in ihrem Hauptteil 
Bl. 13 — 244 lateinische Predigten und Excerpte zu Predigtzwecken. 
Dazwischen sind auf Bl. 10 — 12 die beiden Gedichte eingetragen. 
Das ganze gehört der Zeit um 1500 an. Ich gebe nun eine Collation 
des ersten Stücks zu dem oben als Nr. III abgedruckten, des zweiten 
zu Wackernagels Text (Bd. II, 1017 ff.). 

1. 'Maria zjirt.' Die Aufzeichnung gibt die gleiche nieder- 
deutsche Umschrift wie das Ebstorfer Lb., allerdings mit zwei Plus- 
strophen, von denen die eine (5a) in der oberdeutschen Überlieferung 
(Wackernagel Nr. 1036 Str. 11c, Nr. 1039 Str. 23) wiederkehlt 
während die andere (IIa) neu scheint: klingende Reime wie gheltorcn : 
thovoren, geve : weghe, eren : gheberen, namen : amen würden ihr nieder- 
deutschen Ursprung zuschreiben, wozu freilich das stumpfe sdd : meld 
des Eingangs nicht stimmen will. 



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31 

1,3 an allen dorne 5 hir wedder 6 vorlorne 9 vorghesproken 10 wroken 
14 bist 16 Am 1. — 2, 3 scr (?) vorlangen 8 se scryeden 10 to ryd 15 junc- 
frowelick kufz gheberen 18 ere. — 3, 14 bistu 18 dorth. — 4, 3 smerten 13 
grote. — 5, 12 nnde nam dir. — Ei folgt die Strophe 5a, s. u. — 6, 9 duvelsche. 

— 7, 18 vor sunden. — 8, 2 du kl. 3 erluchtede 7 De fehlt. — 9, 5 gabriele 
lOTriyngen. — 10, 5 du fron (frSn?) 15 figurert. — 11, 5 edder 7 Dyn erhoget 
loven 15 keren. — Nun folgt die Schlusssir ophe, vor der ich die Zusatzstrophe 
5a einschalte: 

5a. Maria gud, IIa. Maria seid, 

welk groth unmoth help dat ik meld 

elende lieft dyk vmfangen, dar van du byst gheboren: 

Do dy dyn kyndt Her Joachim gud, 

van juden blind de in uumoth 

an dat cruce wart ghehangen. god bath so lange thovoren, 

In grotem gram Dat he em geve 

dat duldich lam tho saligem weghe 

van Judas kufz im garden eyn frucht in allen eren. 

untruwelik warth vorraden Anna dat dy gheberen 

o mynscheyt blot! an erfsunde gar, 

o marter grot! ganfz reyn unde klar. 

0 wunden dep! Dar umme ik bidde: 

o speres stek! help uns selfdridde 

dynes kyndes afscheyden, in dyner frunde namen 

ghedenke dar an, und hemmelrike 

ik dy vorman vorwerf uns algelike 

syns unschuldigen lyden. tho Jhesu Christo. Amen. 

2. 4 0 Anna zart.' Das Lied, so deutlich sein oberdeutscher, 
bairischer Ursprung ist (vgl. Reime wie 2, 4 f. allein : din, 5, 11 f. 
zit : unfruchtbarheit, 12, 4 f. sin : gemein) , existiert nur in nieder- 
deutscher Umschrift. Der Text, welchen Wackernagel unter Nr. 1257 
nach dem Braunschweiger Gebetbuch des Hans Dorn v. J. 1507 ab- 
druckt, erfährt durch die nachfolgende Collation einige Berichtigungen 
(3, 11; 4, 12; 6, 6; 7, 5. 10; 10, 2. 3), obwol die Abschrift wenig 
sorgfältig ist. Die sprachliche Form steht der des Druckes sehr nahe, 
wie man aus der Vergleichung des Eingangs sehen mag: l O Anna 
tzart, to dusser varth Istfh vns dy nyge anheven.' 

1, 6 dynem siechte (io übergeschrieben) dar neven 17 fruchten. — 2, 9 
van welk ys uth ghesproten 14 ghewert 17 dy bevelent sy 18 stede. — 3, 2 
hebt Ii myt den kynderen dyn 17 uploven. — 4, 8 lieft gebeden 12 smaheit 
der eer 15 vorbidden 18 ungeberden? — 6, 3 der mynschen 4 Dede lyden sin 
6 wetagen 11 geven räd 18 setten. — 7, 5 syn 10 behod 12 vor fehlt des d. 

— 8, 5 ut wat 11 syn 12 fyn 13 uth des herten. — 9, 2 vormert 6 hemmel 
8 cristlik 10 du plecht vele. — 10, 2 scryen vel to dy 3 trurlik 9 uns jo ent- 
gelden nicht 18 dar wy neyn pyne lyden. — 11, 4. 5 Maria sik bald vorwendet (?) 
10 unffc. — 12, 3 de wy 4 de dy syn 5 bevolcn dyn Ii antelik 18 dat leth. 



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32 



Anhang III. 



Als Bogenfüllsel gebe ich noch ein Gebet in Reimprosa an 
die heilige Gertrud, das den Schluss der unserem Liederbuch 
zeitlich nahestehenden Ebstorfer Papierhs. VI 10 bildet. Die Hs. enthält 
umfangreiche Auszüge aus dem Seelentrost, mystische Passionsbetrach- 
tungen und zuletzt Gebete an verschiedene Heilige: alles in Prosa 
bis auf das geistliche Lied (oben Nr. IV) und das nachfolgende Stück. 
Ähnliche Reimgebete (an S. Dorothea, S. Antonius) hat Lübben, 
Mitteilungen aus nd. Handschriften (Oldenburg 1874) S. 10 abgedruckt, 

(f. 142a) Van der Iiiigen juncfrouwen snnte (rherdrnd. 



Grotet sistu, hilge juucfrouwc sunte Gherdrud! 

kusche mylde godes brud! 

van koninges siechte bistu geboren, 

dorch god hefstu desse werlt vorkoren. 
5 du bist vul gnade unde othmodicheit, 

gade to (f. 142b) lave togestu au eyn graw cleyt. 

de seken lüde de hefstu reyne gemakct, 

du clededest de dar wereu naket; 

de dorstigen unde de hungerghen hefstu gespiset 
10 unde de armen elenden to der herberge wyset. 

du herbergedest beyden lameu unde blinden 

unde alle de zeken de du wor kondest vinden. 

Hir vor gifft dy got to lone, 

dat du herberge hefst in deme oversten trone. 
15 dorch dine gude unde mildicheit 

so gitf uns herberge in der ewicheit, 

dar wy moghen schouwen de hilgen drevaldicheit. Amen. 



MARBURG. 



Edward Sehröder. 




33 



Niederdeutsehe Handschriften. 

Den Antiquaren Herren Volkmann und Jerosch in Rostock ist 
beim Ankauf einer älteren Bibliothek daselbst ein äusserlich verwahr- 
loster Sammelband in die Hände gefallen, dessen Inhalt aber, zumeist 
gut erhalten war und jetzt von ihnen auseinandergenommen ist. Der- 
selbe enthielt 3 Handschriften auf Papier in Klein -4°, geschrieben 
1521 von Ebbeke Vincke, und dahinter 4 alte Drucke. Vorn be- 
fanden sich 2 halbvergangene Blätter, ein Halbbogen mit dem bekannten 
Wasserzeichen des unten zangenartig geteilten p, das auf einem Stabe 
ein Nagelkreuz (oder eine Blume) tragt. Auf S. 1 stand oben die 
bekannte Inschriftform: 

Die dyth bock vyndt d (der Rest der Zeile unlesbar) 

unnd brengit yt vyncken. 

Der letztere war also nicht nur der Schreiber der Handschriften, 
sondern auch der Besitzer des Bandes. 
Die Handschriften sind folgende: 

1. Dyt is de Historie van der Erliken \ Stat Nuys ive de strengeliken 
belege \ gewest is van hertich Karol v& hurgödien \ ufi van brabant. 
MCCCCLXXIIII. 68 beschriebene Blätter. Kl. 4°. 

Es ist des Christianus Wierstraat: Historie des beleegs van 
Nuis, jetzt in den „Chroniken der Deutschen Städte" 1 ) von C. Nör- 
renberg neu herausgegeben, auf dessen Einleitung ich mich beziehen 
kann. Wir haben aber keine neue Handschrift vor uns, sondern eine 
Übersetzung aus dem Niederrheinischen in ein Niedersächsisch, welches 
so viel hochdeutsche Lautformen führt, dass ich es nur an die Süd- 
grenze Westfalens zu setzen vermag. Der Übersetzer ist der schon 
genannte Ebbeke Vincke, dem die zweite Druckausgabe von Johann 
Koelhoff jun. zu Köln von 1497 vorlag, wie die mitübersetzte Ein- 
leitung und die Erklärung des Akrostichons lehrt 2 ). Auch der pro- 
saische Abschnitt ist aufgenommen. Übrigens ist jene teilweise recht 
frei benutzt und wiedergegeben. Für den Text der Chronik hat die 
Handschrift daher keine Bedeutung, wohl aber für die niedersächsische 
Sprache der Gegend für das erste Viertel des 16. Jahrhunderts. Die 
Schreibweise ist wüst, aber ziemlich geregelt, sie hat stets ff für f, 
fast stets ff für f, das Schluss-s und das z sind gleich oder fast immer 
gleich; i und ij (nicht y) scheinen ziemlich regellos zu wechseln. Die- 
selbe Schreibweise ist auch in den übrigen Stücken durchgeführt. Man 
ersieht sie sofort aus dem lateinischen Akrostichon, das ich deshalb 
folgen lasse: „Crijfftianus Werstraat dictacit anno domij \ nij mijllelfimo 



l ) Bd. XX. Leipzig, S. Hirzel. 1887. S. 479—616. 
a ) Daselbst S. 496. 497. 

Niederdeutsches Jahrbuch. XV. 3 



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34 



quadijgenteffmo (!) ffeptua \ gesimo quinto. Et conplevit In proffeffto 
beati thome apofftolij ad honorem dornt \ nij nofftri Jhefu Crijffti Et 
gloriofe Virg \ ijnijs Marie ac beati martirijs fancti \ Quijrini Nec non 
ad perpetuam rei me \ moriam. 0 ffelijx Colonia. 0 pulcra Nussija. 
hec vobijs mijttit dictamijna. 

Die Überschriftsverse lauten: 

Dijt Is in Jhesus ufi marije name 
De Hijftorije van Nuijs tzosame. 

Die Akrostichonbezeichnungen am Rande laufen nur bis mijttit 
einschliesslich. 

In dem niederdeutschen Texte steht ständig tso = to, auch 
hertsoch, Sebent zijn, tsweelff, tzytich = twintich; daneben aber ändert- 
haipmndertdusent, truwelik etc.; dann wieder ffrolich, -leff (lief), reff 
(rief). Statt des ts könnte man nach der Art der Handschrift auch 
tz schreiben. 

Nach dem „Amen" am Schlüsse 1 ) folgen noch die Jahresverse: 

M ([ Eyne gafpe 2 ) van ener tasschen 3 ) 
CCCC ([ veer oren van twen vlasschen 

([ Ein halke in enem hus 4 ) 
XX V ([ Unde derdehalf andrees cruitz 
do lach de prinz vor Nuis. 
II ([ tzwee i darin 

do hlef he doet vor Nanzi. 

Ebbeke Vincke scripsit 
Anno m°vC° np dat nie jar 
Unde ein ufi tzwintich. dat is waer. 

Diese Verse stammen also von Ebbeke Vincke selbst. 



2) 8 Folien K1.-4 0 mit Wasserzeichen des einfachen, unten zangen- 
förmig gespaltenen p. Diese Lage enthält 2 Gedichte, geschrieben 
von der unverkennbaren Hand des Ebbeke Vincke in der oben 
bezeichneten Orthographie. Beide stammen unzweifelhaft aus dem 
Mhd. und tragen in der niederdeutschen Wiedergabe nur ein leicht 
abzustreifendes Gewand; z. T. sind sie kaum umgewandelt; in der 
mhd. Litteratur nachzusuchen fehlt mir aber zunächst die Zeit. Die 
Herren Volckmann und Jerosch gestatteten freundlich den Abdruck 
einiger charakteristischen Teile des Ganzen, deren absonderliche Recht- 
schreibung aber im Folgenden nicht beibehalten ist. 

*) Chroniken der deutschen Städte. Bd. XX. Leipzig, S. Hirzel. 1887. S. 614. 

2 ) Vergl. Schiller und Lübhen 2, 16. Nach dem nebengeschriebenen runden 
M ist aber an den Taschenbügel, nicht an eine Spange zu denken. 

3 ) Ich habe diese Verse in gewöhnliche Schritt umgesetzt, dass IT in tauchen 
und vlallchen aber als ss stehen lassen, weil ich annehme, dass tass-che, flass-che 
gesprochen ist. 

4 ) Es ist der „Hausbaum" des Giebelhauses gemeint, der hier für L gesetzt ist. 



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35 



a) Do 1 ) dee leue werde meyg 

Walt, anger, heide hadde bedecket 
Mit gelfer Hotz 2 ) maniger leyg, 
Löf schone ut festen halt getrecket: 
5 Deez hat de werde sönne dorchglemmet; 
Wat lopet, krupet, fluget eder swemmet, 
Dat wirt all in frouden upgewecket. 

([ De wunnentlike tzit 

Duchte mi bi nacht an enem hagen wit, 
10 Dar bouen ein schone veste lit. 
Ick will ut wunder wesselsagen 3 ) 
Van tzwen als Ick alldar vornam, 
Do de inorgensterne ufklam, 
Unde wolde begynnen tzo dagen. 

15 ([ Sanges konden de Vogeliu klein beginnen 
De sterne begunden sick tzo scheiden 
Do trad de wechter an de tynnen 
Unde sank dit leit, ane ein lenger beiden: 

([ Ick dummer wechter trede her 
20 Ick warne tzwe nach miner geer, 

De mich (!) so hoe bevolen sind bi eide. 

([ De helle dach hat sin getzelt 
Schoen ufgeslagen aver al dat velt 
Ick warne uth tzwe hertze leve vor leide 4 ). 

25 J De no so sote entslapen sint 

In bernende wunne schimpe, (Fol. 1*) 

De warne Ick up de truwe myn 
Vor grotzem ungelimpe. 

([ Weck uf, weck uf, unde des is tzit 6 ) 
30 Dee helle dach uns naher lit, 
Dat vogelin singet weder strit 
Dar midden in dem hagen. 

Nach des Wächters Tageliede erscheint sofort ein Liebespar in 
einem Fenster, und die „Junckfroue" fragt den Wächter, ob er den 
Sinn seines Liedes verstehe. Er erwidert, dazu sei er nicht gelehrt, 
damit solle sie ihn in Ruhe lassen; doch weiss sie ihn zu beschwatzen, 
ihrem Geliebten aus der Feste zu helfen. Das geschieht in Verkleidung 
in des Wächters Kittel (Kedel). Auf Fol. 4*> schliesst das Gedicht 
mit 2 rot geschriebenen Absätzen von 2 und 4 Versen, von denen 



1 ) Das D fehlt, es ist eine Lücke zum Ausmalen gelassen. V. 4 Mss. : kalt. 
V. 6 krupet: r auf Rasur. 

2 ) Es kann nicht mhd, vlöz, mnd. vlöt sein; denn es heisst hier „Blume". Viel- 
leicht ist an vlüs (Schiller und Lübben 5, S. 289 Sp. 2) zu denken. 

3 ) == wiedererzählen, nach Art von Wesselrede? — Ich habe im Folgenden 
das tz stehen lassen, wo es dem niedersächs. t entspricht. V. 21 In: hoe und 
V. 23. in: schoen ist das oe = 6. 

4 ) Zu lesen: iuch tzwe hertzeleve? Ebenso V. 26: bernender? 

5 ) Es sollte heissen: wak up, wak up etc. 

3* 



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36 



fraglich sein kann, ob nicht wenigstens die letzten 4 Vincke selbst 
gehören : 

Wat solde men nu der wechter plegen 
Dee leeve is tzo niehte gedegen. 

Wyl gy es mi nicht vorkeeren, 
So möge gyr 1 ) wal leren, 
Bat der leve dicke ovel schiebt, 
Deer guden der en meine ick nicht. 

b) Von der Mitte des Fol. 4h bis Fol. 8a einschl. folgt ein Lied 
zum Lobe des Weibes mit höchst geringem niederd. Überfluge, 
doch ist stets ghy und ho gebraucht, dagegen mir und dir: 

En tzwivel nicht du leveste min, 
Laet allen tzvivel ave sin: 
Hertze, mot, sinne is allent din, 
Des salt du wal geloven mir. 
5 Ick wil mir sulven nemen waer: 
Queme al dee werlt in eine schaer, 
So lef sal nemand körnen daer, 
Ick wil lever sin hi dir. 

Namentlich Fol. 7a ist der Preis des Weibes in 14zeiliger Strophe 
ausgesprochen. Fol. 8a schliesst das Gedicht mit Gegenüberstellung 
des Mannes und der Frau. Am Schlüsse ist in Correctur ein Yers 
rot nachgetragen. Dann: 

Men hode sick ock vor boese daet, 
De loegen werdet altzit raet. 

Fol. 8b schliesst daran (die gesperrt gedruckten Namen rot ge- 
schrieben) : 

Adam deer erste minsche was 
Den bedroch ein wif, dat Eva was. 
Sampsonis lyf van wiven wart geblendet, 
David van wiven geschendet, 
5 Deer wise koning Salemo gependet. 
Troien nnde alle dat lant 
Dorch Helenam vorsturt uude vorbrant. 
Allexander dem geschach alsus: 
Den betrogen de wive unde virgilius. 
10 Olyffernes wart vorsniden, 

Arysstotilles van enem wive mit fporen gereden. 
0 mulier, all der werlde meister! 



3) Ebenfalls eine Lage von 8 Folien K1.-4 0 . Handschrift des 
Ebbeke Vincke. 

ij] a. Eijn nije gedijeht. 

„ Eventure 

wo de wyffheyt aver de manheyt clayet." 
i= gi hir. 



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37 



Strophenweise klagt die „Wisheit" und antwortet die „Manheit" 
am Schlüsse: 

dyt helft gedieht de Ellende 
Dumme ryke Kerchoff. 

b. Darauf folgt als „Aliud" bezeichnet ein neues Gedicht, durch 
die folgenden drei lateinischen Überschriften in 3 Abschnitte geteilt: 
eine Art Klage über Not der Welt: 

Aliud || tu fupplex ora 
„De mi nu wolde recht bescheiden" etc. 
Tu protege 

Tuque labora 



c. Gewissermassen als Beispiel zu dem Inhalt dieses Liedes, wie 
man sich der Welt gegenüber verhalten solle, folgt dann das Gedicht 
des „Ffrederich van hynnenberge", die von W. Seelmann im Jahrb. 
IX S. 55 — 59 herausgegebene „Geistliche Eüstung Friederichs von 
Hennenberg", aber im Einzelnen mehrfach und am Schlüsse stark 
abweichend. Die Verse 203 und 204 bei Seelmann mit dem Namen 
des Dichters fehlen gänzlich : dagegen folgen eine Anzahl anderer mit 
dem Abschluss: In godes namen. Amen. 

a., b. und c. machen zusammen 10 Seiten (5 Folien) und 3 Zeilen 
aus. 4 weitere Verse gehören nicht dazu. 

d. Den Abschluss des Ms's. macht, von derselben Hand, die 
bekannte lateinische Epistola Jesu Christi: 

„Incipit epistola dm. nofftri Jhü criffti de Criffto ffilio dei et de 
faneto dominico die" 

Die angebundenen gedruckten 4 Bücher waren: 

1. „Tondolus der Ritter", hochdeutsch, mit zahlreichen guten 
und scharfen Holzschnitten; süddeutscher ( Ulmer?) Druck, anscheinend 
noch des 15. Jahrhunderts. Der im Titelblatt stehende Ritter hat 
noch spitze Schnabelschuhe, s. 1. et a. 4°. *) 

2. <[ ,,Van den detmer sehen is dyt ghedicht uh is waer \ 

Unde is ock van dem gnadentryken gülden yaer. 
s. 1. et a. Eine Lage von 3 geknickten Quartblättern = 12 S. 8° 
ohne Blattzahlen und ohne Custoden. Es ist das Dithmarscher Lied 
des „Sassen", d. h. des Lauenburgers, von 1500, Druck vermutlich von 
Mattheus Brandes in Lübeck 2 ). 

3. „Eyn lo/zbuch auß der karten gemacht." 8 Bll. K1.-4 0 . s. 1. 
et a., hochdeutsch, süddeutscher Druck mit 48 sehr scharfen Spiel- 

*) K. Goedeke nennt diese Holzschnittausgabe nicht. 

2 ) Vergl. die Ausgabe von F. Prien im Jahrb. X (1884), 89—103; H. 
Brandes ZDA. 32, 1 (1888), S. 24, auch Krause, Ztschr. Schl.-Holst.-Lauenb. V 
(1875), S. 364 und IX; jetzt auch Korr.-Bl. XIV. Nr. 2, S. 17. 



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38 



karten -Holzschnitten; vermutlich älteste Kartenabbildung, spätestens 
vom Anfange des 16. Jahrh. — Die Besitzer wollen dieses Büchlein 
in photolithographischer Nachbildung herausgeben 1 ). 

4. Pharetra fidei catholice. Süddeutscher Druck mit schönem 
Titelholzschnitt, nicht norddeutscher Art; daneben eine spätgothische 
schöne Zierleiste, s. 1. et a.; sicher noch aus dem 15. Jahrh. Von 
den letzten 2 Blättern, die rundum sehr beschädigt sind, war nur die 
erste Seite bedruckt. Die 2 nächsten enthalten eine handschriftliche 
Eintragung von der unverkennbaren Hand Ebbeke Vincke' s mit 
einer Nachricht über Meldungen vom Damenfrieden zu Cambray (1529), 
namentlich über die geplanten fürstlichen Verheiratungen. Der jüngere 
Sohn des Königs Franz von Frankreich wird Herzog „van Orliens" 
genannt. 

Schluss: dufse tydinge is affgekome Anno dm dusent viff hundert 
uh XXIX. oft id sy edder sy 2 ) late ich dar werlich by. 

Danach ist das Buch spätestens 1529 gebunden und, wie auch 
das Vorsatzblatt lehrte, im Besitz des Ebbeke Vincke gewesen, der 
also für sich selbst übersetzt, umgedichtet und geschrieben hat. 

Nach gütigen Ermittelungen des Herrn Dr. Lugge in Münster 
aus dem dortigen Königl. Staatsarchive ist nun der Name Ebbeke 
im 15. Jahrh. wiederkehrend in dem noch heute blühenden westfälischen 
Adelsgeschlechte der Herren v. Vincke (mit der Pflugschar im Wappen). 
Diese waren begütert im Osnabrückschen und Mindenschen, Lehnsleute 
der Edelherren zur Lippe und Drosten der Grafen von Bavensberg. 
1438 versetzen die Brüder Johann, Ebbeke und Otto „de Vinken" 
einem Bürger zu Horn eine Kornrente aus dem Hofe und Gute Monek- 
husen. 1439 verkauft Jasper Vincke, Ebbekens Sohn, an Erasmus 
v. d. Lippe seinen Corveyer Lehnshof zu Othenhusen, 1450 Vig. Math. 
apost. 3 ) geloben die Brüder Ebbeke und Otto Vyncken etc. als 
Lehensträger des Hofes Huste, Kirchsp. Riemloh, vor der Herrschaft 
zur Lippe; 1497 vig. assump. B. M. V. 4 ) leistet Ebbeke Vincke als 
Lehnsmann des Klosters Iburg ein Gelöbnis vor dem Gografen zu 
Melle. Der letztere Ebbeke könnte der Zeit nach der unsrige recht 
wohl sein, doch glaube ich einen Verwandten (etwa Neffen?), und zwar 
einen Geistlichen in dem Schreiber sehen zu müssen, da er der la- 
teinischen Sprache mächtig war, wie die Epistola Christi und die 
Pharetra fidei erweist. Jedenfalls gehörte er dem alten Glauben an. 

Ebbo, Ebbeke ist bekanntlich die Koseform für Eberhard, oder 
eine andere Zusammensetzung mit Eber. 

1 ) Sie ist soeben mit einer gelehrten, sehr beachtenswerten Einleitung von 
Dr. Adolf Hofmeister erschienen: Rostock. 1890. Volckmann und Jerosch. VIII 
und 15 S. 8°. In 100 nummerierten Exemplaren ä Mk. 5. 

2 ) So für „nicht sy". 

3 ) 23. Februar. 

4 ) 14. August. 

ROSTOCK. K. E. H. Krause. 



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39 



Mittelniederländisehe Bruchstücke. 

Die von mir im Jahrb. 12 (1886), S. 106—118 mitgeteilten 
Bruchstücke sind von Louis D. Petit 1 ) als Teile von Gedichten 
Willem's van Hildegaersberch erkannt worden, der als „Spreker" 
oder „meester Willem den dichter" von 1383 — 1408 am Hofe zu Haag 
nachweisbar ist. Der genannte vorzügliche Bibliograph giebt an, sie 
seien alle bereits aufgenommen in die grosse Ausgabe von W. Bisschop 
und E. Verwijs von 1870 2 ) und zieht deren Einleitung S. XXVI an. 
Dort sind indessen nur die 5 ersten Bruchstücke nach einer Mitteilung 
von Lisch besprochen, der nach seinem ersten Abdruck in den Jahrbb. 
*f. Mecklenb. Gesch. etc. 8, (1843), S. 217 diese aus der Handschrift 
der Universitätsbibliothek Rostock in verbesserter Abschrift eingesandt 
hatte. Während daher die von mir a. a. 0. angegebenen Abweichungen 
der Lisch'schen Lesung sich auf die gedruckte Bekanntmachung be- 
ziehen mussten, sind die von Bisschop- Verwijs angemerkten die seiner 
mir unbekannt gebliebenen, nach Leiden eingesandten zweiten Abschrift. 
Doch auch diese ist nicht überall genau gewesen, oder ihre Abwei- 
chungen sind von B. und V. nicht genau angeführt, namentlich die 
von ii und ij nicht durchweg beachtet. 

Danach ist Bruchstück 1 ein Teil des Gedichtes „Van dem 
ctrocm", B. und V. Nr. XCVI, V. 70—114 (S. 204—5). Bruchst. 2: 
Van den goeden Ridder, B. und V. Nr. XXII, V. 164—240 (S. 50— 51). 3 ) 
Bruchst. 3: Van dricn Figuren, Nr. XX, V. 1—11 (S. 42). 4 ) Bruchst. 
4: Van den X Gheboeden, Nr. IV, V. 40—128 (S. 6—7, vergl. S. 256, 
wo die Rostocker Varianten). 5 ). Bruchst. 5: Van Karitas, Nr. CVI, 
V. 117—209 (S. 227— 8). 6 ) V. 209 ist der im Jahrb. 12, S. 117 
als unten am Rande stehend angegebene Vers: Hier noch ginder ivair 
wy keren. 

Aber auch die 3 letzten, von mir dem Rostocker „Etwas" ent- 
nommenen Bruchstücke, die Bisschop und Verwijs nicht kannten, habe 
ich nun beim Willem aufgefunden. 



*) Bibliographie der middelnederlandsche Taal- eu Letterkunde. Met de 
gouden Medaille bekroond etc. van wegen de Kon. Vlaamsche Acad. v. Taal- en 
Letterkunde. Leiden. E. J. Brill. 1888. 8. 236 Nr. 1152. (Das. S. 120 Nr. 534 jj 
ist das von C. Walther im Jahrb. 11 (1885), S. 168 mitgeteilte Fragment von J. v. 
Maerlant's Spiegel Historiael registriert.) 

2 ) Gedichten van Willem van Hildegaersberch, van wege de Maatsch. 
d. Nederlandsche Letterkunde te Leiden. Uitg. door Dr. W. Bisschop en Dr. E. 
Verwijs. 's Gravenhage. Martinus Nijhoff. 1870. 

8 ) V. 235 ist die Rostocker Lesart nicht angegeben! 

*) B. und V. rechnen 1—10; V. 11 ist aber der im Rost. Ms. am Rande 
untergeschriebene Vers (Jahrb. 12, S. 113), doch liest B. und V. proeven mitten sinnen. 
5 ) V. 40 ist die Rost. Abweichung nicht angemerkt; auch nicht V. 67 (beref t). 
•) Hier sind mehrfache irrige Lesarten dem Rost. Ms. zugeschrieben. 



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40 



Bruchst. 6 gehört zu Nr. XXI u van den doemsdaghe ende van 
sterven", V. 295—302 (S. 48); Bruchst. 7: zu Nr. X »dit is van drien 
coeren", V. 1 — 4 (S. 22); endlich Bruchst. 8: zu Nr. CIX „ran den 
vier cussen", V. 121—146 (S. 233). 

Bisschop und Verwijs nehmen (S. XXVII) an, dass die alte Hand- 
schrift schon in Köln zu Buchbinderzwecken verschnitten sei, da sich 
das Bostocker Fragment in einem Kölner Drucke des Aristoteles und 
Albertus Magnus von 1491 verwendet findet 1 ). Die zweite verlorene 
Rostocker Bruchstückreihe steckte auch in einem Kölner Druck von 
1491, aber von Henr. Quentel. Möglich ist die Annahme immerhin, 
dass beide Bücher schon gebunden aus Köln in Rostocker Kloster- 
bibliotheken kamen. 

Im Rostocker Ratsarchive ist nun ebenfalls ein Pergament- 
Doppelblatt aufgefunden, welches zuletzt als Umschlag gedient hat 
und von dem das letzte Viertel einer früheren Verwendung wegen* 
abgeschnitten ist. Es enthält mittelniederländische, einigen sprachlichen 
Eigenheiten nach vielleicht richtiger mittelniederrheinische, Bruchstücke. 
Dem Inhalte nach verwandt mit der Dichtweise Willems van Hilde- 
gaersberch gehören sie doch nicht zu diesem, stammen auch aus einer 
ganz andern Handschrift. 

Die Schrift, spätestens vom Anfange des 15., wahrscheinlich 
aber noch aus dem 14. Jahrb., besteht aus gothischen Minuskeln, die 
Versanfänge aus Majuskeln, diese sind von den Minuskeln durch einen 
freien Raum von 0,5 cm getrennt. Jede Quartseite ist in 2 Columnen 
beschrieben, jede Columne beginnt mit einer grossen Unciale statt der 
Majuskel. Alle Buchstaben sind mit schwarzer Tinte geschrieben, nur 
2 Überschriften innerhalb je der ersten und der zweiten Seite der 
zweiten Columne mit dem nächstfolgenden Anfangsbuchstaben, einer 
über 2 Zeilen sich erstreckenden Unciale, sind rot. 

Das Doppelblatt, aus dem Innern einer Lage, ist früher ausge- 
breitet mit seiner oberen freien Kante in einen kl. Fol.-Band als 
Schmutzblatt eingebunden gewesen und daher das untere Viertel des 
nun lang liegenden Blattes, d. h. die zweite und dritte Spalte des 
zweiten Quartblattes, abgeschnitten, ebenso noch eine Vorderecke. 
Von der zweiten Spalte sind, mit Ausnahme von 5 vollständig ver- 
lorenen Versen, die Vorder-Majuskeln stehen geblieben. Die ursprüng- 
liche Höhe des Quartblattes betrug 21,33 cm, in den Einband des 
Folianten gezogen war oben ein Rand von 1 cm, die Schrift beginnt 
erst mit 2 cm, beschrieben sind 18,33 cm, der freie Rand unten beträgt 
0,66 cm. Die Blattbreite ist 18 cm, der Abstand vom vorderen freien 
Rande bis zu den Majuskeln 1,5, zwischen Majuskeln und Minuskel- 
zeile 0,5 cm. 

Die 4 Columnen des ersten Blattes haben je 38 Zeilen, dieselbe 
Zahl hatten beide Spalten der ersten Seite des zweiten Blattes. Von 



') S. Jahrb. a. a. O. S. 107 f. 



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41 



der letzten Seite ist Spalte 1 völlig weggeschnitten und die zweite 
hat nur 37 Zeilen. 

Die zweite Spalte der Vorderseite des ersten Blattes hat nach 
dem 22. Verse die rote Überschrift: van beduange. I III Dieser 
Abschnitt schliesst nach dem fünften Verse der zweiten Spalte der 
Rückseite, worauf die zweite rote Überschrift folgt: van leringen. I IUI. 
Demnach enthält das Vorderblatt: 

1) von dem 52. Abschnitte des ganzen Werkes den Schluss: 
60 Verse (I.); 

2) den 53. Abschnitt, Van beduange, ganz: Überschrift und 58 
Verse (IL); 

3) vom 54. Abschnitte, Van leringen, den Anfang: Überschrift 
und 32 Verse (III.). 

Das zweite Blatt enthält: 4) ein Bruchstück (nicht vom Beginne 
eines Kapitels) von 38 Zeilen und 33 Anfangsbuchstaben (IV.); ob in 
den 5 völlig weggeschnittenen Versen ein Anfang steckte, ist nicht zu 
ersehen ; 

5) in der letzten Spalte ein Bruchstück ohne Anfang und ohne 
Ende von 37 Versen; den letzten 5 sind die Anfangsbuchstaben weg- 
geschnitten (V.). 

Auf S. 1 steht am Rande der zweiten Spalte von viel neuerer 
Tinte die Registratur-Ziffer CXCVIII. 

Die Schrift ist durchaus gut lesbar, nur die erste Spalte hat 
durch das Verkleben oder einen Überguss gelitten, doch sind auch 
von ihr nur 5 Verse theilweise zweifelhaft oder fast nicht zu lesen 
(I, V. 23—27). 

Das i ist überall, wo es zweifelhaft sein könnte, durch einen 
feinen Oberstrich, rechts von unten nach oben, bezeichnet. Abkür- 
zungen kommen selten, und nur die bekanntesten vor, freilich efi für 
ende (und) 36 Mal, ein Strich für n 30 Mal; Strich für m 5 Mal 
(darunter II, 24: doihe); Wi für men 5 Mal; für r, er oder ar: 
8 Mal (darunter IV, 23 selv'c = selvre (Silber)); ein vorn durch- 
strichenes v für ver: 4 Mal. Ausserdem steht nur noch I, 17: qet 
mit übergeschriebenem Abbr.-a für quaet; II, 6: cö für comen und 
V, 24 ; Düsen für Busende. Der w-Strich ist versehentlich ausgelassen 
II, 17 in vergoude statt vergouden; das r-Zeichen III, 6 in derde statt 
der erde. 

Interpunctionen sind im Original nirgends gesetzt. 
Über die Verbreitung niederländischer Litteratur nach Rostock 
vergl. Jahrb. 12, a. a. 0. 



I. 



Maer dat die bede al ghemeene 
Nu niet syn guls allene 



Dus en conen wi niet geherden. 
Ghesetle di metten smekers niet. 



Nu verhelfen met hoverden 



Metten mont ende metter kele 
Maer mettien ogen vele. 



10 Hets volc dat bedriegens pliet. 
Sulc plegens apenbare vele 



5 Onse ongevallige sin 



Doen wi nu gapen omme gewin 



Alse smekende dese menestrele. 



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42 



Sulc smaeci oec in diere gebare 
Oft he een simpel dorper wäre 

15 Nochtan al fyn simpel sine wort 
Hi ne meent anders niet dan mort. 
Ghene dinc eu es de zinne so quaet 
Alse des vleeschs averdaet. 
Alse die joget es ontladen 

20 Soe leghet ende claept men vor scaden. 
Want soe niet ter eere ne waert 
Des bliuet soe al onghewaert 

Dansen fpolen 1 ) 2 ) gespan 

Beneemt d 3 ) wesene man 

25 Des plegen so vele 4 ) jonger liede 
Dat ic hem ma . . ö ) daet verbiede 
Si ontsuueren hem in die Jonchede 8 ) 
Hem seluen ende andere darmede. 
Onscamel anscyn vlygende ogen 

30 Syn si suuer ie wilt gedoghen 
Hare reinicheit wäre ongestade 
Vondcn si stede ende diet hem dade. 
Houesch Jongelinc doet sonde 
Waer dathi syn lyf ontbonde. 

35 Maer een out man die dat doet 
Machmen teilen ouer verwoet. 



Een wyf die can bi engiene 
Keren scieten hare ziene 
Ende gelaet ter werelt togen 

40 Sonderlinge vor den ogen. 

AI heet men se reine men mach stille 
Prueven merken wat soe wille. 
Wyfs onghestadichede 
Es gefordeert up vrechede 

45 Up giericheit ende up ovaerde 7 ). 
Wie des plien syn van wandelen arde. 
Noot es ene sware wer 8 ). 
Die die tyt heuet gheset. 
Duer noot werpt men diere goet 

50 Menich waeruen in die vloet. 
Gene getrouwer orconde men vint 
Dan die men hört an dat kint 
Alset es so verre comen 
Dat verstannesse hettet genomen 

55 Ende het ne can geveinsen niet 
Anders den het hört ende siet. 
Wi sijn ghereder tallen stouden 
T onsculdigen onse quaden sonden 
Dan te beterne onse mesdaet 

60 Ende dits onrecht ende quaet. 



IL 

Van beduange. l ni. 



Het betaemt bet den Jongelinge 
Dat hi met haesticheit vort springe. 
Inden ouden eist onbequame. 
So du best van meerre name 
5 So du meer soutgedogen. 
Neint en sach man comen so hogen 
Die met ongemater vrechede 
Lange stont in moghenthede. 
Die mesdaet niet wederstaet 

10 Het scynt oft hi minde dat quaet. 
Ghi hoghe ghierighe lantsheren 
Die hoge wilt staen in der eeren 
Ghine verstaet niet sekerlike 
Waer men vint dat connicrike. 

15 Seat no diere ghewaden 
Waghene met goude geladen 
Hoghe berghe vergoude 9 ) zalen. 
Dese en conen geen rike betalen. 
Dat es hi die crone dräghet 

20 Wie so hem niene versaget 



Ende felheit van herten ontseghet 
Die ghene gerechticheit an leget 
Ende niet en acht in ghere wisen 
Dat hem domme liede prisen 

25 Alse hi in hem seluen vint 
Wysheit die al die werelt mint. 
Wel tyt so du best ongesont 
Waenstu vallen in den gront 
Ende best in vresen oft een knijf 

30 Altoes stake om dyn lyf. 

0 wi wat dogeden leeghter ane 
Niemen altoes te bestane 
Ende tetene seker broot 
Liggende up die erde al bloot. 

35 In denen coten in denen Steden 
Weet men lettel van quaetheden. 
Het s grote vreese groot here syn 
Uten goude drinc men vinijn. 
Alte lief heefti syn lijf 

40 Die so sot es ende so keytyf 



*) Das o ist deutlich. Vielleicht für e? 

2 ) Unklar; 2 Buchstaben unleserlich, dann etwa miden oder mider. 

3 ) 7 Buchstaben unklar, doch lauten der 4. und 5. sicher: an. 

4 ) „so vele" ist nicht ganz sicher. 
ö ) 2 Buchstaben undeutlich. 

e ) Jonchede mit J, das Wort ist indessen nicht sicher. 

7 ) Oben V. 7 hoverde. 

8 ) Der Reimvers fehlt. 
•) Lies vergouden. 



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43 



Dat hi so sere ontsiet dat steinen 
Ende hi die werelt siet verderuen. 
Sonder pine nemmermere 
Ne gewint men prijs no eere. 
45 Alse du enen onsaligen sies 

Dat hi mensce es bedinke di dies. 
Lantshere die wille syn gemint 
Ne wes tezwaer niet een twint 
Doe dat di niemare si ommare. 



50 Seiden hout soe hare ant wäre 
Seiden vint die waerhede 
In heren camere hare stede 
Ende sullense nu hebben de liede 
Si moetense copen metter miede 1 ). 

55 Wat soter mesdadeger keytive 
Es die minne van desen live: 
Die ghenaden heuet noot 
Si genadich dats recht groot. 



III. 

Van leringen. 

Wie sal men mi mögen togen 

Die nu sal conen gedogen 

Dat hi nu goet geve rike 

Dat den tide iet gelike. 20 
5 Ende di en dach prise na sitfe werde 

Ende dat merct dat wi hier up d e r d e 2 ) 

Alle daghe sterven ghedogen. 

In ene dins syn wi alle bedrogen 

Dat wi alle die doot sien 25 
10 Want vele tide dus ontsyen. 

Die tide die wi hebben seden 

Die es metter doot bescreden 

Ende die en keert nemmermere 

Ghelyc dat die doot niet ne kere. 30 
15 So men dat leuen langer rect 3 ) 

So dat ment in eer frouden trect 



1 IUI. 

Die tyt es onse ende anders niet 
Nu es niemene diere hij siet. 
In dese ongestade erdsce wet 
Hevet ons die nature geset. 
Hens niemen aerm sonder allene 
Diet sine dinct wesen clene, 
Laet di genougen in dit gevouch 
Die tsine genouget ets hem genouch. 
Wat diet dat den mensce houde 
Scrinen gevullet met goude 
Ofti hem daer met niet bedreget 
Ende hi vort wasdom jaget. 
Wat es rycheit die mate geuet 
Eist dat een sine nootdorfte heuet 
Dat hi hem daer na genouge 
Dat hi metten sinen gevouge 



IV. 



Ende menegen dinct dat wel vougen 
Dat men hem prijs ane leghet 
Ende het waer es alse men wel seghet. 
So eist genougelic in dem moet 

5 Alse menscheet goet ende vroet. 
Ende alse hem coemt die waen in desen 
Dat si wordich willen wesen* 
Sone connen si tier stonde 
In hem gevinden smette no soude 

10 En bliuen verloren ende ontset 
Omme die houerde die hem let. 
Alle lieden pinen also 
Omme te sine dicke vro. 
Maer, cume es iemen die kiut 

15 Wadr men gestade bliscap vint. 
Die wise die en es nemmermere 
Int herte sonder bliscap ende ere 
AI eist dat mens niet verstaet 
buten dit an syn gelaet. 



20 dat doet dat hi syn herte bint 
Hine es niet geseet alst kint. 
Sulke bliscap sulke vroude 
Coemt niet van selvre no van goude 
Sonder dat hi hem seluen weet 

25 Talre tyt int herte ghereet. 
Dese bliscap dese vroude 
Gebreect no en ent in doude 
Ende daventure machse niet breken 
Want soene cant niet van her gesteken. 

30 beesten vele laten hem genoughen 
Up smale weede ende hem gevougen 
Ende water ende lucht 4 ). 
Nochtan mache ene dene sake 
Den büke genougen tsinen gemake 

35 Ne war die 6 ) gulse gierichede 
Ne weet ende no mate mede. 
Doe ic jonc was pyndic ende dochte 
Hoe dat ic wel leuen mochte 



Es folgen die Anfangsbuchstaben der weggeschnittenen Spalte: K (?) H E 
DWDMDNDAGDMMDGDVNESHAEA (corr. aus E) J D 
D W 0 T D. Die letzten 5 sind mit weggeschnitten. 

*) ie corr. aus oe. 
2 ) Lies der erde. 

8 ) Mss.: So da men, „da" durch Punkte getilgt. 
*) Der Reimvers fehlt. 

5 ) war die: ein Wurmloch macht die Lesung des d unsicher. 



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44 



Dats altoes die meeste bäte 

Daer en leget di niet an 

Datti prisen wyf ende man. 

Ganc te di selven in dinen zin 
5 Merc wat dogeden vintsture In 

Ende di selven jugiere dan 

Alse du sout eenen anderen man. 

Ende altoes hout in dinen gheest 

Dine fauten alre meest. 
10 Die dicken trect van Steden te Steden 

Dinct syn des sinnes ongestedicheden. 

Leere dan eerst naer desen 

Dinen lachame gestade wesen 

Dattu te bet moet ende sin 
15 Moges gebinden naer dyn gewin. 

Neghene sonden sone syn 

Sine hebben soete venyn. 

Vrecheit beheet di groot gelt 

Te geuene in diere geweit. 



20 Luxurie belouet die keytive 

Genouchte van dinen liue 

Begherte van der worelt ere 

Beheet di te makene here. 

Dusende met dus gedaeure miede 
25 Veninen si di simple liede 

Sodatse cume enich man 

Verdriuen oft verwinnen can. 

Wildstu dan van derre saken 

Dine zinne quite maken 
30 Wandele in dese werelt al 

Alse diese rumen sal. 

Seiden penst om sine doot 

(D) ie sonder af staen minne groot. 
(L?)eget andit ertsce goot 

35 (E)nde coemet oec in desen n^et 1 ) 
(G?)i stelzet alte hant daer of 

(E) nde blaset henen alse stoof. 



ROSTOCK. K. E. H. Krause. 



Zitelose. 



Die Zitelose hat allmählich eine kleine Litteratur erhalten; 
denn abgesehen von den Wörterbüchern besprach sie Sprenger im 
Kbrr.-Bl. V. niederd. Sprachf. 2, 65, darauf eingehend Mielck im 
Ndd. Jahrb. IV., 1878, S. 65 ff.; erwähnt wurde sie in P. Piper's 
altdeutschen Pflanzennamen 1881, Germania 14 (26), 4. S. 402; be- 
sprochen von Jellinghaus, Korr.-Bl. 5, 63; Woeste: ZDPhil. VI, 93; 
Schierenberg, Sprengell und dem Unterzeichneten: Korr.-Bl. VI. 
22 f. und 95 f. (nach dem nlat. „cytalosa" [czitelose] bei K. Bartsch: 
Jahrb. VI S. 108 V. 277); endlich von Ign. Zingerle, Die Zitelose. 
Innsbruck. 1884. 21 S. 8°. 

Aus allen angezogenen Erörterungen ist klar 1) dass alle als 
niederdeutsch angegebenen Umformungen des Namens niederdeutsch 
nicht sind, ebensowenig holländisch oder dänisch; 2) dass der Name 
ins Niederdeutsche aus dem Oberdeutschen gelangte, und zwar auf 
zwei Wegen: a) aus dem symbolischen Blumen-Kreise der Jungfrau 
Maria, b) aus den Arzneibüchern. Das wäre freilich durchaus un- 
erklärlich, wenn nicht beide, trotz aller anscheinenden Verschieden- 
heiten, zuletzt von einem und demselben Ursprünge ausgegangen sein 
sollten. 



*) o durch einen Wurm durchfressen. 



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45 



Festzuhalten ist aber immer, wie meinerseits schon öfter erinnert 
ist, dass Namen von Pflanzen und Tieren der Übertragung auf andere 
Arten in oft ungeahnter Weise unterliegen, meistens dadurch, dass 
gelehrt eingeführte Namen besonders von Heilkräutern einheimischen 
oder bekannteren beigelegt wurden, denen man dieselbe Wirkung 
zuschrieb. Bekannte Beispiele aus dem Tierreich sind der Elephanten- 
Name des Kameeis, und der Wieselname (catus, catella) der „Katze". 1 ) 
Ebenfalls zu erinnern ist an die grosse Rolle, welche Assimilation und 
Angleichung spielen 2 ). 

Um mit den Arzneibüchern zu beginnen, so haben sie durch 
Gleichstellung der Zitelose mit einer zweiten, ebenso zweifelhaften 
Drogue, den „hermodactyli" 3 ), dem Nachspüren nach der Urbedeutung 
nicht genützt. Die letzteren werden als Zwiebeln oder zwiebelähnliche 
Wurzelstöcke angegeben (Mielck), welche als Abführungsmittel im- 
portiert oder gebaut werden, denn die wilden, „die von selber wachsen, 
taugen nicht in die Arznei und sind giftig a (Sprengeil). Das lehrt, 
dass der Name schon auf ein heimisches Gewächs übertragen war, 
wenn auch hier von „willen squille" gesprochen und der Ausdruck 
cyteloze vermieden wird. Jedenfalls haben die Apotheker niemals 
die Bellis perennis L. (Sprenger), noch die Schlüsselblume, Primula 
veris oder auch oflicinalis (Zingerle) darunter verstehen können. Aus 
ihren deutschen Synonymen geht hervor, dass sie für Hermodattelen 
die Scilla maritima, aber auch den Wurzelstock des Allium Victoriaiis 
L. (Heilhaupt, Allermannsharnisch) 3 ) nahmen. Wenn „Droestock" = 
dröge Stock, einen trocknen Wurzelstock bedeuten soll, so kann das 
officinell gebrauchte Colchicum variegatum L. darunter verstanden sein. 
Unter den heutigen Droguen aus dem Oriente hält man meist Iris 
tuberosa L. dafür 4 ). Die Ärzte und Apotheker kannten also die 



*) Auch der amerikanische Truthahn erhielt den mhd. Namen pute, denn 
schon 1491/93 kommt der letztere im Hühnerhofe des Abtes von Chemnitz neben 
Hühnern und Gänsen vor. Fedor Bech in Germania 27 (15) S. 177. Yermuthlich 
ist das Perlhuhn gemeint, Meleagris numidica, von dem der Kölner Pilger (s. u.) 
S. 80 sagt: die honre van India haint lyf as kranen, sy sint neet so ho ind haint 
rode heuft, vedern as eyn sperwer, wan sy sich muyst. 

2 ) Ein ganz neues Beispiel hörte ich von einer Büdnersfrau eine Stunde von 
hier. Sie hatte die moderne, von den Gärtnern Diclytra genannte Dielytra im 
Garten und antwortete auf meine Frage nach dem Namen: Ach, wi nömen de 
„Dickklüten" (testicula grandia!). 1798 meldet Theoph. Niemann den aus der 
Trüffel verdrehten Kartoffelnamen aus Mecklenburg als Pantoffeln. 

3 ) Alle que delock ist ein Wort. Der Name heisst schwerlich „Lauch 
für alles Übel" (quad), hat sich der Bedeutung aber angelehnt. „Heilhaubit" ist 
alter Name für Allium Victoriaiis, ebenso „huntlouh"; bei Graff 3, 895. 870. 872 
sind aber beide den „ermodactili" und diese den „Zitlosa" gleichgesetzt. Ermö- 
dactilia, citlosa: Germania 14 (26), 402. Iris vel Iris illiria vel ireos: swertella ib. 
408, 11. Vielleicht soll „Eresirica" (Iris syrica): swertella ib. 408, 6 (als Iris tu- 
berosa) dazu gehören. Vergl. Germ. 21 (33), 304 281 ermodactilis, hailhopfe und 
305 349 Hermodactilus, Zitlose. (Tirol. 15. Jahrh.) 

4 ) Martius, Pharmakognosie des Pflanzenreichs. Erlangen 1832, 42 giebt 
unter Radix Hermodactyli an, dass die Drogue Hermodactyli, Hermodacteln, Hermo- 
dattel, arab. Khamyreh, aus Ägypten und Kleinasien stamme, und der weisse Wurzel- 



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46 



Stammpflanze ihrer Hermodatteln oder Cytelosen nicht; Heyd, Ge- 
schichte des Levantehandels im MA. nennt keine von beiden. Hier 
ist Aufschluss über Herkunft des Namens nicht zu finden, aber es ist 
offenbar, dass Hermodatteln und Cytelosen fremde Namen für fremde 
Droguen, „Krude", sind. Mielck hat darauf schon folgerichtig ge- 
schlossen. Völlig sicher ist danach, dass Colchicum auctumnale L., 
die s. g. Herbstzeitlose, die Pflanze nicht sein kann. Vielleicht aber 
verstand das von Sprengell angezogene Arzneibuch von 1483 schon 
diese Giftpflanze unter seinen wild wachsenden Squillen („de alleyne 
wasset"). 

Aus dem romanischen Süden kam selbstverständlich auch der 
Name wie das Symbol der Blume in der Marienverehrung, ähnlich 
wie Name und Symbol der Rose, Lilie, Lilium convallium 1 ); die 
Hölzer palma, cedrus, oliva; die als Blume gedeutete platanus, die 
Nelke; ferner eine Reihe Gewürzpflanzen 2 ). Den spätlateinischen oder 
romanischen Namen „cytalosa" brachte die Anm. zu V. 277 des Rosen- 
kranzes der Marie 3 ), die Herkunft aus dem Italienischen bezeugt 
auch der gezischte Anlaut des V. 277, den der Niederdeutsche durch 
cz wiedergab, und ebenso das häufige c, welches sich in das deutsche 
„zit" schwerlich jemals verloren hätte. Ich habe deshalb auf citella 
(zitella) osa, „stolzes Mägdlein" geschlossen 4 ). 

Da die Apotheker und Arzte die Wurzelstöcke der vom Süden 
kommenden, Cyteloze genannten Drogue kannten, so lässt sich nicht 
annehmen, dass an den Orten ausserhalb der deutschen Zunge, wo 
die Blume Cyteloze wirklich wuchs, diese nicht einen gleich oder 
ähnlich gestaltenen Wurzelstock gehabt haben sollte. Sie muss ein 

stock der Iris tuberosa L., des knolligen Schwertel, sei. Doch werde von anderen 
als Stammpflanze Colchicum illyricum, Colchicum variegatum oder tessulatum an- 
genommen, was nach dem Aussehen des Wurzelstocks auch möglich sei. W. L. 
Petermann, Das Pflanzenreich, S. 159 f. leitet Radix Hermodactyli von Iris tu- 
berosa L. her und bildet sie ab: Taf. A. 40 Fig. 244. S. 168 nennt er aber auch 
Colchicum variegatum L. als Stammpflanze dieser radix. 

*) Sie stehen z. B. alle, mit Ausnahme der Gewürze, mit Namen, nur die 
Nelke ohne Namen, auf dem gestickten Kelchtuch von Schöningen, Kr. Randow, 
aus dem 15. Jahrh. Balt. Stud. 1885. 35 S. 360—73. Keine der Blumen, mit 
Ausnahme der Nelke, die ich neben der Rose eben so deutlich in Breviarien fand, 
ist erkennbar; die Stickerinnen kannten sie nicht, nicht einmal Lilium convallium, 
das doch jetzt als volkstümlicher Name „Lilienkonfalgen" für das „Maiglöckchen" 
in Pommern, Mecklenburg und Holstein gilt und der Pflanze den Linne^schen Namen 
Convallaria majalis verschaffte. In der Stickerei sind dafür Blumen eingesetzt, 
ähnlich wie Engel Gabriel sie als Lilienstengel bei der Verkündigung oder Joseph 
in der Raphaelischen Hochzeit Mariae führt. 

2 ) So in „Marien Rosenkranz" Jahrb. VI, 100—113. Vergl. VII, 13 und die 
dort angezogenen altern Ausgaben des Anseimus (Schade, Geistl. Ged. v. Nieder- 
rhein; A. Lübben, Anhang zum Zeno), Walther, St. Anselmi Frage 1890 V. 10. 

3 ) Jahrb. VI, S. 108. Korr.-Bl. VI, 95. 

4 ) Veneroni-Castelli, Dittion. Imper. (1743). 201. 876. 545. Wenn daher K. 
Hamann, Mitt. a. d. Breviloquus Benthemianus (15. Jahrh.) Hamb. Progr. der Real- 
schule 1879 Nr. 613 S. 20. zu „Citella est sella asini, vel macula in libro, vel 
parva puella" zusetzt: „zu lesen ist clitella" etc., so ist das jedenfalls für die 
letzte Bedeutung irrig. 



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47 



Zwiebel- oder Knollen-Gewächs gewesen sein; ferner lässt sich ver- 
muten, dass sie, schon der Marienverehrung wegen, in Klostergärten 
allmählich nach Norden verbreitet wurde, wie von so vielen andern, 
selbst heute völlig eingebürgerten und ausgewilderten Pflanzen (z. B. 
dem Kalmus) bekannt ist. 

Diese einer Zwiebel entspriessende Blume war gelb. Das war 
so weit bekannt, dass sie von Konrad von Würzburg für eine der 6 
heraldischen Farben benutzt werden konnte: 

man siht durch grünes gras üf gän 

gelwe zitelosen; 

bi den roten rösen 

glenzent viol blä; 

durch die swarzen dorne lachet 

wiziu bluot vil mancvalt: 

die sechs varwe treit der walt 1 ). 

Meine frühere Meinung, dass vielleicht Iris persica L. dahinter 
stecken möge, war also irrig; denn diese ist blau. Inzwischen haben 
wir von dem bald nach 1350 schreibenden niederdeutschen Kölner 
Pilger 2 ) ein um so dankbarer aufzunehmendes Zeugnis für die Pflanze, 
als er im Orient vergleichen konnte und genau und unzweifelhaft sein 
Urteil abgiebt. Er sagt (S. 85): „Safferain den plantzent die lüde in 
Arragonien 3 ) as man ie dat ullouch, ind weist auch nirgent me, ind is 
weyst gantze velt voll, ind eyn houft mit eynre blomen, geschaft so grois 
as eyne zydelose*), ind sy is tvys ind bla, ind ey eyn bloim hait dry 
lange vesen in deme hertzen, ind dat is safferayn, wan dat syne zeyt 
is, ind dan brengent die lüde blomen ind nement dar uys safferain 5 )". 

Der Safran, crocus sativus L., der über Meer gepflanzt wird, 
dass ganze Felder voll stehen, wie um Köln das Ullauch, die Garten- 

*) S. auch bei G. A. Seyler, Geschichte der Heraldik. Heft 3. S. 125. (in 
Siebmacher's Grossem und Allg. Wappenbuch). Vielleicht ist deshalb auch „flos 
campi" auf dem Kelchtuch von Schöningen (s. S. 46 Anm. 1) gelb gestickt. 

2 ) Herausgg. von Röhricht und Meisner 1886. ZDPhil. 19, 1 S. 1—86. 
Yergl. S. 16 as man hie in der sterveden die joeden sloich. Ähnlich S. 22. Der 
schwarze Tod brach in Köln am 18. December 1349 aus. 

8 ) Da der Pilger nur von „ubermer" redet, so ist „Arragonien" verderbt. 
Jedenfalls hat er den Safran selber bauen sehen. Da er von seiner Anwesenheit 
in Armenien und Masenderan (Tabris) selbst erzählt, so mag er auch weiter nach 
Iran hineingekommen sein; vermutlich ist daher Arachosia zu lesen. Nach De 
Candolle (Urspr. der Kulturpflanzen. Übers. V. Goeze. Leipz. 1884) wird in Persien, 
Kleinasien und Kaschmir wesentlich Safran gebaut, aber weder in Ägypten noch in 
Arabien. Wäre an Arachosia nicht zu denken, so steckt ein ähnlich klingender 
Landschaftsname aus Klein-Armenien oder Kappadocien darin. 

4 ) R. und M. erklären natürlich „zeitlose (Colchicum autumnale)". 

5 ) Die Blüte von Crocus sativus und die Gewinnung der Würze erklären 
R. und M. falsch; sie deuten die „dry lange vesen in deme hertzen 44 als „Fasern 
(Staubfäden) 44 „mitten innen 44 . Diese Fesen (stigmata croci) sind nicht die Staub- 
beutel, sondern die 3 hochgelben Narben, die richtig „im Herzen der Blume' 4 auf 
dem Fruchtknoten stehen. Der Pilger hat sehr genau zugesehen. Nach Petermann 
1. c. S. 160 geben die Narben von 203920 Blüten erst V 2 k g Safran. Die gelbe 
Farbe unseres crocus vernus hat aber noch 1795 verleitet, in ihm den Safran und 
in den getrockneten Blüten den Farbstoff zu sehen. Neue Monatsschr. von und 
für Meckl. 4°. 1795. St. 2 S. 93. 



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48 



zwiebel, Zipolle (Allium cepa L.), blüht blau und weiss; es ist das 
vermutlich als Gegensatz gegen die gelbe Zydelose, vielleicht auch 
gegen die allbekannte Farbe des im MA. überall gebrauchten Safran- 
Gewürzes hervorgehoben, welches nach ihr (nicht nach der Blüte) 
seinen arabischen Namen Sahafaran und spanisch (— arabisch) Azafran, 
von Assfar ~ gelb, erhielt. Umgekehrt bildeten die Griechen aus 
ihrem Namen der Pflanze, von der verwandte, schlechtere Arten in 
Griechenland und Italien wachsen, xpoao;, das Adj. xpoaoei; = gelb, 
das die Römer (croceus) und das Mittelalter (croceus = gilvus in 
KonracTs v. Mure, Clipearius) übernahmen. 

Die „Zydelose" des 14. Jahrh. als Blume ist demnach unsere 
bekannte Frühlingsblume, der gelbe Krokus, Crocus luteus Link., 
der aus dem Südosten allmählich nach dem deutschen Nordwesten 
und dann Nordosten heraufkam. Schon Lexer erklärte im Mnd. 
Taschen-Wb. 1881 den Crocus, allerdings neben Narcissus, für die 
Zitelose; später hat er sich durch Zingerle beirren lassen und die 
Primula veris eingesetzt. 

Der Crocus hat einen zwiebelartigen Wurzelstock; dass er selbst 
je officinell gewesen, ist vielleicht zu bezweifeln; aber der ganz ähnliche 
und verwandte von Gladiolus paluster L. hat sich in die oben" ge- 
nannte Hermodatteln - Sippe doch eingedrängt als Radix victoriaüs 
rotundi. 

Dass man den bekannt klingenden und mhd. an zit und los ge- 
mahnenden Namen bald umdeutete und nun als „zeitlos" fasste, dann 
für die neue Deutung unter den bekannten Pflanzen einen Begriff 
suchte, ist allzu natürlich, um auffallen zu können. Hatte man aber 
erst die Erklärung „Unzeitig" herausgetiftelt, so war es ebenso na- 
türlich, die auffallenderen, vor allen andern blühenden Gewächse mit 
dem Namen zu benennen, zunächst gelbe und Zwiebelgewächse, dann 
auch beliebige andere. Das Mittelniederdeutsche, das fast alle seine 
Blumennamen aus dem Mhd., seltener unmittelbar aus dem Latein 
bezog, suchte sich diese dann sprachlich zurecht zu legen. Daher die 
vielfach verdrehten Bildungen. Es sind einschliesslich des Colchicum 
auctumnale, das unten noch zu besprechen ist, bei Pritzel und 
Jessen 1 ) 10 Pflanzen, welche auf die eine oder andere — oft recht 
verdrehte — Weise ihre Namen von der Zitelose herleiten; die bei 
Weitem meisten Ortsnachweise gehören der Schweiz an; die auch in 
niedersächsischer Gegend vorkommenden werde ich mit nd. bezeichnen. 
Es sind: Anemone nemorosa L., Bellis perennis 2 ), Crocus vernus L. 



*) Die deutschen Volksnamen der Pflanzen. Hannover. Cohen. 1882. 1884. 

2 ) Nur die gefüllte rote Zuchtvarietät heisst im Göttingischen Marien- (oder 
vielmehr Marjen-) blaume; die wilde nur Gösebtaume. Übrigens ist mhd. zitlose, 
hermodactylus, marrubium, citomus, Bellis silvestris als gleich angegeben. Das 
kann nicht B. perennis sein, die nicht im Walde wächst. Vermutlich sind es die 
jetzt Piatanthera bifolia Rchb. und PL montana Rchb. fil. genannten Orchideen, 
bei Theophit. Niemann, Prodromus Idiotici Meckl. (1798, 28 S. 8°) : Orandt = Orchis 
bifolia L ; Orant, Dorant, Durant. Tourant ist auch ein bös wandernder Pflanzenname. 



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49 



(blau), Galanthus nivalis (St. Gallen: „echte Zeitlose"!), Globularia 
vulgaris L. (blau), Leucoium vernum L. nd. *), Narcissus Pseudonaraissus 
L. nd., über den, mit Narcissus poeticus L., noch weiter zu reden 
sein wird, Tussilago Parfaro L., Primula veris L., letztere beide nur 
in der Schweiz und mit grossen Verdrehungen (Zitterröslin — Zetter- 
lose, Zitterlose, Zitterrösli) ; jetzt auch Tierlösken = Nymphaea alba L. 
(S. Mielck im Korr.-Bl. 14, 1 S. 11.) Wie kam aber die fremde 
Narcisse zu ihrem anscheinend deutschen Namen? Das ostfriesische 
witte, gäle sissen oder ssissen (ten Doornkaat Koolman 3, S. 188; 
Pritzel und Jessen sagen: Schisse, Sisse und Zisse) ist einfach das vorn 
verschnittene lateinische Wort; dasselbe gilt vom Meckl. Atzisch bei 
Theoph. Niemann. Dieses Wort ist zugleich der Zuruf an Kinder beim 
Anriechen an eine Blume. Ganz ähnlich durch Verdrehung istMarizisli 
im Berner Lande neben dem fortgebildeten Marzisenrösli entstanden, 
vielleicht hat diese Bildung dann zu den St. Galler auf „März" zurück- 
führenden Namen Anlass gegeben. Auf niederdeutschem Gebiete wurden 
die „Sissen" zu Zitzen: gäle Zitzen Schlesw.-Holstein; gel Zitzen, witt 
Zitzen 1798 in Rostock und Ribnitz, jetzt nur noch auf dem Lande. In 
Holstein schliesst sich daran unmittelbar Zittel röschen, welches gerades- 
weges in das Zeitlosen-Gebiet hinüberführt: Tirlisken, Tierlode, Tier- 
lose, Tieloo, Tieloot und endlich Tietlose selber, alle im Weser- 
gebiete. Hieran schliessen sich die Göttinger Namen mit ihrer An- 
lehnung an Tit, Titte. Nur das älteste Vorkommen in Nathan. Chytraei 
nomenclator (437 der Lemgower Ausg.) passt nicht ganz in die Reihe: 
„Narcissus, Narcissenröselin, Hörningsblomen, Tydtlosen"; aber mit 
seinen „Hörningsblomen" verrät der geborne Pfälzer sich selber, es 
sind die „Hornungsblumen" aus des Tabernaemontanus Kraeuterbuch, 
und die „Tydtlose" aus des Dasypodius Dict. Latino-Germ., einer der 
Strassburger Ausgaben von 1535 — 37. Sogar den Narcissus coeruleus, 
wahrscheinlich die blaue Globularia, will er als „blauwe hörnings- 
blaume" nach Rostock versetzen. 

Sehen wir uns nun zum Schlüsse die deutschen Namen des 
Colchicum auctumnale L., das heute fast allein noch in den 
Büchern die Bezeichnung der Zitelose erhalten hat, bei Pritzel und 



*) Die bei Schambach, Gotting. - Grubenhagen. Idiot. S. 230 angegebenen 
Namen kommen allerdings vor, es wurde aber meist „Austerklöckschen" gesagt; ich 
hörte in den 20er und 30er Jahren die erste Silbe auch nie lang: tid, sondern 
kurz: titt, genau wie titt m., mamma, womit wir Jungen es auch ohne Weiteres 
zusammenbrachten, während das dim. loaeseken (loaeseken sitten) für „sehr lose", 
auch „lotterig" gebraucht wurde. Mit -löte weiss ich in dieser Verbindung nichts 
anzufangen. Für die gelbe Narcisse habe ich auch nur „Austerblaume" gehört. 
Dass Leucoium vernum, welches dort überall in den Bergen wild wächst, auch volks- 
mässig einen Fremdnamen annehmen konnte, entspricht nur dem nördlicheren 
Lilienkonfatjen für das auch wild wachsende Maiglöckchen. Nebenbei gesagt hat 
Schambach S. 231 die Bezeichnung „titte" f. als „nur von Tieren" gebraucht ange- 
geben, während die Ra. „bi de titten krigen", ja selbst Reime, die als obscön hier 
nicht genannt werden sollen, das Gegenteil bezeugen. Das masc. titt, pl. titte, hat 
Schambach überhaupt nicht, es ist aber die üblichste Bezeichnung (titt geven, 
t. hebben, t. suckeln). „Tis" wurde nur von hochdeutsch Angehauchten gebraucht. 

Niederdeutsches Jahrbuch. XV. 4 



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50 



Jessen an, so fallen die meisten als alt oder aus ältern Quellen an- 
gegebenen, jener Verwechselung anheim, vor welcher oben SprengelTs 
Citat warnte: sie gehören der alten Drogue Zitelose und dem Alliuni 
Victoriaiis. „Herbstzeitlose" ist danach überhaupt kein im Volke 
steckender Name, nur aus St. Gallen wird ein „ Herbstziglose u und 
anscheinend ebendaher ein „Herczelose", aus Bern ein einfaches „Zit- 
lose" gemeldet. Der Name ist ein dem Frühlings-Crocus gegenüber 
gefertigter Schulbotanikname, den nun die Lehrbücher und der Unter- 
richt verkehrt in's Volk tragen. Demselben Gegensatze dienten schon 
früh die Bezeichnungen: Waldzeitlose in Bocks Kräuterbuch von 1530 
(wenn das überall Colchicum sein soll, das nicht im Walde wächst), 
Wiesensafran bei Cordus, wilder Safran bei Nemnich, endlich Wiesen- 
zeitlose im Elsass, hinübergetragen durch den Pfälzer Chytraeus 
in seinem Nomenciator: „Hermodactylus, Wischen-Tydelose, Hervest- 
blomen" (letzteres aus Cordus). Als mittelniederdeutsche Namen 
stehen bei Pritzel etc.: ermodatten, kobenkrüt, kelberkrüt und kawe- 
nerawt. Das letzte weiss ich nicht zu deuten, selbst wenn „awt* = 
öbiz ist, kobenkrüt und kelberkrüt fehlen im Mndd. Wb., doch ist 
ersteres voraussichtlich eine Verlesung für kobebenkrüt, das bekannte 
Kubeben-Gewürz, und gehört dann nicht hierher; sollte letzteres = 
kelbervot oder kalvesvot sein, so wäre es einer der vielen Namen für 
das durch die Klöster weitverbreitete Arum maculatum. Ermodatten 
erklärt Mndd. Wb. I, 724 freilich mit Colchicum auctumnale, die an- 
gezogene Stelle des Goth. Arznb. „affrodillenpulver edder ermodatten* 
weist aber auf die fremde Zwiebel; auch die Asphodelos wird von der 
südlichen Zitelose nicht geschieden sein. Dann besässen wir überhaupt 
keinen mndd. Namen für unser Colchicum. 

Was die neueren ndd. Benennungen betrifft, so ist der angebliche 
Bremer Name „nackende Jungfern" nicht niederdeutsch; die Pflanze 
wächst dort gar nicht; der Name ist aus Büchern übernommen, er 
soll in Thüringen vorkommen; ob er es wirklich thue, bleibt fraglich. 
Auch die „nackte Hure" gehört Niederdeutschland nicht an. Über 
das Vorkommen der Pflanze in Westfalen und deren dann mutmass- 
liche Bezeichnung weiss ich nichts. Im Göttingen-Grubenhagenschen. 
wo jene in den schwergründigen, lehmichten Leinewiesen zahlreich als 
grosse Plage wächst, heisst sie nur „Haneklöaten" (die im Herbst 
erscheinende und rasch schwindende Blume, auch Hahneklöatenblaurae 1 ) l 
und „Klappern", fast nur als pl. tant. Letzteres sind zunächst die bei 
der Keife der Samen klappernden Fruchttaschen, aber auch das grüne 
Kraut und selbst die Blumen. „Klappern trecken", das Ausziehen der 
Pflanzen vor der Samenreife, damit sie nicht in's Heu geraten, ist 
eine sehr unbeliebte Arbeit. 



l ) Schambacli S. 73. „Klappern" fehlt bei ihm, auch in Sprengers Nach- 
trägen Jahrb. VIII. 

ROSTOCK. K. E. H. Krause. 



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51 



Diele, dele, däle. 

Die Veranlassung zu nachstehender Untersuchung gab Kirch- 
koffs Bemerkung über das sächsische Bauernhaus (s. Kirchhoffs Schul- 
geographie 6. Aufl. S. 217, Anm. 3): „Uraltes Bauernhaus, noch jetzt 
manchmal aus blossem Fachwerk gebaut, mit hohem Strohdach (unter 
dem das Getreide lagert); die Stallungen r. und 1. neben der Diele 
(eigentlich 'Deele' d. h. der Flur, in welche man durch die Thorfahrt 
eintritt), dahinter der offene Herd und die Wohnräume der Familie. u 

Diele lautet ahd. dil, dili, dilo, tille; mhd. dil, dile, dille. In 
Schwaben dül n., in Baiern dillen f., in der Schweiz diel, dül, tili und 
diele, dilti. Gr. Wtb. II, 1099. 

Die Bedeutung im Ahd. und Mhd. ist 'planca'. Für das Nhd. 
führt Gr. Wtb. folgende Bedeutungen auf: 

1. Brett, Bohle, assis. 

2. Der bretterne Fussboden eines Zimmers, der Estrich. 

3. Die Zimmerdecke, im südlichen Deutschland gleichbedeutend mit Bühne. 

4. Schlafkammer über der Wohnstube; auch der obere Boden des Hauses. 

5. Brett zu besonderem Gebrauch eingerichtet. Bücherbrett (Lessing). 

6. Wand, Bretterwand. 

7. Die Hausflur, der Vorhof (Hülty, Tieck). 

8. Der festgestampfte Lehmboden einer Scheune, die Scheundiele, Scheun- 

tenne (Brockes; Moser: die Deele Dreschplatz im Hause). 

9. In der Lausitz heisst Diele im Ackerbau der feste Erdboden unter der 

Dammerde (Adelung). 

Grimm meint: „Es hat den Anschein, als ob verwandte, aber 
ursprünglich doch geschiedene Formen unter einander gemischt seien. 
Merkenswerth ist es, dass im Ags. und Altnord, thil n. und thilia f. 
auseinander gehalten und im Niederd. dele = 'Brett' und dale 'Fuss- 
boden' unterschieden werden. Wir müssen wol ein verlorenes starkes 
Verbum dille, dal, dullen mit der Bedeutung 'befestigen, durch Grund- 
lage sichern' annehmen. u 

Im Niederd. stelle ich zunächst die Benennungen für Diele 'Brett, 
Bohle' zusammen. 

Auf dem Harze, um Blankenburg, um Helmstedt dele mit 

langem e, gesprochen wie franz. e in allee. 
Um Göttingen dele; Schambach giebt dele an. 
Im Solling dldle. 

Im Westfälischen didle. Woeste, westf. Wtb. 52a. 
Im Hamburgischen dehle (per } r ). Richey, Idioticon Ham- 
burgense 379. 
Im Ditmarschen dql (spr. dal). Quickborn p. 285. 
Im Niederländischen deel. 

Im Ostfriesischen dälen, PI. J. ten Doornkaat Koolman, Ostfr. 
Wtb. I S. 275. 

4* 



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Die nd. Benennungen für Hausflur, Dreschtenne lauten: 
Auf dem nd. Harze d≤ ä wie franz. e in mere. 
In und um Fallersleben dqle; 9 = ä. Die deutschen Mundarten 

V S. 53. 
In und um Schöppenstedt dUe. 

Nördlich von Goslar im Ort Haringen, also im engrisclien 
Gebiete, dUe. 

In den Fürstentümern Göttingen-Grubenhagen dele; e = S. 
Schambach, Idioticon S. 42a. 

Im Altmärkischen däZ, sch&nd&l. Danneil, Wtb. der alt- 
märkischen Mundart S. 31. 

Im Westfälischen dqle; 9 = ä. Woeste, westf. Wtb. S. 43b. 

Im Ostfriesischen dösMKl = Dreschtenne, da/ = Hausflur. 
J. ten Doornkaat Koolman, ostfr. Wtb. I S. 275. 

Im Hamburgischen dehle — offener Raum vorn im Hause. 
Richey, S. 35. 

Im Lippischen doli = Hausflur, Tenne, meist von festge- 
stampftem Lehm; davon dellig % dällig = nicht locker, 
z. B. delliges Brot. Man verhochdeutscht in Rissen und 
Bauanschlägen hier zu Lande : de el oder dehl, Diele. Die 
deutsch. Mundarten VI S. 5G. 
Im Niederländischen dcel. 
Im Niederländischen, Ostfriesischen, Hamburgischen, d. h. im 
nördlichen und nordwestlichen Teile des nd. Sprachgebietes, scheint 
man die Bezeichnungen für Brett und Dreschtenne in der Aussprache 
nicht auseinander zu halten, wohl aber im südlichen Teile des Ost- 
fälischen und Engrischen. Hier wird der Name für Dreschtenne oder 
Hausflur mit einem tiefen a, der Name für Brett mit langem e oder 
ia gesprochen. Englisches ia entspricht seinein lautlichen Werte nach 
dem ostfälischen e, beide geben mhd. i wieder, d. h. didle und dele 
entsprechen genau mhd. dü, nhd. diele 'Brett' oder was aus Brettern 
gemacht ist. 

Von Bedeutung ist, dass sowohl im Engrischen neben dide ein 
dqle, als auch im Ostfälischen neben dele ein d&le besteht. Es geht 
nicht wohl an, diese Formen als bedeutungslose Varianten anzusehen. 
Im Ostfälischen, insbesondere um Blankenburg a. H., entspricht a, 
soweit ich den Dialekt durchforscht habe, niemals mhd. i, sondern 
immer durch Umlaut oder Brechung einem urspr. a-Laute. Demnach 
bin ich der Ansicht, dass dele und dkle zwei verschiedene Worte sind. 
In diesem Sinne äusserte sich schon Woeste, westf. Wtb. s. v. dele: 
„Wahrscheinlich ist 9 aus a gebrochen, wie in d$l, womit es zusam- 
menhangen wird: d^le, der niedrigste Teil des Bauernhauses, weshalb 
auch ihre Thür die niendor heisst. Dass dieses Wort nicht mit mhd. 
dil, nhd. diele eins sein kann, ist klar, da wir Diele, didle von Dehle, 
rfe^le unterscheiden." Für die Richtigkeit dieser Annahme spricht auch 
dale im Br. Wtb. Ist das sächsische Bauernhaus mit der charakteri- 
stischen Flur oder dale etwas specifisch sächsisches, so wird der Name 



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53 



dafür auch echt sächsisch sein und da fehlen, wo auch der Gegenstand 
fehlt. Deshalb wundere ich mich nicht, dass z. B. im Ostthüringischen, 
in Stiege auf dem Harze und in Kelbra in der goldenen Aue, für 
Dreschtenne und Hausflur der Name Diele nicht vorhanden ist; das 
erstere heisst Tenne, das letztere Flur. Und doch liegt Stiege nur 
eine halbe Stunde von dem niederd. Hasselfelde entfernt. Diele in 
der Bedeutung Dreschtenne, Hausflur wird besonders in Norddeutschland 
gebraucht (s. Th. Heinsius, Wtb. der deutschen Sprache I S. 760), 
hier ist nd. dehle, resp. däZc, und Diele fälschlicherweise für dasselbe 
Wort gehalten und daher dehle (dkle) durch Diele wiedergegeben. 
Brockes war Hamburger Ratsherr, Hölty stammte aus Mariensee im 
Hannoverschen, Moser aus Osnabrück. „Die Bedeutungen 'Hausflur, 
Dreschtenne' im heutigen Nhd. wurden aus dem Niederd. aufgenommen" 
(Weigand, Wtb. I S. 371), während Kluge, Etym. Wtb. p. 50: „mhd. 
bretterner Fussboden (ndd. noch 'Hausflur') u sich von der richtigen 
Ansicht wieder entfernt. Korrekt würde es sein, Diele nur in seiner 
eigentlichen Bedeutung zu gebrauchen, für 'Hausflur, Dreschtenne' aber 
entweder diese Worte oder allenfalls das nd. Wort, vielleicht in der 
Gestalt 'Dehle', anzuwenden. 

BLANKENBURG a. H. Ed. Damköhler. 



Plattdeutsehe Sprüehwörter und 
Redensarten aus Hinterpommern*). 

1. Jenn Gaud' seggt: Wenn ik äwends utem Kraug' nä Hus 
käm ä segg' 'Gunäwend', dat aewrig' seggt min Ollsen (W.). 

2. Fi ack; fi, dat is ack; nimm nich, dat is ack (Gz.). So 
sagt maw, um kleine Kinder vom Anfassen schmutziger Sachen abzuhalten. 

3. Dei Anblick was nich schlecht, saed' Adam ä kikd' (kek) 
Ewe ungre Rock (W.). 



*) Die hier mitgeteilten plattdeutschen Sprüehwörter und Redensarten aus 
Hinterpommern sind ein Nachtrag zu meiner ersten Sammlung „Plattdeutsches aus 
Hinterpommern", die als Beilage zum diesjährigen Osterprogramm des Gnesener 
Gymnasiums veröffentlicht wurde. Sie waren, da sie grösstenteils mehr oder minder 
anstössig sind, aus einer Programmarbeit auszuscheiden, aber wegen ihrer Wich- 
tigkeit für die Feststellung der hinterpommerschen Sprache durften sie nicht zurück- 
gehalten werden und erscheinen deshalb hier als „dritte Sammlung" meines Platt- 
deutschen aus Hinterpommern. Die in Klammern beigefügten Ortschaften sind fol- 
gende: Carzin (Cz.), Gr. Gänsen (G.), Culsow (Cl.), Zezenow (Z.) im Kreise Stolp; 
Belgard, Schönebr und Freist im Kreise Lauenburg (L.); Wusseken (W.) im 
Kreise Bütow. 



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54 



4. Ik war di wat angers daune (Cz.). Umschreibung für das 
grobe ik war di wat schite. 

5. Fein Arbeit daune d. i. huren (Vf.). 

6. Wer ne grote Noarsch het, mutt uk wide Bickse bebbe (W.). 

7. Wi mutte wat upgäne läte, äber nich de Noarsch (W.). 
upgäne 1) drauf gehen, 2) aufgehen. 

8. Lät di de Sinn inne Noarsch sehine, denn kriggst du wat 
Warms int Lif (W.). 

9. Dei kann ne Kung' im Moarsch tebraeke (W.). Er ist ein 
grober Kerl; auch dem kann ma u. s. w. 

10. Hei wart em noch enne Oarsch krupe (L.). Der Schmeichler. 

11. Ut, seggt Knuth, de Schiffel im Noarsch, de Stael steckt 
ut (W.). Neckreim auf den Bauer Knuth in Kl. Massowitz. Ein 
anderer Reim auf die dortigen Bauern lautet: Hauss was de Gaus, 
Heyer laed' Eier, Knuth satt se ut, Trabandt was de Gant, Hass 
plickd' Gras. 

12. Dem geht uk de Oarsch mit Gründls (Cz.). Er ist in sehr 
grosser Angst. 

13. Einem de Noarsch beseine (Cz.), um ihn durchzuprügeln; 
ebenso: de Puckel beseine. Anders de Blanke wise, als Zeichen höchster 
Verachtung, s. meine Volkssagen S. 74. 

14. Em jaekt de Noarsch d. h. er will Prügel (Cz.). Dagegen: 
Dem Maeke jaekt de N. n& de Bengels, sie läuft den Bengels nach. 
Eine Mutter sagte zu ihren Kindern, die bei grosser Kälte Schlitten 
fahren wollten: Juch jaekt woll de Noarsch? Nu will ji all wedder 
uppe Schlaede gäne ä verfreire. 

15. De Wind jeggt woll Sandbarg' top, äber kein dicke Oarsch- 
lecher (W.). Plötzig: Wind drifft woll Sandbäge top, äba keine dicke Buk. 

16. De Ogen sind noch wit vom Noarsch (W.). 

17. Hei het ne Buk as he drachtig Lewark (W.). 

18. Hei het sone Buk as a drachtig' Saeg' (L.). In Gl. von 
einem grossen Bauch: du hest uk ne sehen' ull Mig'. 

19. Du hest woll Knäken im Buk? (G.). Einer, der sich nicht 
bücken mag. 

20. De Bur is he Bur ä blifft he Bur; steckt ma em de Finger 
int Mul, denn bitt hei, steckt ma 'n em inne Noarsch, denn schitt 
hei. De Bur is he Bur ä blifft he Bur (W.). 

21. Schit de Wand entlang, denn denkt de Bur, dat is malt (W.). 

22. Wenn de Bur dichtig Klit' inpackt het, kann hei ne daege 
Furz pisse (W.). 

23. Wer de Bein gaut mit Hoar bewusse het, dem hebbe de 
Imme gaut Oart (W.). 

24. Dei Maekes bisse, krige de Biss' (W.). Sie laufen nach 
Herrengesellschaft. 

25. Dat is so blank as eie Judeei (Z.). 

26. Wat geht dem Buck dat Lamm an! (W.). 



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27. Ma wiss, jä woll het de Buck ne Bidel (Cz.). Zusatz zu 
einer bejahenden Antwort auf eine beliebige Frage. 

28. Hochtit im Plummegoare, de Brut dei het de Kranz ver- 
loare (Cz.). 

29. Dat bringt de rik Brut ä de versäpen Schwigermutter mit 
sik (W.). Dass der Schwiegersohn immer gut leben kann. 

30. Käm ik äwends spad' ne Hus, deht min Ollsche brumme, 
naein ik denn de Vigelin ä spael är eine Krumme (W.). 

31. De Bickse vull hewwe, in grosser Angst sein (Cz.). 

32. Wenn 't nicli bottre schall, bottert 't nich, o wenn ma 
di Hose aftreckt o rinne schitt (Cl.). Siehe meine Sagen S. 171. 

33. Koppke, Feitkes, alles warm, Hindrpört äpen, denn brukst 
du nich tum Dokter lopen (L.). 

34. Dat is gräd so (groff) as mit de Schitfel inne Dreck (W.). 

35. Hei dreigt (wingt) sik as de Furz im Schnuppdauk (W.). 

36. Du kriggst Dresch, dat du anne Helft naug best (W.). 
Auch: Du misd' Dresch hebbe, dat du de Päpe begehrst. 

37. Dat is noch wit intwei, saed' jennt Maeke ä kek sik twischen 
de Bein (W.). 

38. Ik erjetzd 1 mi doaran as de Jud' am Gnatz (W.). An der 
Arbeit; Gnatz = Krätze. 

39. De erschte naegen (nämlich Seidel) sind de schlimmste (W.). 

40. Hei is so ful, dat hei nich dat Mul uprite mag (Cz.). 

41. Dei het dat hibsch Fell uk väre Oarsch kraege (W.). Ein 
Mädchen, das Geld hat, aber hässlich ist. 

42. Wer kein Fisch ett, schitt uk kein Gräde (W.). 

43. Lät em fleige, seggt Seefildt o gaff de Katt ne Puss väre 
Noas (CL). 

44. Ne besäpen Fru is he Engel im Bedd (W.). 

45. Hei geht up de Fri (Cz.). So sagt man scherzhaft, wenn 
jemand sein Schnupftuch aus der Tasche hängen lässt. 

46. Dei Jung 1 will frige ä is noch nich hingerre Ohre bedregt 
(W.). So sagt man, wenn ein zu junger Mensch heiraten will. 

47. So is dat, wenn ma verfrigt is ä het kein Fru (W.). 

48. Dat is fruchtboar, seggt Krepel, stelhT sik anne Strom 
un pessd' ent Wäter (L.). 

49. Int Fossise perre d. i. in Menschenkot treten (Cz.). 

50. Di het woll de Gant de Taene utfist? (Cz.). So sagt man 
zu Kindern, wenn sie Zähne verloren haben. 

51. Di hebbe de wille Geis' up de Bräk schaete, ä de Gant het 
di nä Hus tottert (W.). In Cz. : Di hewwe de wille Geis' uppe Bräk 
utschaete, u de Gant het di int Derp tottert. — So sagt man von 
unehelichen Kindern; auch andere, die gern wissen wollen, wie sie auf 
die Welt gekommen sind, erhalten diese Antwort. Man sagt auch: Di 
het de Kauh ungerm Kumm utkratzt (Cz.). 

52. Dat gifft Kloppfleisch ä Ballerklit' d. i. Prügel (Vf.). 



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53. Du best ne Dreck tautägaewea, seggt de Oberferschter, 
dat Taugaewen is min Sach (W.). 

54. Hei geht as de Katt inne Weihdäg' (W.). 

55. Gä mi utem Licht, ore siss sett di ne Spegel inne Noas (Cl.). 

56. Du gehst, as wenn du ne Pähl im Moas hest (CL). 

57. Hei (der Hund) geht so af, as wenn hei Fier ungrem 
Schwanz het (Cz.). Wie Simsons Füchse. Wird auch sonst gesagt 

58. Hei geht, as wenn em de Oarschbacke verkleimt sind (Cz.). 

59. Immer gemütlich, wenn uk bi Muddre im Bedd (L.). 

60. Je arger Hauer, desto mehr Glück (W.). 

61. Ach Gott, wo grot is die Tiergoare! (Cl.). 

62. Wat de leiw' Gott doch alles laewe lett! Dat sull hei doch 
glik afschlachte (W.). Diejenigen, die sich über Vermögen hinaus putzen. 

63. 0 Gott, wat bist du färe Gott! nimmst mi de Kuh ä lettst 
mi de Fru (W.). 

64. Du mi gram, ik di gram, dat Herr ä Fru nuscht marke 
kann (W.). So das äussere Verhalten zweier Liebenden, die in derselben 
Wirtschaft dienen. 

65. Wo vael hest du? Acht u elwen, so vael as de Häs' kaetelt 
(Cz.). Antwort auf die neugierige Frage. 

66. De junge Hähns traede am dollste (L.). 

67. Dat hilt so schwoar as bi 'm Buck dat Lammen (W.). 

68. All bott helpt, seggt de Meisk ä pisst inne Strom (W.). 
Auch de Migg'; CL: seggt 't Miske (Mäuschen); Z.: pisst inne Strand. 
Statt all bott hört man auch all wat. 

69. Eige Hemd um Tun, eige uppe Kaldun (W.). Von armen 
Putzsüchtigen gesagt. 

70. Hei het he Stick vonne Haunerf.tz upfraete (W.). Das 
sagt man von solchen, die das Maul nicht halten können. 

71. Schit uppe Hund, de Tel jeggt uk (W., Cz. u. ö.). So 
tröstet man sich bei Verlusten. 

72. Inne wille Jagd sinne (W.). Binne sind se inne wille Jagd 
— sagt man zu jemand, der in ein Haus gehen will, in dem grade eine 
Frau entbunden wird. 

73. Dat is a schee ull Juckhult (CL). Ein lüsternes Frauen- 
zimmer. 

74. Pe a pe muss man die Jumfer schnüren (W.), d. i. peu ä 
peu, mch und nach mit der Arbeit zum Ziele kommen. 

75. Ma rupp up de Muddr, wenn se jung is; wenn se olt is, 
brummt se (L.). Was du heute thun kannst, verschiebe nicht auf morgen. 

76. Von di misd' ma Junge ligge läte (W.). Damit das Ge- 
schlecht der Faulen nicht ausstirbt. 

77. Dat is so kult, dat einem de Oarsch tauklappt (Cz.). 

78. Nimm de Katt vär de Knei, sihst du nich, siht sei (W.). 

79. Lick de Katt im Moas, denn hest du de Käter täm 
Schwäger (W.). Wird dem zugerufen, der ein Gebot nicht annehmen will. 



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80. Du kennst mein Herz noch lange nich. Giff a halw' Pund 
(= V2 L. Schnaps) un du warst dat kenne lehre (L.). 

81. Du bist e Kirl, wo e Kopp upsitt o de Hund Naes' o 
Ohre anschitt (Cl.). 

82. Du bist soe Kirl, wenn du uppem Messhupe stehst, käst 
du dem Hähne inne Oas kike (Cl.). 

83. Du bist söge Kerl as Huppke sige Sack, schäd' dat du 
nich so bammelst (W.). 

84. Du bist he Kronkerl bat anne Oarsch, äber doar fängt de 
8chitkerl an (W.). 

85. Du bist so 'n Kerl as 'n Oarsch vigelin = crepitus ventris (L.). 

86. Dat is so kloar as Judeeer bi 'm Mäneschin (W.). So sagt 
man, wenn jemand trotz aller Erklärung nichts begreift. 

87. Dat klingt, seggt de Scheper o sehet in di Tunn (Cl.). 

88. De klauke Heiner legge uk in di Nettel o verbrenne sik 
de Noas (CL). 

89. Hei het son' Knaewele, as wenn hei de ulle Saeg' im 
Hingerschte weilt het (W.). 

90. Dat kimmt nä as dat Zänowsch Beier (W.). 

91. Glik noch eis kimmst mi her, glik noch mäl naem ik -di 
vär, seggt Hosefildt 0 lickt de Pogg e Noas (CL). 

92. Dat 's glik e anget Kurn, seggt di Möller o bet inne Mus'- 
frummel (oder Musdreck; CL). L.: Dat is a Korn, seggt de Möller 
un bet enne Mus'frommel. 

93. Ach du kriggst em goar nich in! (W.). So heisst es, wenn 
eine schwere Arbeit nicht recht fortgehen will. 

94. De Kauh het bullt, nu Melk ä Botter naug (W.). So ent- 
schuldigt man sich, wenn keine Milch und Butter im Hause ist. 

95. Kik, wo de Keih danze ! (L.). Von ausgelassenen, lustigen Leuten. 

96. Lät me, lät! Sei läte alle (L.). 

97. Hei lett di, as de Kreh de Stubbe (Cz.). 

98. Wat helpt dat verzägde Laewen! Ut dem verzägde Noarsch 
kimmt keige frehlig' Furz (W.). 

99. Wat dat fär e lustig Laewen is, wenn de Kauhstall dicht 
bi 'm Pirdstall is! (Cz.). 

100. Dat is dat Letzt (de Neig'), saed' de Düwel o sehet dat 
Hart ut (CL). 

101. De Mann un de Fru sind de beste Lüd', äwer se mutte 
im Bedd sinn (L.). 

102. Wo twei ligge gäne, steht de dridd' up (W.). 

103. Di wart de Kuckuk wat in de Hansche mäke (L.). So 
sagt man, wenn jemand zu der Zeit, wo der Kuckuk schon ruft, noch 
Handschuhe trägt. 

104. Oppem Danz valeirt manch Maeke de Kranz (L.). 

105. Wat is doch de Minsch, wenn em näkt is! (W.). So sagte 
ein Mädchen beim Flöhjagen; andere, die es hörten, verbreiteten das 
Wort weiter, um sie damit zu foppen, 



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106. Menschen wollt ihr sein? Innen Himmel wollt ihr rein? 
Aber der Hund soll euch was te e en ten! (Neu-Sanskow bei Polzin). 

107. Dat is kein dow' Naet, seggt Granzow ä hedd in veier 
Joahre fif Kinger (W.). 

108. Wenn dat in einem Joahr vael Naet gifft, gifft dat uk 
vael Haure (W.) 

109. Dat passt gräd' as Klotze de Mitz: sei hedde se em vull- 
mäkt ä sedde se em up, dat em de Dreck aewert Gesicht leip (W.). 

110. Dem Kreiger up de Schwell pisse d. h. nur bis an die 
Thür kommen (W.). • 

111. Wer kann mine Früe dat Pissen verbeideV Mutter, piss, 
ä wenn 't lif Däler kost (W.). Ein Jahr mar Jetsscherz. 

112. Dat platscht, as wenn de Kauh int Wäter schitt (Gz.). 

113. Min Put' is noch nich ruch! (L.). Diese Worte gebraucht 
man, um jemandem durch die Blume zu verstehen zu geben, dass er 
noch zu dumm oder jung ist, um mitzureden. 

114. Eige Puthoar treckt mehr as tigen Perd' (W.). 

115. Di is woll he Furz in de Quär käme? (W.). 

116. Dat rikt, as wenn de Jud' Knufflok ett (L.). 

117. Rundung, seggt Schlottog (L.). 

118. Ik bin nich sauber up de kleine Tuffle, wenn dei grote 
all sünd (Z.). 

119. Eige Mal schädt keine Jumfer nich (W.). 

120. Dat schitt so vael as dat draent (W.). Da ist alles 
Reden vergebens. 

121. Schit, seggt Klatt ä heil dem Wiw' dat Stippel undre 
Oarsch, ä doarbi sehet sei em doch noch uppe Dume (W.). 

122. Rae rae, ra ra, ne Schaet leit hei, weg was hei (W.). 

123. Du sasst hebbe, wat Schreder kreg: von naegen Derper 
de Dinnschit, äber tophäle musst du em di (W.). 

124. Wenn ik di so im Noarsch hedd as im Mäge, denn sehet' 
ik di drei Hiser hoch (Z.). 

125. Hei mügd' em de Ogen utkratze un dei Löcher vull- 
schite (Z.). 

126. Wer dat Glück hewwe sali, beschitt sik im Schläp (Z.). 

127. Wer mit dei Kelwer pleigt, dem beschite sei dei Büss (Z.). 

128. Wer mi bekikt un mi belacht, dem ik beschit 1 un goar 
nich acht (Z.). 

129. Du kannst raede as en Dokter un schite as en Ap- 
teiker (Z.). 

130. Wer licht schite kann, brukt nich dricke (Z.). 

131. Klaukraeden un inschiten kost kein Gild (Z.). 

132. Freu di näkt, denn schitt st du di nich int Hemd (Z.). 

133. Ne Pris' Tobback is baeter as wenn eim de Hund wat 
schitt (Z.). 

134. Mit Schick kriggt ma nem Wiw' ne Tunneboddem inne 
Oarsch (W.). Wenn man ihn verbrennt und ihr die Asche eingiebt. 



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59 



135. Mit de RaucT väre Oarsch ä he Stick dreg' Brot in de 
Hand, denn wart hei naug schläpe (W.). 

136. Schmeck du, eis du wisst, seggt jenn Gaur o fratt uppe 
Schwinsdarme los, wil hei 't Schwin mit Baukweitgritt o Rosine futtert 
herr (Cl.). 

137. De Schulte verklage d. i. seine Notdurft verrichten (Cz.). 

138. Dat schwappt, seggt de Kester o sehet in di Asch (Cl.). 

139. Ostre ä Pingste tä seinen krige (W.). Das geschieht, wenn 
Mädchen so fallen, dass ihnen die Boche über dem Kopf zusammenschlagen. 

140. Hei siht ut as ein utschaeten Arft (CL). 

141. Das is so, as wenn de Hauer utem Danz geht (W.). Sich 
eilig verziehen. 

142. Mi is so, as wenn ik e Rind upfraete heww (L.). Wenn 
jemand den Kater hat. 

143. Zuletzt, meine Brüder, seid stark! seggt Kieker ä trumft 
immertau (W.). 

144. Hei steht, as wenn de Kauh schite will (Cz.). 

145. Farre stäne (Cz.). Wenn ein Kind abends hinausgeht, um 
ein Bedürfnis zu befriedigen, und eine andre Person muss es begleiten, 
um ihm den Grauel zu verjagen, so heisst es von dieser: Hei steht Farre. 

146. Et stinkt nä Melk (L.). 

147. Sei staent up de junge Knäken (Taene, W.). Vom Stöhnen 
der Frauen während der Schwangerschaft. 

148. Jä, wenn min Tant ne Nille hedd', denn wer 't mige 
Unkel (W.). 

149. Schmuck ä rik schitt de Diwel nich täglik (W.). In Z.: 
schitt keie Hund tauglik. 

150. Hei is so doarhinger, as de Diwel hingerre JudeseP (W.). 

151. Wat de Diwel kaekelt, will de Kutt verkepe! (W.). So 
soll der Hahn zur Henne gesagt haben, als sie sich über das schwere 
Eierlegen beldagte. Nach andern: Dat verzieht sik. 

152. Schwigermutter is Düwels Unnerfutter (Z.). 

153. Dei Lüd' hewwe vörre Raegen son' Angst as dei Düwel 
vörm Wihwater (Z.). 

154. Wat dei Düwel för Eier leggt un kann sei nich besitte! (Z.). 

155. Hält dei Düwel dei Preister, denn lät hei ok dei Köster 
häle (Z.). 

156. Du kannst tum Diwel un sine Grotmuddr gäne (L.). Du 
kannst dich wenden, wohin du sonst willst. 

157. Im Bedd a Ingel, senst a Diwel (L.). Ein böses Weib. 

158. De Diwel kettle (CL). So bezeichnet man scherzhaft das 
Klappern des Hofmeisters, wodurch er die Tagelöhner zum Scharwerk ruft. 

159. Doaschlä Gott de Diwel dot! (Cz.). Blosser Ausruf des 
Staunens, der Überraschung, wie auch: Doar kann eie lang bi däl- 
schläne! 

160. Di sali de Diwel häle! Di sali doch glik dis' u jenn 
häle! (Cz.). Fluchformeln. 



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60 



161. Wer de Dochter hewwe will, hull dat mittr Muddr; mittr 
Mudder nich so sehr, mittr Dochter noch vael mehr (L.). 

162. Was zu toll ist, das ist zu toll, saer jenn Freister, as 
em di Wust uppe Schufkär ( Schieblcarre) brecht wurt, aber schiebt's 
man doch herein (GL). 

163. Du bist he Duller uppe wille Bere (Eber), lettst em noch 
ut, wenn du em all im Sack liest (W.). So sagt man von jemand, der 
mit seinen Leistungen prahlt, hinterher aber doch nichts ausrichtet. 
Häufiger jedoch wird der erste Teil des Sprüchwortes auf junge Mädchen 
angewendet, die den Männern nachlaufen. 

164. Tonne voll! seggt Kuschel (L.). 

165. Heraus mit dem Unreinen! Baeter inne wide Wilt as im 
enge Buk, saed 1 Wedd ä leit ne grote Schaet (W.). 

166. Dat is täm Vricktkrigen (Verrückt wer den)! seggt de 
Jud' (W.). 

167. Hei steht undr sinem Wachtmeister (L.). Er ist von 
seiner Frau abhängig. 

168. Wer nich wägt, dei nich winnt; wer nich haüert, kriggt 
keie Kind (W.). 

169. Dei lett sik ok as Waschlappe bruke (L.). Er lässt sich 
alles gefallen. 

170. Dat Wif ä de Seiss verborgt ma nich gern (W.). 

171. Rinn mutt hei, ä wenn wi beid' sulle weine (W.). Fertig 
muss die Arbeit werden. 

172. Di sali dat Wetter häle! Doa sali doch glik dat Wetter 
rinschläne! (Gz.). Di schaddat (= schall dat) Wind un Waere häle! 
(Bublitz). Fluchformeln. 

173. 0 du Schlucht un Waere! (PL). Wetter nich eis (Gz.). 
Ausrufe. 

174. Dei weit sinen Hund tau leiden, dat hei nich dei Strang 
beschitt (Z.). 

175. Grotet Wort un wide Bickse (L.). So sagt man. wenn 
jemand gross redet, aber dabei doch Furcht hat. 

176. Hei betaemt sik nich dat Schwärt hingerm Nägel (Cz.). 
Er gönnt sich nichts. 

177. He Taenke bedit (= bedeutet) he Saenke (W.). Zahn- 
schmerzen bei Frauen während der Schwangerschaft. 

ROGASEN. O. Knoop. 



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61 



Der Heliand und die 
niederländischen Volksdialekte. 

Vortrag, 

gehalten am 27. Mai 1890 auf der Jahresversammlung 
in Osnabrück. 

Im Jahre 1868 kam Windisch in seiner Schrift „Der Heliand 
und seine Quellen" zu dem Ergebnis, dass der Dichter die zur Zeit 
Ludwigs des Frommen geläufigen Kommentare zur Bibel benutzt 
habe: zu Matthaeus Hraban, zu Johannes Alcuin, zu Lucas und Markus 
Beda. Namentlich aus Hraban seien Stellen verwendet, die dessen 
persönliches Eigentum wären. 

Da Hraban's Kommentar nicht vor 822 geschrieben sei, so 
müsse der Heliand nach diesem Jahre gedichtet sein. Seit dieser 
Zeit gilt es unter den Germanisten als feststehend, dass das Gedicht 
zwischen 822 und 840, dem Todesjahre König Ludwigs, entstanden 
sei. Als Ort der Entstehung nimmt man dann wohl die Abtei Werden an. 

Und doch stehen die Schlüsse von Windisch und Grein gar nicht 
so fest. Mit Recht machte Zarncke (in einer Recension der Schrift 
von Grein „Die Quellen des Heliand" Lit. Centralbl. 1869 Sp. 209—11) 
darauf aufmerksam, dass wir doch nur einen geringen Teil der zahl- 
reichen „Catenen" kennen, die zu jener Zeit existiert haben, dass 
diese Commentatoren oft wörtlich von einander abgeschrieben haben, 
dass viele Beweisstellen wörtlich ebenso wie bei Hraban, Alcuin und 
Beda schon bei den alten Kirchenvätern Hieronymus, Gregorius und 
Augustinus ständen 1 ). 

Aber auch aus andern schwerer wiegenden Gründen ist die An- 
nahme, dass der Heliand nach 800 in oder an der Grenze von Sachsen 
entstanden sei, unmöglich. Der Heliand kann nur unter einem und 
für einen deutschen Stamm gedichtet sein, der lange in Verbindung 
mit dem Christentum und der romanischen Kultur gestanden hatte. 
Bechstein w r ies auf einer unserer Jahresversammlungen darauf hin, 
dass der Heliand als eine echte Kunstschöpfung nicht am Eingange 
einer literarischen Epoche stehen könne, sondern eher den Abschluss 

*) H. Rück er t in seinem Heliand S. 234 sagt: „Die echt pfäffische Er- 
findung, dass des Pilatus Weib auf Antrieb des Satans für Jesus bittet, ist von 
Gregor dem Grossen erdacht." Pfäffisch? Wem sein Heil so wichtig war, wie den 
alten Christen, der musste zittern, dass die an Pilatus ergangene Warnung die 
völlige Erlösung hindern möchte. Sollte dieser Gedanke erst dem Gregor gekommen 
sein? Er kam gewiss schon den angehenden Christen der Kaiserzeit, wenn ihnen 
das Leiden des Herrn zum ersten Male erzählt wurde. Oder sollten sie anders 
gedacht haben, als Paulus im Ebräerbriefe 2, 9, Petrus im I. Briefe 2, 21, Johannes 
im I. Briefe 1, 7 oder der alttestamentliche Joseph Genesis 50, 20? 



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62 



einer solchen bilde 1 ) und Behagel hat richtig bemerkt, dass die vom 
Dichter mit sichtbarer Meisterschaft gehandhabte Alliteration nur für 
bekannte Stoffe geschaffen sei, aus denen nur die wichtigsten Momente 
hervorgehoben zu werden brauchten. 

Dann aber ist es doch eine seltsame Auffassung der Zustände 
in Sachsen, welche der 30jährige Krieg Karls hervorgebracht hatte, 
zu glauben, dass um 830 in diesem oder für dieses Land ein christ- 
liches Epos im nationalen Stile hätte gedichtet werden können. Karl 
hatte Sachsen, nachdem er es nur durch die Hülfe der Elbslaven 
besiegt und dem moralischen Untergange nahe gebracht hatte, der 
römischen Kirche übergeben, weil er nichts damit anzufangen ver- 
mochte. „Karel let se ane heren dat se Godde horsam weren unde 
eren bischoppen unde geven eren tegeden. Dat stont lange tit" — 
sagt die Sachsenchronik. Die Kirche hat dann ja dem sächsischen 
Volke die Existenz gerettet. Aber zunächst muss es doch eine plumpe 
Zwangsanstalt gewesen sein. Höchstens eine Anzahl vornehmer Fa- 
milien können sich in der zweiten und dritten Generation innerlich 
mit den neuen Zuständen befreundet haben. 

Das neue christliche Niederdeutschland kann keine etwa im Sinne 
der angelsächsischen aus eignem Geiste quillende Dichtung und Li- 
teratur hervorgebracht haben. Die Sprache der kleineren altsächsisch 
genannten Denkmäler ist allerdings in Sachsen gesprochen, aber nicht 
vom sächsischen Volke, sondern von fränkischen und südfriesischen 
Klerikern, Edelleuten und Kolonisten oder doch von solchen Sachsen, 
die unter Franken und Südfriesen deutsch zu schreiben und zu reden 
gelernt hatten. Man braucht sich doch nur an die Eine Thatsache 
zu erinnern, dass es 400 Jahre gedauert hat, ehe man es gewagt 
hat, die niederdeutsche Landessprache zu schöner Darstellung zu ver- 
wenden. Um 830 mögen immerhin Werdener oder Münsterische Geist- 
liche darauf bedacht gewesen sein, sich ein Gedicht wie den Heliand 
für ihren Nachwuchs zu verschaffen, aber undenkbar ist, dass man 
damals in Sachsen, wo die Erde noch rauchte vom Blute Hundert- 
tausender, wo der Fremdgeborene am Altar und auf der Gerichtsstätte 
den ersten Platz einnahm, ein so edles und auf ein friedliches edles 
Volk abzielendes Werk dichten konnte. 

Eine ganz verschiedene Ansicht von der Entstehung des Heliand 
spricht der kürzlich verstorbene Erlanger Theologe August Ebrard 
in seiner Schrift „Die Iroschottische Missionskirche u aus. Ebrard ist 
ja wohl bei uns der beste Kenner jenes iroschottischen und nord- 
angelsächsischen Christenvolkes, welches uns Deutschen vom 6. — 8. 
Jahrhundert eine Menge von Glaubensboten gesandt hat. Er be- 
zeichnet (S. 389) den Heliand als ein Denkmal der vorwinfriedischen 
iroschottisch-angelsächsischen Missionsthätigkeit, w r elche um das Jahr 
700 von Chur in der Schweiz bis über Utrecht hinaus reichte. Er 
sei unabhängig von der römischen Evangelienharmonie. Es finde sich 



Ndd. Jahrb. X, 141 und 142. 



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63 



nichts von Heiligenverehrung, keine Anrufung um die Fürbitte der 
Maria. Die Benennung „Mutter Gottes" sei vermieden. Keine Prie- 
sterschaft werde erwähnt. Die Kirche werde als Gottes Familie 
(Mviski) bezeichnet, ganz der Anschauung der iroschottischen Coenobial- 
verfassung entsprechend, wo die Kirche ein brüderlicher Verein von 
Coenobialgemeinden, Missionsdörfern und Coenobien war, deren jedes 
aus „familiis" bestand. Bei der Einsetzung des Abendmahls heisse 
es „Hebbeat thit min tegihugdion, helag büithi", ein Ausdruck, den 
kein Römisch-Katholischer jener Zeit gebraucht haben würde 1 ). 

Dann wäre also der Heliand in den Niederlanden entstanden. 
Und zwar nicht nördlicher als das Südufer des Flevo (der Zuiderzee), 
nicht viel östlicher als Deventer, denn dort ungefähr müssen die 
Grenzen der Missionen gelegen haben. 

Die Sprache des Heliand weist nun wirklich in diese östlichen 
Striche der heutigen Niederlande. 

Auszugehen ist von den jetzigen Dialekten, welche die einzige 
sichere Grundlage abgeben. Auch ein Grimm hat seine historische 
Grammatik nur aus der Anschauung dessen, was jetzt Niederdeutsch, 
Oberdeutsch, Friesisch und Nordisch ist, schreiben können. Unsicher 
wird diese Grundlage nur dann, wenn eine Gegend ihre Sprache zu 
Gunsten einer benachbarten oder eines Konventionsdialektes aufgegeben 
hat. Die meisten Fälle der Art lassen sich für die Zeit nach dem 
7. — 8. Jahrhundert in Deutschland historisch nachweisen. 

Von der Weser kommend treffen wir westwärts zwei Dialekte in 
Westfalen, einen östlichen in den Bergen von den Quellen der Ruhr 
bis einige Stunden hier von Osnabrück und einen westlichen zwischen 
Dortmund, Münster und Osnabrück. Der Westrand des Rgbez. Münster 
gehört im Wesentlichen zu den sogenannten Sächsisch-Niederländischen 
Mundarten, welche in den Prov. Drenthe, Overijssel und Ostgelderland, 
d. h. in der Grafschaft Zutphen, um Deventer und auf der Veluwe 
gesprochen werden. 

Einige Kennzeichen derselben gegenüber den sogenannten frän- 
kischen Mundarten weiter westlich sind: das -ed im Plural des 
Praesens: wi lopd, ivi hebd; das 6 = altem 6 in dat book, ropen; 
das e = westgermanisch io in Uf = lieb, flögen = fliegen; das 
Fehlen der Partikel ge- im Particip (lopen, elopen st. gelopen); die strenge 
Beibehaltung des Endungs-n (nichtsächsisch geve =; gegeben, leze 



*) Ebrard hat diese Ansicht bis zuletzt beibehalten. Denn er schrieb im 
Juni 1887: „Es ist noch immer meine feste Überzeugung, dass der Heliand ein 
Produkt der alten iroschottischen Missionskirche aus dem Ende des 7. oder Anfang 

des 8. Jahrhunderts ist Wo nun der Heliand ursprünglich gedichtet worden 

— ob in Flandern oder östlich vom Rhein — darüber wird sich freilich kaum ganz 
sicheres entscheiden lassen ; wenigstens reicht meine Kenntnis der altniederdeutschen 
Dialekte nicht so weit, dass ich eine bestimmte Vermuthung wagen möchte. Nur 
das ist mir gewiss, dass, wo immer auf dem Gebiete der alten iroschottischen 
Missions- und Kirchenthätigkeit das Gedicht entstanden sein mochte, dasselbe in 
der Zeit Willibrords weiter verbreitet wurde, so weit sein Sprachidiom irgend 
verständlich blieb." 



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t>4 



= lesen, nege = neun). Die Erhaltung von altem i und ü (schritten, 
hü$). Der Umlaut von au, 6 und ü, wie im Deutschen (veute, 
beume, ndl. voeten, boomen). 

Alle weiter westlich und südlich gelegenen Mundarten pflegt man 
mit ganz verfehltem Ausdrucke als „ fränkisch u zu bezeichnen, während 
doch nach den ja allerdings spärlichen historischen Nachrichten in 
jenen Landschaften Südfriesen, Warner, Thüringer und Flamen 
wohnten, die später den Franken unterthänig wurden. 

An die sächsischen Mundarten schliessen sich im Süden zunächst 
die Mundarten um Zevenaar, Nimwegen und in der Betuwe an, welche 
einen Übergang einerseits zum Niederfränkischen der Rheinprovinz, 
andrerseits zum Brabantischen bilden. Gegen Westen stösst das 
Sächsische auf Mundarten, die dem modernen Holländischen ziemlich 
nahe stehen. Es ist aber zu vermuten, dass in Westutrecht und Süd- 
holland einst ganz anders gesprochen wurde, Mundarten, von denen 
z. B. der Dialekt von Huizen an der Südküste der Zuiderzee noch 
Spuren enthält 1 ). 

Der Heliand ist uns bekanntlich in 2 Hs., der Münchener und 
der Cottonischen, nebst dem Prager Bruchstück einer dritten erhalten. 
Die Cottonische ist zweifellos eine Umschreibung ins Niederfränkische. 
Auch solche Züge derselben, die von den Grammatikern als Schreib- 
fehler bezeichnet werden, sind ganz gewöhnliche Erscheinungen in den 
Geldrischen, Brabantischen und Südholländischen Mundarten 2 ): die 
Abstossung des auslautenden n, das ie statt e in hiät = befiehl, 
Met = heiss, nigien (im Monacensis); die Vokaleinschiebung in 
aram, tvaram, soraga, die unrichtige Vorschiebung und Auslassung 
des anlautenden h. Von allen niederländischen und belgischen 
Provinzen steht jetzt nur in Friesland, dem grössten Teil von Drenthe, 
Twenthe, Gelderland und Utrecht die richtige Aussprache des anlau- 
tenden h fest 3 ). 

Der Cottonischen gegenüber ist die Münchener Hs. im Vokalismus 
sächsisch. Und zwar ergiebt sich, dass sie in wesentlichen Punkten 
nicht den westfälischen, sondern den niederländisch-sächsischen 
Mundarten, z. T. auch den den Übergang zum Holländischen bil- 
denden Mundarten von Westoverijssel und Westgelderland gleich steht. 
Wäre sie in Westfalen geschrieben, so müsste z. B. die westfälische 
Aussprache von gotisch au als au durch ä gekennzeichnet sein, wie 
das die Freckenhorster Heberolle so genau thut. Ganz Niederland 
dagegen, abgesehen von Südbrabant und Friesland, spricht: boom, 
brood, groot. Andrerseits ist das urgermanische eu, welches in 
allen germanischen Zungen dieselbe Entwickelung über ie zu I ge- 
nommen hat, im Heliand io, seltener ia, ie (eo). Sachsen aber, ein- 
schliesslich von Drenthe, Twenthe und Ostgelderland, hat e, ei, ai: 



*) Vgl. Winkler, Dialektikon I, 384 und II, 21, 101 f. 
2 ) Schmeller, Wörterbuch 185 f. 
8 ) Vgl. Herrig's Archiv 78, 305. 



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65 



def, lef. Ihm schliesst sich eine vielleicht sugambrische Enklave um 
Dülken — Limburg — Luxemburg — Eupen an *). Aus io kann das spätere 
ndd. e nimmer entstanden sein. Der Schreiber des Monacensis muss 
also westlich von Deventer geschrieben haben. Ebenso liegt die 
Sache mit dem o des Heliand in dd, /bi, güholon, onsta. Sachsen 
hat später in diesen Wörtern immer u gesprochen, während in den 
Niederlanden o herrscht. 

Der Heliand hat thea half, thea nuon = die None, lat = 
spät. Dies ist gar nicht westsächsisch, aber Westgeldern, Brabant 
und Holland stossen das e der Endung gern ab. Vereinzelt hat er 
das alte gotisch-friesische e in jer = Jahr bewahrt. Dies erinnert 
daran, dass die jetzige Volkssprache im einst friesischen Nordholland 
ganz analog das ee in vereinzelten Fällen wie strcet, deen, frcgen 
bewahrt, ja dass auf Wieringen und Texel und in Hindelopen gerade 
nur jeer = Jahr und heer = Haar aus dem Friesischen beibehalten sind. 

Indessen für die Lokalsprache des Originals ist daraus nichts 
sicheres gewonnen, denn der Abschreiber könnte, wenn das auch un- 
wahrscheinlich ist, den ganzen Vokalismus des Verfassers über den 
Haufen gestossen haben. 

Wenden wir uns deshalb dem festeren Gerippe, den Kon- 
sonanten, zu. 

Sachsen und Niederländer einerseits unterscheidet, nachweislich 
seitdem 12. Jh., die Aussprache achter, scliacht, lichten, lucht, stichten, 
stickten von allen übrigen Germanen, auch von den Friesen. Es ist 
nicht recht wahrscheinlich, dass sich der Wandel von einem alten ft 
zu cht in dem weiten Gebiete zwischen Scheide und Elbe erst im 
9.— 12. Jh. sollte vollzogen haben. Es muss eine viel ältere Eigen- 
tümlichkeit dieser Stämme sein, die ja so viele Spuren gemeinsamer 
alter Sitten und Einrichtungen aufweisen. Der Heliand hat nur ft: 
after, kraft, luft. Dem niederfränkischen Schreiber des Cottonianus 
entschlüpft ein heimisches craht. Dies ft hat von den Gebieten, um 
die es sich aus andern Gründen nur handeln kann, allein das friesische 
Holland und Utrecht besessen. Im nordholländischen Westfriesland 
sowie auf der Insel Urk steht es noch jetzt. Reste wie affer statt 
achter in Soest bei Utrecht und zoft in Sliedrecht und Nordbrabant 
bilden Fingerzeige. 

Aber es giebt charakteristische Formen und Wörter im Heliand, 
die kein Abschreiber hineingetragen haben kann. 

Ich möchte nicht den Dual unk, ink heranziehen, welcher sich 
im südlichsten Teile Sachsens von Neheim durch das Sauerland bis 
Werden gehalten hat. Denn die Form ist inj übrigen Sachsen wohl 
später von dem alles vereinfachenden Norden /her ausgemerzt. 

Das Wichtigste ist der Plural des Praesens auf -adh. Er 



*) Dass der Laut e, ei = westgerm. io (eu) im Gebiete von Köln, Berleburg, 
Siegen, Marburg, Limburg, Höchst, St. Goarshausen, um Hersfeld, in der Fuldischen 
Rhön und in der Wetterau über Sachsen hinausgreift, ist nicht unbekannt. 



Niederdeutsches Jahrbuch. XY. 



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66 



herrscht nur bei Sachsen und Friesen und zwar ausschliesslich. Gegen 
Westen geht er bis Uddel auf der Veluwe und etwa der Mitte zwischen 
Zutphen und Arnheim. Aber da die Utrechter und Holländer einst 
Südfriesen genannt wurden, so werden sie ihn auch wohl besessen haben. 

Im Heliand ist die Partikel gi- vor Participien, Substantiven 
und Adjektiven ebenso beliebt wie in den jetzigen fränkisch-nieder- 
ländischen Mundarten, und es ist nicht daran zu denken, dass ein 
Abschreiber sie vorgesetzt hätte. Andrerseits kann sie in Sachsen 
und Friesland nie recht heimisch gewesen sein. Sie ist auch ins 
Mittelniederdeutsche von aussen hineingetragen. In den sächsischen 
Niederlanden steht sie nie, wohl aber das weitverbreitete e-, z. B. 
dat hestu eloggen — das hast du gelogen, welches bis Utrecht reicht *). 
In Substantiven wie gerak, gctuug ist sie freilich dort gebräuchlich. 
Sowie wir die Sächsische Grenze überschreiten, finden wir in der 
Betuwe, um Nimwegen, in Brabant und Limburg stets ge-. 

Das kann doch auch nicht Zufall sein, dass im Heliand grade 
dieselben Participien fundan und human vorkommen, die im modernen 
Westflämischen neben nur zwei anderen: ledert und hoord ohne ge 
erscheinen 2 ). 

Ganz besonders wichtig sind die ausschliesslich stehenden Heliand- 
formen: konsta = konnte, gionsta = gönnte, afonsta = missgönnte. 
Auch in der Glossae Lipsianae: begegunsta, in der Beichte: begonsta. 

Mittelniederländisch steht kondc und konste, koste. In Sachsen 
einschliesslich von Twenthe und Drenthe steht nur kondc, könne, nie 
konste. Der östlichste Punkt, wo es jetzt, offenbar aus dem Rhein- 
fränkischen versprengt, bisweilen vorkommt, ist die Südhälfte der 
Grafschaft Zutphen und die Gegend um Deventer. Die Friesen 
sprechen koede, koe (oe ist deutsches u). Dagegen steht in West- 
gelderland, in Utrecht, Südholland, in ganz Brabant, ganz Flandern, 
Zeeland und Limburg: he kost, kos, begost. In Rheinpreussen von 
Emmerich bis Eupen ebenfalls. 

Eine Anzahl von Wörtern des Heliand können wir dem Nie- 
derdeutschen gegenüber als besonderen Besitz des niederländischen 
Sprachgebietes bezeichnen. Dass man freilich bei der Anwendung der 
jetzigen Wortgeographie auf so weit zurückliegende Zeiten sehr vor- 
sichtig sein muss, ist klar und in dieser Beziehung ist das Wort 
hehan = Himmel lehrreich. Grimm hat es einmal als besonderes 
Kennzeichen sächsischer Sprache hingestellt. Und in der That ist es 
jetzt genau auf Sachsen und seine Ostseekolonien beschränkt. Schon 
der Ostfriese, der sein Niederdeutsch vor 400 Jahren als eine vor- 
nehmere Sprache für das Friesische eintauschte, hat es gar nicht 



*) Die gewöhnliche Erklärung dieses e- geht dahin, dass es aus ge- entstanden 
sei. Es ist doch wohl eine ganz andere Partikel, deren Entstehung uns un- 
bekannt ist. 

2 ) Wie mir Herr Dr. Walther sagt, stossen auch mnd. Schriften grade in 
diesen beiden Participien das ge- ab. 



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67 



und der Jeverländer lächelt über den Oldenburger Geestbauern mit 
seinem „Aöftew". 

Und doch muss es der zweifellos niederrheinische Schreiber des 
Cottonianus für gut verständlich gehalten haben. Sonst hätte er dafür 
leicht überall „himil* einsetzen können, m 

Hat er doch das in ganz Niederiand und Sachsen jetzt ge- 
bräuchliche butan = ausser zu Gunsten von neuan ausgemerzt, weil 
ihm ersteres zu vulgär vorkam. Man erinnere sich, dass hewen jetzt 
bei uns fast nur noch in der sinnlichen Bedeutung „ Wolkenhimmel 
„Horizont* gebraucht wird, ganz im Gegensatze zum Englischen. 
Es ist klar, dass wenn einmal in religiöser Beziehung „Himmel" ge- 
bräuchlich wurde, heven einer kirchlich gesinnten Bevölkerung leicht 
ganz abhanden kommen konnte. Es ist bei den niederländischen 
Sachsen ganz verschwunden, während es der klevische Theutonista 
noch nennt. 

Niederländische Wörter des Heliand sind läri = leer, segina = 
Fischnetz, siverban = abwischen (jetzt ndl. „ umherstreifen Ä ), thrim, 
die Enge. Mndl. bei Oudemans dremmen = in die Enge treiben. — 
swiri = Schwager. Noch heute in Zeeland zweer. — wurgil heisst der 
Strick, mit dem sich Judas erhängt. In der Betuwe: würgel 1 ). — sdn 
= alsbald, das englische soon, lebt in Westflandern: zoo zaan als — 
sobald als (de Bo 1416). — liomon — die Lichtstrahlen lebt in Zeeland 
und Limburg als liemen = brennender Docht, Flachsspäne zum 
Brennen; weerlemsch heisst in Zeeland „blitzend". — smal im Sinne von 
gering, arm, z. B. „thiu smale thiöd" = das arme Volk ist auch 
gut niederländisch. 

Vor allem aber nig-en oder wie der Monacensis mehrmals hat 
nigiean = kein. Da es mit gumono und guldin alliteriert, so ist es 
genau das niederländische »geen u und ist aus nih-ains entstanden. 
yeen geht jetzt genau bis an die deutsche Grenze. Die Sachsen und 
Friesen dagegen haben durchweg neen, nin gesprochen, welches 
seinerseits nur auf „ni ains" zurückgehen kann. 

Niederländische Wörter, die auch in überijsselschen Teilen des 
Bistums Utrecht, nie aber in Westfalen und Niedersachsen vorkommen, 
sind: that feUan, der Trug. Jetzt in Overijssel und Limburg „de feke u , 
„dat feken" = die Scheinhecke aus Baumzweigen 2 ), sldk = feige, 
matt. Jetzt in Groningen und Drenthe. manon = vorwärts treiben. 
Jetzt in Overijssel mennen — die Pferde antreiben, lenken, bodal = 
Haus und Hof. In der niederländischen Volkssprache : boel — Besitz, 
Bauerstelle, füs — bereit.* In Overijssel und Groningen jetzt vtmste 
= sehr, ecid = Essig, noch mit Bewahrung des alten k. In 
Overijssel noch heute „aek". 

Einige reichen eben nach Westfalen herein, kommen aber sonst 
in Niederdeutschland nicht vor: bitengi = nah verbunden, drückend. 



würgel kommt auch um Neuenhaus — Bentheim vor (Mitt. von Herrn Staehle). 
% ) Vgl. Overijss Almanak 1836 und Schuermans, Idiotikon. 

5* 



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68 



In Overijssel und Utrecht: beteune, betuune = beengt. Münsterisch 
betengen = bedrängen, de tenge = die Kniffe 1 ), tömig, frei, erlöst. 
Im Nordosten der Niederlande in der Bedeutung „ohne Arbeit", 
„müssig", in Nordwestfalen = still, ruhig, so dass z. B. „en untömig 
hus u ein Haus ist, in dem^s spukt. 

tögo = Zweig. In Overijssel, Drenthe, Groningen und bis Os- 
nabrück toog und twoog, sonst nirgends. 

bregdan, flechten. Ndl. breien. Münsterisch, aus dem Niederlän- 
dischen herübergenommen, „breiden". 

Einmal (V. 3892) fliesst das friesisch-fränkische geth ein. Jesus 
sagt zu dem Weibe: Ne ik thi geth ni deriu neowiht = so werde 
ich dir auch nichts zu Leide thun. Es ist das englische yet, west- 
fries. yette = überdies, noch, und identisch mit dem in der Rhein- 
provinz und Limburg so beliebten yet = etwas. Es mag nur aus 
der Gegend von Barmen hie und da nach Südwestfalen versprengt sein. 

liohtfat = Leuchter mutet ganz friso-sächsich an. Man sagt in 
jenen Grenzgegenden heute allgemein „dat schienvat", fries. skienfet. 

greatan, weinen, kommt als graaie nur noch auf der Insel 
Texel vor 2 ). 

Ein wichtiges Wort, im Mittelniederländischen und Nieder- 
deutschen fehlend, sebo = das Gemüt, erhielt sich im nordholländischen 
Friesland in der Wendung: hij is om zeep = er ist ohne Bewusstsein 
und in der Betuwe wie ja auch im Deutschen: hij ister een van de 
zeuve kwijt = er hat nicht alle fünf Sinne 3 ). 

femea, Frau. Dies merkwürdige Wort, ags. faemne, hat sich 
auch nur im Friesischen gehalten. Es ist kein germanisches Wort, 
sondern lateinisch femina. Man unterschätzt gewöhnlich die Aus- 
dehnung römischen Wesens in jenen Gegenden 4 ). 

Aber der Heliand enthält auch einige spezifisch hochdeutsch- 
fränkische Wörter, von denen gar nicht anzunehmen ist, dass sie 
in ganz Niederland und Sachsen ausgestorben sein könnten. So 
finistar = Finsternis, hose = Hohn, naco = Nachen. 

Dies erinnert daran, dass beide Texte in deutlichen Spuren 
zeigen, wie die Tradition deutscher Schreibweise, in der sie stehen, 
von Süden her kommt. 

Beide Handschriften haben druknida = tocknete, drokno = 
trocken. Dies ist genau nach dem althochdeutschen trucchinan, truchano 
gebildet, während ganz Niederland und auch wohl Aachen, Köln, 
Düsseldorf nur dröge, driige kennen. 

Ferner das häufige fon statt fan, welches doch weit herauf ins 
oberdeutsche Gebiet gehört, und das viermalige güih (Schindler S. 185) 
statt gilik. 



*) Vgl. Köne zum Heliand S. 542. 
2 ) Wink ler, Dialektikon II, 528. 

8 ) Vgl. Bouman, de Volkstaal in N.-Holland S. 74; Owe Volkstaal II, 115; 
Ndd. Korrespondenzblatt XIV, 37. 

4 ) Vgl. Halbertsma's Lexicon 957; Siebs, Z. Gesch. d. engl. -fries. Sprache 264. 



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69 



Acht hochdeutsch ist das h in hiopon, Hagebutten, ahd. hiufo. 
Überall in Niederdeutschland lautet das Wort wiepe, wepe, aber gleich 
bei Kassel eben über der fränkischen Grenze: hiefe. In Zeeland mit 
vorgeschlagenem m, n de miepen, niepen 1 ). 

clustar, Verschluss und Idustar-bendi = Fesseln von claustrum. 
(In Limburg ist Jcloester = Vorhängeschloss.) hohhurnid = hochgehörnt, 
kumi = Korn könnte brabantisch- luxemburgische Verlautung sein, 
jedenfalls ist das u ganz unsächsisch und unfriesisch. 

Wenn wir uns das Missionswesen, wie es von der Zeit ab, wo 
die Gothen Ulfilas Bibelübersetzung benutzten, fast ohne Unterbrechung 
bestanden hat, vergegenwärtigen, so werden wir sagen müssen, dass 
diese christliche Sprache der ersten Missionskirchen doch ihre Ge- 
schichte haben musste. Als die irisch-anglischen Missionare in Ale- 
mannien, Baiern, Franken und Thüringen einwanderten, werden sie 
sich da nicht etwaige ältere heilige Schriften in deutscher Sprache 
zu verschaffen gesucht haben? Die Ulfilashandschrift ist doch gewiss 
in die Gegenden, wo sie gefunden ist, gebracht, um sie beim Über- 
tragen zu benutzen. Musste diese Missionskirche, die sich von der 
Schweiz bis Friesland erstreckte, nicht allmählich ein eigenes deutsches 
Schriftthum erhalten? Die Kirche um Utrecht war aber die späteste 
Frucht dieser Missionsbewegung. Es dürften sich also in die christ- 
liche friso-sächsische Sprache, wie sie im 7. — 8. Jahrhundert südlich 
und östlich der Zuiderzee galt, nicht bloss angelsächsische, sondern 
auch hochdeutsche Elemente gemischt haben. Diese Sprache hat 
sich dann auch nach Karl dem Grossen in den sächsischen und 
niederländischen Klöstern und an den Bischofssitzen und Edel- 
höfen noch längere Zeit, immer dem Orte angepasst, fortge- 
pflanzt, bis gelegentlich der Eroberung der Wendeiilande von 
Flandern bis zur Elbe im 12. Jh. ganz andere Volkskräfte 
flüssig gemacht wurden und nun so zu sagen in neuer Zunge 
redeten. 

Zu weit östlich dürfen wir den Heliand schon deswegen nicht 
legen, weil er in so lebendiger Anschauung der See ge- 
dichtet ist. 

Bei Matthaeus 5, 13 „dass man das Salz hinauswerfe und lasse 
es die Leute zertreten" denkt der Dichter an Seesalz, sei es aus 
Meerwasser oder aus Seetorf bereitet 2 ). „Is imo so thern salte the 
man bi sewes stade wido tewirpit", das die Leute an „greote" zertreten. 

Der Schauplatz des Fischauslesens (V. 2634) wird ans weite 
Meer gelegt. Die guten sucht man am Meeresrande aus, die andern 
lässt man „an grund faran, an wtdan wäg". 

Das auf Sand gebaute Haus steht, wo es der Westwind und 



*) Schindler übersetzt es durch „tribulus" (ein Dorn), Heine durch „Dorn- 
strauch". Das Wort bedeutet in den deutschen Mundarten nur „rosa canina". 
Vgl. Pritzel und Jessen S. 339. 

a ) Vgl. Zeitschrift für Schleswig-Holsteinsche Geschichte X, 52. 



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der Strom der Fluten mit Seewellen zerschlägt 1 ). Ob wohl jemand, 
der in Werden oder Münster die Stelle des Evangeliums überdachte, 
dieses Bild vor Augen trat? 

Umgekehrt kostet es dem Dichter Mühe, die Vorstellung richtiger 
Berge zu erwecken. 

In der Scene auf dem Tabor steigen sie „an hohan wal 2 ), sten 
endi berg". Man merkt das hülflose Suchen nach Ausdrücken. 

Jesus wird (V. 2682) von Nazareth auf den stcn-holm geführt, 
wo sie ihn von dem walle herunter zu werfen gedenken, und die 
Stadt auf dem Berge liegt auf hoher holm-klibu. 

Das Wort hölm kommt jetzt in den Niederlanden nur noch in 
der Bedeutung „morastige Stelle" vor (De Bo). Bei Kilian heisst es 
noch: kleiner Berg, kleiner Hügel, auch „Flusseiland". Seine eigent- 
liche Heimat hat es in zahllosen Ortsnamen mit noch verstandener 
Bedeutung auf der cimbrischen Halbinsel und in Skandinavien. Ver- 
einzelt auch in Westfalen, wie der Holmberg bei Steinheim, der Holm 
bei Rinteln, der Wegholm bei Petershagen. Die alte Bedeutung des 
Wortes kann in Deutschland nur die holsteinsche gewesen sein: ein 
in ein Gewässer oder eine Niederung vorspringender Hügel, auch wohl 
ein hochragendes Eiland in einem See. Das war die einzige Bergart, 
die dem Dichter des Heliand und seinem friso - sächsischen Publikum 
geläufig war!! 

Das Christentum und zwar ein lateinisches war in der Gemein- 
schaft, für die der Heliand bestimmt war, lange eingebürgert, wie 
das schon Rückert ausgeführt hat 3 ). Sonst könnte der Dichter nicht 
so arglos von fern, Holle, nön, None,^ pina, Pein, seginön, segnen, 
ork, Krug, von rökfat, wihrök und gar von diät (Dank, aus dblata) reden. 

Die palma, der Palmzweig, scheint die Sitte vorauszusetzen, dass 
am Palmsonntage Zweige umhergetragen wurden, die man „palmas" 
nannte, skola, Schaar, ist gewiss nicht deutsch, sondern von den 
Mönchsschulen hergenommen. 

Ich glaube: In soweit hat Ebrard Recht: der Heliand ist in der 
Zeit entstanden, wo das Karlingische Usurpatorenhaus seine Hand 
noch nicht auf die an den Grenzen der Franken wohnenden christiani- 
sierten Stämme gelegt hatte. Aber er fällt doch wohl in die Zeit 
nach 7 00, wo Willibrord sich bereits auf das Drängen Pipins in Rom 
hatte zum Bischof konsekrieren lassen. 

Dies möchte man aus der Art schliessen, wie er Ev. Matthaeus 
16, 18 behandelt: Er sagt dort nicht: Du bist Petrus und auf diesem 
Felsen will ich meine Gemeinde bauen, sondern: 
hetan sculun thi firio harn 

„scte u Peter: obar themu stene scal man minan seli wirkean 

(V. 3068). 



*) Vgl. Paul, Grundriss der Germanischen Philologie II, 209. 

2 ) Ein Wall ist so wenig ein Berg, als ein bilühi ein „Wunderzeichen u . 

8 ) Rückert, Heliand S. XVIII. 



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Die britischen Missionare werden geschildert als in Schaffelle 
gekleidet 1 ). In der Stelle: „Sehet euch vor vor den falschen Propheten, 
die in Schafskleidern zu euch kommen, a lässt der Dichter die doch so 
anschaulichen Schafskleider bei Seite und sagt: (V. 1737): Sie kommen 
in solchen Lügengewanden zu euch, in lichten Schmuckgewändern, 
doch haben sie falschen Sinn. 

Schmeller giebt eine Abbildung der merkwürdigen Initiale des 
Cottonianus, welche Sievers in seiner Ausgabe gar nicht einmal er- 
wähnt hat. Dies sogenannte Schlangenornament, in welchem märchen- 
hafte Drachen sich zu vielverschürzten Knoten zu vereinigen scheinen, 
tritt in Deutschland zuerst in fränkisch-alamannischen Gräbern auf 
und reicht bis in die christliche Periode. Fast alle irischen Mi- 
niaturen, die in St. Gallen und an andern Orten Deutschlands von 
irischen Mönchen ausgeführt wurden, zeigen dasselbe 2 ). 

Das steht auch fest, dass keine Mission vor 770 Boden in Alt- 
sachsen gewonnen hatte. Wir hören nur von vergeblichen Versuchen 
dazu, wie wenn der h. Suitbert sich von den Brukterern im Herzogtum 
Berg nach Kaiserswerth zurückziehen muss oder die beiden Ewalde 
unweit des Rheines erschlagen werden. Man hat auf die Nachricht 
hingewiesen, dass König Dagobert im 7. Jh. die villa Soest im 
Bruktererlande dem Kölner Erzbischofe Kunibert schenkt. Aber es 
giebt 3 Orte des Namens in Westdeutschland, einen bei Utrecht, einen 
in Westfalen und einen unweit von Barmen. Hier ist gewiss der Hof 
„auf dem Soest" bei Voerde-Schwelm gemeint 3 ). 



*) Vgl. 0. Fischer, Bonifatius S. 67. 

2 ) Paul, Grundriss IIb, 288. 

3 ) Dazu bemerkte Professor Nordhoff- Münster, indem er auf seinen Aufsatz 
im Historischen Jahrbuch von 1890 S. 290 — 97 verwies: „Es sei ganz zweifellos, 
dass die christliche Religion lange vor Bonifatius von Köln aus in Sachsen Ver- 
breitung gefunden habe. Denn 1) könne der genannte Ort nur die Stadt Soest in 
Westfalen sein. Erzbischof Anno II. schreibe 1074: tradidi fratribus (s. Cuniberti) 
quinque libras solvendas de areis vel de curticulis Sucacie, quod eam sanctus 
Cunibertus sancto Petro acquisivit. Vgl. Lacomblet, Urkundenbuch f. d. Gesch. 
des Niederrheins (1840) I Nr. 218. Eine Urkunde des 10. Jh. in Lacomblet's Archiv 
1857 II, 58, 63 benenne die Zuwendungen Cuniberts an das Armenhaus ad s. lupum 
in Köln und darunter: De Swelme uni tantum fatri XII modios siliglinis etc. De 
Miniden, ubi unus frater erit, XII modios siliginis. 2) habe bereits der h. Martin 
von Tours den Sachsen seine Missionsthätigkeit zugewendet. In Martin von 
Bracara's Schrift „De correctione rusticorum" (hrg. von Caspari Ghristiania 
1883) heisse es von Martin: 

Immanes variasque pio sub foedere Christi 
Adsiscis gentes: Alamannus, Saxo, Toringus, 
Pannonius, Rugus, Sclavus, Nara, Sarmata, Datus 
Ostrogotus, Francus, Burgundio, Dacus, Alanus 
Te duce nosse Deum gaudent. 

3) sei ein Strich im östlichen Sachsen, wo unter andern frühchristlichen Anzeichen 
Reihengräber mit Fundstücken aus dem 6. — 7. Jahrhundert auftauchten, nur des- 
wegen dem Erzbistum Mainz belassen, weil er bereits ganz oder teilweise von dort 
aus christianisiert gewesen sei. (Vgl. Rettberg, Kirchengesch. Deutschlands II, 
400; Rein ecke, Die Einführung des Christentums im Harzgau, Osterwick 1888 



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72 



Um in Sachsen Fuss zu fassen, hätte es für die freien Missionen 
nur Einen Weg gegeben, den, welchen der h. Lebuin vor 770 auch 
wirklich, aber zu spät, einschlug, die Missionare hätten sich in öffent- 
licher Landesversamnilung das Recht erwerben müssen, in der säch- 
sischen Republik Niederlassungen zu gründen. Aber das war schwierig 
zu erlangen, denn einmal war Sachsen, welches von den Stürmen der 
sogenannten Völkerwanderung verschont geblieben war, damals kul- 
tivierter als Süddeutschland und die Niederlande und dann fiel nirgends 
die heimische Religion so völlig mit dem heimischen Rechtsstaat zu- 
sammen als hier. So musste sich denn das Geschick erfüllen und 
die Erd Verwüstung, das mudspell 1 ), kam über das germanische Land 
der Mitte, welches 800 Jahre früher dem Norden seine Freiheit ge- 
rettet hatte. 

Wohl ist das niederdeutsche Volk, als ihm später im Bunde mit 
denselben Franken die Eroberung und Besiedelung der Wendenländer 
gelungen war, zu einem Zeitalter neuer Macht und Ehre gelangt und 
hat dann auch eine eigne Literatur hervorgebracht. Aber ein Riss 
war doch von jener Zeit geblieben. Als die Auflösung dessen, was 
das Mittelalter geschaffen, eintrat, war keine Fähigkeit vorhanden, 



S. 19; Müller, Die Reihengräber zu Rosdorf bei Göttingen, Hannover 1878 
S. 67—70.)" 

"Was Punkt 1 betrifft, so bleibt es zweifelhaft, ob die alte Überlieferung 
nicht doch auf den Hof Soest bei Schwelm geht. König Dagobert (oder wohl 
Siegbert) schenkte an Kunibert die „villa Soest im Bruktererlande" (Binterim, 
Die Erzdiözese Köln I S. 44 und Rettberg, Kirchengeschichte I, 537 und II, 420). 
Dass die Gaue Angeron, worin die Stadt Soest liegt, und "Westfalon auch den 
Namen „Boretra" führten, scheint allerdings bezeugt. Aber im Capitulare Saxon. 
an. 797 § 11 werden die Boratrini Saxones den Septentrionales im Süderlande 
entgegengesetzt. Gewiss wird der Erzbischof Anno geglaubt haben, dass sich die 
alte Nachricht auf die Stadt Soest beziehe. Aber Schwelm liegt unmittelbar an 
der fränkischen Grenze. Im Kirchspiel Schwelm liegen Höfe mit dem Namen 
Mennenöde und zwischen Hagen und Vorde b. Schwelm liegt der Hof „Auf dem 
Soest". Miniden könnte auch Menithinna bei Werden sein. 

Die Nachricht bei Martin von Bracara hat etwa den Werth, wie wenn ein 
spätlateinischer Dichter einen Feldherrn wegen seiner Siege über Cherusker und 
Sigambrer preist. 

Was Punkt 3 angeht, so ist freilich nicht zu bezweifeln, dass Thüringen um 
730 ein halb christliches Land war und dass also in den angrenzenden Teilen 
Sachsens vorübergehend Christen gelebt haben. Die Verteilung der sächsischen 
Landschaften unter die einzelnen Bistümer macht den Eindruck, als sei sie unter 
Einwirkung der Karolinger grade in der Absicht vorgenommen, Zusammen- 
gehöriges auseinander zu reissen. Als solch ein in das sächsische Volk getrie- 
bener Keil erscheint der nördlichste Teil des Bistums Mainz. Namentlich aber ist die 
homophyle und gleichsprachige Bevölkerung, welche vom Sauerlande über Soest, 
Paderborn, Detmold bis an das Wiehengebirge westlich von Minden wohnt, ab- 
sichtlich unter die Bistümer Köln, Paderborn, Minden und Osnabrück verteilt. 

Die Gräberfunde beweisen doch zunächst nur, dass Christen an den Fund- 
stellen begraben sind, nicht dass sie dort dauernd gelebt haben. 

Zum Schluss wies Nordhoff noch darauf hin, dass der Heliand in einer Burg 
geschrieben sein müsse. 

*) Diese sehr ansprechende Deutung des Wortes giebt Kögel in Paul' 8 
German. Philologie II» S. 212. 



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sich einmütig einen Platz in der neuen Welt zu erobern. „Zfe *icl 
van een vcik is zipx taal" sagt der Niederländer. Heute reden wir 
in den Städten Sachsens eine Sprache, die von der sächsischen ver- 
schiedener ist, als das Polnische vom Russischen oder das Tschechische 
vom Serbischen. 

SEGEBERG. H. Jellinghaus. 



Ein Liebesbrief aus dem 
16. Jahrhundert. 

An einer Stelle, wo man dergleichen nicht gerade zu finden er- 
wartet, in Gesandtschaftsakten des sechszehnten Jahrhunderts, ent- 
deckte ich vor einiger Zeit einen in Chiffern geschriebenen Brief, der 
sich bei näherer Betrachtung — die Übersetzung lag glücklicher 
Weise daneben — als ein leibhaftiger Liebesbrief erwies und aus 
mehr als einem Grunde mein Interesse in Anspruch nahm. Nicht 
als ob es sich um besonders hochstehende oder berühmte Persönlich- 
keiten gehandelt hätte, er, der Schreiber des Briefes, war ein un- 
bekannter, bürgerlicher Amtsschreiber zu Seesen am Harz, sie, die 
Adressatin, ein nicht einmal mit Namen genanntes, adliges Fräulein 
zu Trendelburg in Hessen. Aber in diesem Briefe, der in nieder- 
deutscher Mundart verfasst war, geben sich eine starke und doch 
zarte, aller Ungunst der äusseren Verhältnisse trotzende Neigung, 
ein inniges, treuherziges Gottvertrauen kund, die in ihrer schlichten, 
kunstlosen Ausdrucksweise seltsam ans Herz greifen. Doch der Leser 
mag selbst urtheilen! Ehe ich ihm aber den Brief selber vorlege, 
muss ich ihm in kurzem berichten, wie derselbe in jene Gesandtschafts- 
akten gekommen ist. 

An einem Maitage des Jahres 1582, in der Woche vor Exaudi, 
herrschte im Reinhartswalde, nicht weit von Kassel, ein reges Leben. 
Forstleute des Landgrafen Wilhelm von Hessen durchstreiften den 
Wald, um nach Wilddieben zu fahnden, die den besonderen Zorn des 
Fürsten und seiner Diener errregt hatten. Denn nicht zufrieden damit, 
das landgräfliche Wild wegzuschiessen, hatten sie übermüthig den 
landgräflichen Bediensteten, falls diese sie in ihrem Gewerbe stören 
würden, gleichfalls mit ihren Kugeln gedroht. Eine geraume Zeit 
schien die Jagd erfolglos zu bleiben, da gewahrte man hinter einem 
Baume einen Mann, der sich ängstlich zu verbergen suchte und eben 
dadurch einen im hohen Grade verdächtigen Eindruck machte. Als 
man ihn zur Rede stellte, was er an diesem Orte zu suchen habe, 



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gab er die Auskunft, er sei beauftragt, nach Trendelburg einen Brief 
zu bringen, wisse aber nicht, von wem und an wen derselbe sei. Auf 
näheres Befragen gab er endlich zu, dass ihm der Brief von dem 
Amtsschreiber zu Seesen, Johann Schoppe, übergeben worden sei und 
er damit sich nach der Brücke zu Trendelburg begeben und daselbst 
warten solle. Die landgräflichen Diener begleiteten den verdächtigen 
Fremden nach dem angegebenen Orte und versteckten sich in der 
Nähe, es erschien aber niemand, um den Brief abzuholen. Aus 
letzterem, der keine Aufschrift trug und in ChifFern geschrieben war, 
Hess sich über Inhalt und Adressaten nichts ersehen, so blieb ihnen, 
da die Sache doch einmal höchst zweifelhaft erschien, nichts übrig, 
als Mann und Brief an ihren Herrn, den Landgrafen, einzuliefern. 
Dieser fand denn auch bald heraus, dass der Brief in 23 verschiedenen 
Charakteren geschrieben sei, die Auflösung derselben wollte ihm indes 
nicht gelingen. Der Bote meinte, es habe mit dem Briefe nichts Ge- 
fährliches auf sich, derselbe sei, wie er glaube, ein simpler Liebes- 
brief und an Eine vom Adel bei Trendelburg gerichtet. Der Land- 
graf aber, keineswegs sicher, ob nicht dennoch etwas Bedenkliches 
und Gefährliches hinter diesem geheimnisvollen Schriftstücke sich berge, 
kam auf den Gedanken, den Landesherrn des gedachten Amtsschreibers, 
den Herzog Julius von Braunschweig- Wolfenbüttel, um Aufklärung 
anzugehen. Er liess daher durch einen Gesandten, welcher gerade 
damals mit verschiedenen Aufträgen von seiner Seite an den Herzog 
ging, denselben ersuchen, er möge den Amtsschreiber kommen und 
sich von ihm eine Übersetzung des fraglichen Schriftstückes, sowie 
einen Schlüssel zu den darin enthaltenen Chiftern geben lassen, damit 
man sehen könne, ob die Sache wirklich so harmlos sei, er solle aber 
kein grosses Wesen davon machen, um nicht möglicher Weise eine 
adlige Familie dadurch zu compromittieren. 

Der Herzog that nach dem Wunsche des Landgrafen, liess den 
Amtsschreiber zitieren und befahl ihm, den Brief zu entziffern. Es 
mochte den armen Menschen hart ankommen, das, was der Natur der 
Sache nach nur für eine Person bestimmt war, den Augen Fremder 
zu offenbaren, aber was halfs, er musste gehorchen. Er machte sich 
also an die Arbeit, und als das Resultat seiner Bemühungen empfing 
der Herzog nachstehenden Brief, den er sich beeilte, dem Landgrafen 
zu übersenden. 

Ehelike Leve undt hartlike Truwe in rechter warer Bestendicheit mit 
Wunschunge viler gelücklicher undt gesunder Dag tovore, min harte alder 
leveste Wifeken 1 ), da es Ju an Lifes Gesundtheit ock sonst in allem wolgiuge, 

*) So im Original, in der Übertragung ist statt dessen der unverfänglichere 
Ausdruck Harteken gewählt. 

Anmerkung: Der obige Brief ist nach dem chiffrierten Exemplar mitgeteilt, 
da die dabeiliegende Übertragung sich vielfache Wilkürlichkeiten gestattet hat. 
Einmal nämlich suchte der Amtsschreiber in derselben, wohl mit Rücksicht auf den 
Hof, seine Sprache dem Hochdeutschen möglichst anzunähern, und dann sehen wir 
ihn bemüht, einzelne Ausdrücke, welche auf die Natur des Verhältnisses ein gar 



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were mi eine uberutte grote Fruwde to erfaren. Ik wil jo nicht hopen, dat ick 
änderst ut Juwem Breve befinden werde, dar behode ini de getruwe Got vor, 
mine Persone, min Harteken, schole gi in gudem Wol(stan)de dise Tit von der 
Gnade Godes wissen. Deselbe frome Got wolde hinfnrter sine Gnade geben, dat 
wi jo nicht änderst eine von den andere(n) hören. Min harte alderleveste getruweste 
Honeken, mit wat bedrofeden Harten ick lestmals den Wech von Minden reit, 
dat könne gi nicht gelofen, ick was so bekümmert, dat ick den Dag negen Mile 
Weges feit, mi duchte, wen de Klopper den Weg vormocht hette, ick wolde 
sin bet hir gehende, eher ick wolde gessen oder drunken hebben, den mi vor- 
langede ganz na kenem Dinge, den nur alleine na Ju, ach wat is it ein feine 
Dinch, immer bisamende Wesen, den Scheiden, dat doit wehe. Sonst kam ick 
gar wol nndt one allen Schaden oder Far wedder to Hus. It weit ok kein 
Minsche, wohr ick gewesen. De Bode wüste selber nicht, wat he darvon segen 
scholde, ik mackede eme wis, ick durfte nicht openbar in de Stat und vorbot 
ime gleichwol, he scholde nicht änderst berichten, wegen he darum gefraget, 
den dat he were to Hameln mit mi gewesen, darsulfest hedde ick minen Fed- 
dern kegen mi bescheiden, dat also dusser Orter kein Seggendt darvon, Gotlob, 
ist. Wen es bi Ju ock also were, wi ick hoffe, muchte ick gern wünschen. 
Ick wil ock nicht twifelen, gi werden mi alle de Gelegenheit toschrifen. 
Weiter, min harte alderleveste, vertruwete Wifeken 1 ), so weit ick in dusser 
Orter kene nie Tidunge to schrifen, den dat ick up den Dindtag, wird sin der 
negentehende Dag Junii, to Wolffenbuttel mine Rechung doen werde und bin 
bedacht, wie ick ock albereit ins Werch gestalt, dat ick wil ferner anhalten 
umme Dinst in dat Stift von Minden oder hernacher in de Graveschop Hoia, 
dat were jo ein wenich neher undt kont biswilen up der Wesser up oder dal 
to Ju bi Nachttit komen ; wat ick dat erhalde, sollen Ju wol verstendiget werden. 
Ach min Honeken, wie gern mack ick bi Ju wesen ! Ach, dat leve Harteken ! 
wen ick daran gedenke, wi is den minem Harte so rechte wehe. Ja, ick 
mack wol seggen , dat de Bisamenkumpst de Lewe rechte wol erwecket undt 
durch alle Gleder dringet, man achtet es wol nicht so grot, wen man bi- 
e inander is, afer wen dat Scheden herander trit, so folet men recht aldererst, 
wat de Bisamenkunft dot. Ach, wat helfe ick so fil dusent Mal an de Wörde 
gedacht, undt wi wir uns mit einander vorbunden. Min Herteken, were ick 
dusse Stunde bi Ju an glegen Ortern, ick wolde Juwes Lifes so rechte wol 
plegen, wat is it doch ein ufel Werch, dat de nicht können noch mögen 
bi einander sin, de doch so gerne sodanes deden undt to fiele Malen 
mit Lüsten undt begerliken Harten wünschen. Ach, dat ick muchte de Tit 
erleven, dat wi in ein ehelich Levendt miteinander treten, so erst solde 
minem Harten wol wesen, undt dat it so bald geschege, dewele wi noch 
de Jugendt heffen undt uns der Weldt ein Titlanch to gebrucken hedden, nun 
wäret es jo fil to lange und gehet darüber unse beste Tit hin. Ach, du ge- 
truwer Got! Ist dein gnediger Wile, so foge es immer darhin, damit wi jo 
nicht mugen von dusser Welt scheiden in dussera elenden Levende, sonder in 



zu helles Licht zu werfen geeignet waren, durch andere, weniger verfängliche zu 
ersetzen. Man scheint aber bei Hofe doch hinter seine Schliche gekommen zu 
sein, wenigstens findet sich die Bemerkung, dass die Übertragung Mängel aufweise, 
welche man durch Vergleichung mit dem Originale zu verbessern gesucht habe. 
Die in Hannover befindliche Übertragung ist, wie eine Vergleichung mit einer daselbst 
vorhandenen Eingabe des Amtsschreibers erkennen lässt, nicht von dessen eigener 
Hand geschrieben, was ja auch erklärlich ist, da das Original an den Landgrafen 
geschickt wurde und man der Curiosität wegen eine Abschrift zurückbehielt. 
*) In der Übertragung steht dafür leveste Honeken. 




76 

einem sollichen Stande, de imme gefellich, das helffe uns der getruwe Got 
Mein harte alderleveste Honeken, ick wolde Ju lestmals von einer Altfmwen 
gesecht helfen, de rechte wol nehen kan, darto gar ein feine Wif von Lif 
undt Levende, gar geschicket, ock vorschweigen, dat mi dnchte, wo fere men 
desnlfen unvermerchet konde darhen handelen, it scholde uns drechlick sin. 
Sie is itsunde to Hildessem bi orer Mutter undt wer hibevorn bi Dideriche 
von Mandelschlo; wi der furm Jar gefangen wart, bat se mi, ick wolde se 
etwan an eine vom Adell vorschrifen , darup ick der Tit nicht wüste to ant- 
worten, sonder sechte, se scholde mi wedder anspreken laten, so wolde ick mi 
weider erclaren. Oft ich nun wol lest sodanes mit Ju reden wolde, so wete 
gi, dat wi do mer to donde, als wi Tit hedden, derhalfen es vorbleven. Wen 
Ju nu duchte rat, sie etwan kegen Michaelisdag, dat gi se denne hedde bet to 
Minden bescheiden undt sulfen mit or geredet, so konde jo nemandt etwas 
merken, gi konden ock wol kegen ander seggen, de von Steinbarge hedde se 
an Ju na Minden vorschrefen, darmit men doch Botschop desto foglicker mit 
einander helfen konde ; wen den gleich de Boden bisweilen up dat Hus komen, 
de frageden na der Maget und were desto weniger Fare darbi. Ick erkenne 
se für ein vortruwete Persone, undt wen Ju duchte, scholde gi se vorerst ein 
halb Jar utmerchen, darmit men dat Vortruwendt helfen kont. Min harte alder- 
leveste, de Botschop is jo unser beste Trost undt is uns so (rechte daran 
glegen. Derhalben denke ich es so) *) ofte, umme wi es muchte am alderbesten 
gemaket, dat it uns jo nicht tom Schaden gerathe. Dewele wi ock lest nenen 
Afscheit genomen, welcher under uns Termin na dusser Botschop solte ansetten, 
dat mi warlich seder oft geruwet, nach dem male de Bode tor Drendelborch 
weder umme geit, nun sol dut mine Bidde sin, wen ick in Juwen Breve keine 
ander Dage Tit finde, dat gi willen up den Dag Jakobi, wirdt sin der lif undt 
twintigeste Dag Julii, oder up den Dag Laurentii, wirt sin der tehende Dag Augusti, 
den Morgen umme negen Siegen Juwe Botschop an dussen sulfen Ort up de Brügge 
gewisse senden mit dem Worteken, dat Ju Bode möge einen Widenstruch, der los 
uppe sitte, in der rechten handt helfe. Befinde ick afer, dat in Jnwem Breve ander 
Termine sindt vormeldet, densulsen will ick nasetten und schöllet dusse den nicht 
gelden. Doch dat Ju Bode mege dut Worteken bruken, darmit de Bode nicht 
unrecht andrepe. Min harte alderleveste Honeken, gi willen der Hemmede, 
Snuptucher undt des (Arm) 2 ) bandes ingeriech tig sin undt latet mi den (sam- 
meten) 2 ) Hot dar oder to Minden sulfen make, als he wesen schal ; dat gefeit 
mi Iii lefer, den gi vorspreken mi lest mine Kleder, se weren nicht dogede 
maket, derhalfen stelle ick it Ju darmit heim. Min hogeste Trost negst Got, 
kan es leider dusser Tit nicht vorschulden, afer dusser Tit mit Getruweheit, ock 
hernach undt den, wen Got de Tit gift, Juwes Lives Pleger to sin nach alle minem 
hogesten Vormogen, den, Herre Got, ick mus in minem Harten bekennen, wat fil 
Gute undt Truwe mich von Ju wedderfaren. Ach, min einiges Fleisch undt Blodt 3 ), 
ick schrife up mine Vorplichtung, getruwe to sin, dat is min hogeste Eidt. Nnn, 
min harte alderleveste uterweites Wifeken 4 ), ick wil Ju dem gnadenreichen Gode 
to langer, ganzer Gesundheit befeien in der trostliken Hoffnung, dat ick kegen 
dussen Michaiis wedderümme bi Ju wil ankörnen, den da verlangede mi wol (dusse 
Stunde na) 6 ); wen idt sonst konde one Gefar schein, gi werde mi wol de 
Glegenheit to schrifen, wen Ju duchte, undt konde eher schein, ick wil mines 

*) Im chiffrierten Texte ausgelassen. 
2 ) Fehlt in der Übertragung. 
8 ) In der Übertragung Harteken. 
*) In der Übertragung Leveken. 
5 ) Fehlt in der Übertragung. 



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Lifes Jawendthalfen to wagen nicht schonen. Wen ick nicht in roiaes Hern 
Dienste were, wurde gi mi ock in dnssem Jnwem Brewe» den ick« gonde Got> 
wedderamme von dnssem Bode entfangen werde, am Ende nndt Orter be^cheideu* 
dem wil ick, so immer mugelich, nakomen, den ick weit wol, dat Ju werde 
von Harten seher vorlangen nndt jamern. Min fromes Honeken nnd forirnwetet 
Wifeken 1 ), gedenket Ju miner immerdar in Frude nndt Truwrieheit, dat wil 
ick eck don. Got, Got befolen, ach Here Got, hilf uns ut dnssem Levende, 
nnd dat wi jo mögen halde tosamende komen, bist Got, du kaust it so balde 
maken. 

Ju harte alderleveste (Man) *) wil ick sin nndt blifen (bet an 
den Dot.) 3 ) 

Der Landgraf mag gut gelächelt haben, als er inne ward, wie 
sein Verdacht, als ob hinter dem Briefe sich irgend ein hochgefahr- 
licher Anschlag verberge, in dieser Weise Lügen gestraft wurde. In 
heiterster Laune richtete er an den Herzog Julius folgendes Schreiben : 

Wilhelm von Hessen an Herzog Julius von 
Braunschweig 1682, Juli 21. 

Was dann nun den mitt Zieffern geschriebenen Brieff betrifft, da wir 
gewiss gewust, das es anders nichts als Buhlschafftt angetroffen, wolten wir 
den armen, jungen Tropfen, welcher ardentibus telis Cupidinis so hartt ge- 
schossen, bey E. L. nitt haben angeben. Bitten derowegen freundlich, K. L. 
wolten uns zu freundlichem Gefallen nihil Severins jegen ihnen statuiren in 
Betrachtung, das sie vor Zeyten in seinem Alter auch schöne Leutt lieb ge- 
habett. Sondern dieweill sie aus seinem Brieffe sehen, das ehr selbst, ein 
Abschew hatt, dermassen in der Unehe zu leben und Gott bittet, dass er ihm 
herrausser helfen wolle, E. L. wollen nit sein strenger Richter, sondern beyd 
seines leibs und Seelen Arztt sein undtt etwo mitt ihrer Cammer Megd oder 
sonst einem redlichen Medlein versorgen. So wird ehr erst entfinden , was 
vor ein differentz zwischen ehelicher und solcher Liebe sei undtt solch bene- 
ficium hoch halten undtt mitt allen Treuwen umb E. L. desto mehr in aller 
Underthenigkeit zu verdienen sich befleissen, dieweil sie ihn aus dem Ur 
chaldaeorum geholffen haben. 

Sonstett halten wir darvon, das man dit Sach umb beyderseitts ehrlicher 
Freundschafft willen soviel möglich supprimiere, damitt nit ettwo daraus Mordtt 
nund Jammer entsteht. 

Ein ärgerer Possen konnte dem armen Jungen kaum gespielt 
werden, als es mit diesem Vorschlage geschah. Sichtlich hatte die 
treue Liebe desselben und sein sehnsüchtiges Verlangen , endlich in 
geordnete Zustände zu kommen, den Landgrafen gerührt, aber ein 
Bürgerlicher und Eine vom Adel, das ging nicht, mochte das Ver- 
hältnis auch noch so weit gediehen sein. Auf die Geliebte Heines 
Herzens sollte er Verzicht thun und sich an irgend einem hübschen 
Kammerkätzchen schadlos halten. 

Was der Amtsschreiber auf solches Ansinnen erwidert, darüber 

*) In der Übertragung steht uterwaltes Harteken. 
*) Fehlt. 
a ) Fehlt 



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78 



fand ich leider nichts berichtet. Der Phantasie des Lesers bleibe es 
überlassen, sich auszumalen, wie er demselben in Treue widerstanden 
und durch diese Standhaftigkeit und etwa die Fürsprache der Herzogin 
Hedwig, Herzog Julius' Ehegemahl, die Vereinigung mit der Heiss- 
geliebten dennoch erreicht habe. Hoffen wir, dass ihnen diese Ver- 
einigung zu einer Zeit gelungen ist, da sie „noch der Jugend hatten 
und sich der Welt eine Zeitlang zu gebrauchen u in der Lage waren. 



Zu Pseudo-Gerhard von Minden. 

Fab. XXIII, 31 f.: 



Was beisst an tornen dagen? Die Stelle ist bereits von verschiedenen Seiten 
erörtert worden, ohne dass bisher eine wirklieb befriedigende Erklärung vorge- 
schlagen wäre. Das mndd. Wb. IV, 580 b führt torn als Adjectiv zweifelnd an 
und belegt es nur durch obige Stelle. Im A. f. d. A. V, 243 erklärt Strauch das 
Wort torn für dunkel. Seine Vermutung, dass in an tornen das hd. untorn, 
nd. undorn stecken könne, ist abzuweisen, richtig dagegen erkannte er, dass es 
sich um eine Zeitbestimmung handle. Ebensowenig einleuchtend ist Sprengers 
Vorschlag (Progr. Northeim. 1879 S. 5), nemlich entweder tornen als Contraction 
von tovernen zu fassen oder zu lesen darna begunde an tovernen dagen. 
Geleitet von der Annahme, dass in tornen wahrscheinlich eine Verderbnis 
vorliege für ein ähnliches, eine Zeitbestimmung enthaltendes Adjectivnm, dass 
wir etwa zu erwarten haben 'bald darauf oder 'wenige Tage nachher 1 , ergab 
sich mir als die nächstliegende Besserung corten. Man würde anstatt an besser 
na setzen und demzufolge lesen: 

Darna begunde na horten dagen 

De konnink den sulven lowen jagen . 

für diese Vermutung spricht Fab. XVI, 27—28 



Kort in der Bedeutung von Wenig bei Zeitangaben belegt das Mndd. Wb. II, 541 a. 
20 ff. binnen corten jaren. etc. Im MHD. Wb. I, 917 a, 22 ff finden sich Be- 
lege für bi y in, %e, kurzen tagen. Vgl. auch Karlmeinet 4, 40. Hölscher, Lieder 
S. 61, 10. 



DÜSSELDORF. 



W. Ribbeck. 



Darna begunde an tornen dagen 
De konnink den sulven lowen jagen . 



Darna sint na unmennigen dagen 
Begunde des landes here jagen . 



CAMBRIDGE. 



Karl Breul. 



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79 



Zum SündenfalL 



Sprenger hat bereits im Nd. Jahrbuch XIV, S. 148 ff. eine An- 
zahl Stellen im Sündenfall behandelt, und zwar ganz in dem Sinne, 
wie ich sie zu behandeln gedachte. Bei einigen bin ich jedoch ab- 
weichender Ansicht, andere sind unbesprochen geblieben. 



Sprenger liest: Alles dinges bin ek wol vorvaren. 'Jedes Dinges bin ich 
kundig/ Wenn dies richtig wäre, so würden die V. 165 — 170, die inhaltlich 
zusammen gehören, nichts anderes besagen als die V. 171 — 175, deren Gedanke 
ist: vor my en kan tiein dink verborgen wesen. Wenn hier Gottes Allwissenheit 
hervorgehoben wird, so soll meines Erachtens in V. 169/70 Gottes Allmacht betont 
werden, dazu passt aber Sprengers Verbesserung nicht. 



Zunächst ist hinter vorstoiden ein Komma zu setzen. Weder Schönemanns 
Erklärung 'hüten 1 noch die des mnd. Wtb. 'mit Brod versehen' noch die Spren- 
gers 'behüten 1 treffen das richtige, broiden steht mit Umlaut für broden = brüten, 
erwärmen, hegen und pflegen, fovere. Ich tibersetze: 'Ach wenn sie es alle 
recht wüssten, mit welcher Liebe wir sie hegen. 1 broiden ist keineswegs zu 
streichen. 

267. Van der wegen lide gy mine klage. 
Statt mine ist mine zu lesen, wie das folgende sunder deutlich anzeigt. 

359. Des meine ik } de si hir mede, 
De sinen munt nu uppen dede y 
Dassen danken my to berovende, 
Der jennen de my plegen to lovende. 

In V. 360 möchte ich up en dede lesen. V. 361 ist dussen danken (hdsch. 
denken) kaum zu halten, sollte nicht dussen dank zu lesen sein? en könnte 
aus V. 360 herübergenommen sein. Am Ende v. V. 361 ist das Komma zu 
streichen. 

502 lese ich: 

Minen stol wil ek my nemen, 

Bi gode selten, dal mach my lernen, 

509. War en werstu ersten scon unde klar ! 

Stat war lese ich wat: 'Was warst du vorher nicht schön und klar'. 

Nach V. 542 scheint etwas zu fehlen, wie der Reim andeutet, vielleicht 
nur ein einziger Vers, der etwa so gelautet haben wird: men se heft om nicht 
genoiget. 



V. 169. Alles dinges will ek wol erwerven, 
Nein dink kan me vor my sparen. 



204. Och wan se it alle recht vorstoiden, 
Wu lefliken wy se broiden. 




so 



665. De scult en is nu nicht allem. 

Statt nu ist wohl myn zu lesen. 

670. Unde wy hadden alle grole ere. 

In der Hds. fehlt wy, es ist wegzulassen, s. Seelmann z. Gerhard v. 
Minden S. 166/67. Ebenso ist ik V. 1323, he V. 2233 zu streichen. 

691 ist zu interpungieren : 



Heddetjuwe gude wille nicht gewest, 
Oy hedden mit my dat erlike nest 
Verscheten, 

695. Dar umme mote wy scaden unde vromen, 
To hope stan an einem hope. 



Sind scaden und vromen Infinitive oder Substantive? Fasst man sie als 
Inf., so lässt sich stan nicht gut konstruieren; sie als Subst. von stan abhängig 
zu machen, wie ähnlich eventur stan gesagt wird, erscheint unzulässig. Unwill- 
kürlich wird man an die formelhafte Wendung erinnert : it si schade efte vrome, 
(R. V. 923), die ich hier in etwas veränderter Gestalt wiederzufinden glaube. 
Ich setze daher hinter wy ein Komma. 

738 ff. lese ich folgendermassen : 



In 739 scheint hebben aus V. 740 irrtümlich herübergenommen zu sein. 
785 scheint gelesen werden zu müssen: 



809 lies Dem sin gelik statt de sin gelik, 

824. Icht dat flesk en soden wolde, 
Dat der sele wat anne scolde. 

In anne scheiut ein Fehler zu stecken, ich möchte statt dessen anden 
lesen = 'schmerzen'. Vergl. mnd. Wtb. VI p. 16, ande = 'Kränkung' ; mhd. ande 
= 'schmerzlich 1 und mich andet = 'mich kränkt, schmerzt'. Mhd. Wtb. I 34 und 
35. Gr. Wtb. I, s. v. ahnden: lasset euch mein red nicht anden. Fastn. 337,7 
bedeutet 'nicht leid sein, nicht verdriessen'. Sollte anne vielleicht = anne und 
dieses die assimilierte volkstümliche Form für anden sein? 



885. Ek wil dy aller wuchte macht geven, 
De de sint in äussern paradise ; 
Aver allene van äussern rise 
Scaltu nicht breken edder etenf 
Deistu dat, so scaltu wetten : 
In welker stunde du dat bedervest, 
Des ewigen dodes du denne stervest. 



Über bedervest in V. 890 finde ich nirgends etwas. Dass es nicht von 
bederven 'bedürfen, nötig haben' herkommen kann, scheint unzweifelhaft. Dat 
in 890 ist das Verbot, von dem Baume zu essen; bederven wird im Sinne von 



De sint nu so vormeten unde steil, 
Dat se mit iuk nu neinen deil 
Mögen hebben edder krigen. 



TJppe dat iuk vorder kundich werde (: erde) 
De underscedinge unser scippinge. 




81 



verderven = 'zu Grunde richten, verletzen 1 gebraucht sein. Vergl. V. 3649 : In 
welker stunde werde gebroken Juwe bot in dem paradise. Das innd. Wtb. kennt 
nur bederven 'berauben, plündern'. Vergl. Gr. Wtb. s. v. bederben. 

982 ist das Fragezeichen durch einen Punkt zu ersetzen. 



In V. 984 ist entweder en zu streichen oder es ist für iu verschrieben. 

990. Ach, dusse appel is so sotef 
Adam, dat is alto hote. 
Hir umme so num unde smecke, 
Uppe dattu nicht menest, dat ik dy gecke. 
Schönemann erklärt to hote sin 'zur Vorsicht dienen 1 , das mnd. Wtb. höt 
als 'heiss 1 . Letzteres ist offenbar verfehlt. Das erstere könnte vielleicht einen 
Sinn geben, wenn man übersetzt: Adam, das dient alles zur Vorsicht (sei. damit 
wir nicht davon essen sollen, vergl. V. 984). Da hier aber von der Süssigkeit 
des Apfels die Bede ist und Eva dieselbe so rühmt, dass sie fürchtet, ihr Mann 
könnte meinen, sie wolle ihn zum Narren haben, so vermute ich , dass zu lesen 
ist, dat is alse hotte = 'Das ist (schmeckt) wie (süsse) Milch 1 . S. mnd. Wtb. s. v. 
hotte, sapa, hotte, smant, vlod. Vergl. heutige Wendungen wie: dat schmeckt 
wi flot. 

1157 ff. sind zu interpungieren: 

We ein dink to vorne bedechte, 
Wu it na komm möchte, 
So hedde it wol na gebleven, 
Dar umme wy sint also vordreven. 



Statt hauwen schreibt Spr. thauwen 'eilen 1 . Adam sagt 1163: Wir wollen 
ein Handwerk beginnen, ich will hacken, du sollst spinnen. Eva erwiedert: 
Lieber Adam, ich will stets bei dir bleiben, es gehe uns wie es gehe. Unser 
eins verlässt den andern nicht. Wir fangen an in Gottes Namen. Noch heute 
wird lienlwuen in dieser Bedeutung gebraucht. 

1339. Ach leve vader, mek is nicht lede. 
Ik bin beret nacht unde dach, 
Unde don umme dy, wat ik vormach. 
Hier steht don für ik do, ebenso V. 3345 ik bewenen. 

1420. Dat ik den rechten weg möge keisen. 
Das hdsch. dar statt dat ist beizubehalten. 
1449 ist statt in stunden besser in den stunden zu lesen. 

1456. Hör seth wat dat kleine kind mende, 

Dat dar uppe deme bome sat unde wende, 
De da vordroget stot. 
Statt vordroget hat die Hds. vor droge und dies ist das richtige. Der 
Baum ist nicht vertrocknet, er sieht nur aus wie trocken. 

1497 und 1498 möchte ich folgendermassen lesen: 

Se ok, dattu nicht en vorgetest, 
Wan du on leggest in dat graf : 

Niederdeutsches Jahrbuch. XV. 6 



984. Wente he heft en on hir umme vorboden, 

Ete gy hir van, so werde gy gelik den goden. 



1171. Wy hauwen hen in godes namen. 




82 



1546. Dat ander dat ik mene, 

Hetet geon unde en is nicht kleine, 
ühde vlut in ethiopien, 
Nar de swarten luden hen. 

Statt nur hat die Hds. dar, das wohl für dor verschrieben ist. 

1551. ühde lopt in lant van asia. 

Statt in lant ist wohl in dat land zu lesen. 

1628, Wu wy möge wegen werden verlost ist wegen zu streichen. 

1665. Ik bidde, dat gy nicht to endeclcen, 

Ik en mote minen vader sulven strecken. 

Spr. will lesen: ik bidde, dat gy nicht to en decken. Dies ist nicht 
richtig, es muss vielmehr en aus V. 1666 in V. 1665 gesetzt werden: ik bidde, 
dat gy en nicht to endeclcen. 

1785. Statt Boven dattu bist also bereit 

ühde bewisest uns dine Barmher ticheit. 

lese ich Boben dat bistu also bereit. 

1796 ff. lese ich: Ik mene, dat he si angekomen, 
De rechte girige dwas, 
In dem water wor up en as. 

ankörnen up fehlt im mnd. Wtb. 

1811. Ek wil mine arme hen utstr ecken, 

De duven hir wedder in hen trecken. 

Statt in hen ist wohl hen intrecken zu lesen. 

1822 lies: De duve kumpt nu mit einem gronen twige. 

2098. Unde hope dat my des nemenl vorkere 

ist dat, welches in der Hds. fehlt, zu streichen. 

2437 lies: Or kint dat sterf in einer nacht, 
Dat lieft se an min bedde gebracht. 

2752 ff. müssen folgendermassen interpungiert werden: 

Irluchtede forste, bedenket juwe geste, 
De gy so befliken hebben geladen, 
Vorderl se unde helpet on draden, 
Ik merke, se hebben bedreplik werf. 
Wente dar an licht dig unde vor der f 
Nicht einerleie allene, 
Sunder aller werlt gemeine. 

einerleie — eines (einzigen Menschen) allein, abh. von dig vorderf. Dar 
an, d. i. an der baldigen Hilfe. 

2787. Wy hopen, he wille nicht taten 

Baden, wat dem mynschliken siechte möge baten. 
Es kann nicht heissen: 'er wolle raten lassen', da er (der König) selbst 
Rat erteilt, sondern 'er wolle nicht unterlassen zu raten', laten mit dem Inf. 
in dieser Bedeutung fehlt im mnd. Wtb. 



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83 



2801. Frunde, nu sint wy hir gesamet 

Und liebbet hir eines dages beramet, 
Dat gy wisheit mögen beren 
Unde alle tit dat beste vorkeren. 

Statt beren in V. 2803 ist wohl leren zu lesen, vergl. V. 2806. 

2988. Dut jammerf dat kindelin sin. 

Statt dutjammer, wofür Spr. mit jammer vermutet, Hesse sich vielleicht 
dut sclial vor war einsetzen. 

3114. Oristus de schal werden geborn 

To Betlehem, alse ik hebbe gehom. 

Das Ptc. geliorn ist auffällig. Wenn es sicher wäre, dass der Reim im Sün- 
denfall stets richtige Formen böte, so hätten wir hier ein Beispiel, dass es 
auch ein st. v. hören gab, wie ich es aus dem heutigen Imperf. hör in der 
Kattenstedter Mundart folgern zu können meinte, s. Germania XXXIII, p. 437 ff. 

3520 ff. sind folgendermassen zu ändern: 

Du machst wandelen mine scJiemende, 
De ik hebbe geleden twar 
Van ruben in dem tempel, dar 
Wy stunden to dem festdage. 
Here, vor war ik vorder sage: 

3654. Her Vader, warwordich schulte gy wesen, 
Unde tatet den mynschen nicht genesen, 
Dat lie so vromede bede genete. 

Spr. tibersetzt V. 3656 : 'so dass er den Vorteil von so befremdlicher Bitte 
hat. 1 vromede bede ist aber keine 'befremdliche Bitte 1 , sondern eine 'fremde, die 
Bitte eines anderen 1 . V. 3615 ff. erbietet sich Michael dem David zu dienen, 
er bittet für ihn bei Gott, und Gott gewährt die Bitte des David um Michaels 
willen, V. 3629 : 

Michahel, du scalt des wesen mechtich, 
Nu du mede biddest also. 

3709 ff. sind folgendermassen zu interpungieren : 

Wente dat ik hebbe gesproken, 
Dat sclw} bliven unvorbroken 
Michahele und davite. 
Des will ik liebben neine wite. 

3829. Nu sit wilkomen, min leve trut, 
Joachim, gy setten my lange ut. 

Über die Bedeutung von utsetten habe ich nichts finden können. V. 3507 
ff. wird berichtet, dass Joachim voll Verdruss über deu ihm gewordenen Hohn 
von seiner Frau Abschied nimmt und wieder zu seinen Schafen geht. Erst jetzt 
kehrt er wieder zu ihr zurück, utsetten ist daher 'sich nicht bekümmern um 
etwas, vernachlässigen 1 , hier wohl zugleich mit Bezug auf den Geschlechtsverkehr. 

3868. Ik weit, dine gotliken kraft 

Alle dink van nichte lieft upgebracht, 
Unde dat lie van nichte lieft geformeret 
In gotliker wisheit he dat regeret. 

6* 



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In V. 3870 ist statt des Punktes ein Komma zu setzen. Statt äine in 
V. 3868 ist sine zu lesen, David redet mit Michael, vergl. V. 3874. 

Zum Wörterbuche bemerke ich noch: Ebenso wenig wie broiden sind 
Jiottde und moud zu streichen. Dass hier ein Schreibfehler vorliege, ist leicht 
gesagt aber nicht erwiesen, und an sich schon unwahrscheinlich. Im Korrespon- 
denzblatt f. nd. Sprachf. IX, p. 91 habe ich schon die Vermutung ausgesprochen, 
dass ou for 6 stände, wie heute maud für möd auch in der Gegend um Ein- 
beck, also in der Heimat des Dichters des Sündenfalles gesprochen wird. Dass dieses 
ou schon in so früher Zeit vorhanden war, unterliegt für mich keinem Zweifel. 
Hierüber verweise ich auf meinen Aufsatz über die Sprache der Urkunden von 
Ilsenburg und Halberstadt, der in der Germania erscheint. Die Formen moud 
und houde gehören dem Volksmunde an, gerade so wie keie, freide, iok für juk 
V. 3937. Aus iok ist das heutige jök entstanden. Der Sündenfall bietet manches 
Mundartliche, worauf bis jetzt noch wenig hingewiesen ist, der Dichter hat 
offenbar Rücksicht auf das Publikum genommen. 

BLANKENBURG a. H. Ed. Damköhler. 



Zu Johann Laurembergs Scherz- 
gedichten. 

Trotz der Verdienste, welche sich nach Lappenbergs Ausgabe E. 
Müller und Fr. Latendorf, W. Braune und zuletzt Gering um die Er- 
klärung der Scherzgedichte erworben haben, scheint noch manche Stelle 
nicht genügend erklärt zu sein. Nachdem neuerdings die gleichzeitige 
dänische Übersetzung durch Dr. J. Paludan (Kj0benhavn, Thieles Bog- 
trykkeri) herausgegeben worden ist, wurde die Möglichkeit geboten, 
sie bequem mit dem Original zu vergleichen. Wie zu erwarten, er- 
gab die Vergleichung sowohl direkt manchen Beitrag zur Erklärung, 
wie sie anderseits zu erneuerter Betrachtung mancher Stelle anregte. 
Was sich mir bei dieser Arbeit ergeben, teile ich hierunter mit. 

Zum ersten Scherzgedicht. 

V. 19. in einem Becker, Druckfehler für einen; dän. : udi en anden Bagger. 

82. Den Namen des Schosshundes: Swaenke mit dem ostfriesischen 
Frauennamen Swaneke, der auch in den Formen Swan, Swane, Swanke, Swantje 
vorkommt, zusammenzustellen, scheint mir nicht passend, ich stelle ihn vielmehr 
zum mnd. adj. swank, leicht, hurtig, beweglich, swanke als adj. und adv. er- 
scheint noch heute im Westphälischen ; vergl. Woeste S. 264, swank 'elastisch' 
auch bei Schambach. In Quedlinburg fand sich der Familienname Schwenke, 
einer aus Holstein stammenden Familie. Die Originalausgabe hat ein Sw. st. 
min Sw. was auch in den folgenden Ausgaben bis 1670 (bei Braune) wiederge- 
geben ist. Nachdem neuerdings ein als Demonstrativpronomen nachgewiesen ist, 



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85 



brauchen wir an der Richtigkeit desselben nicht zu zweifeln. Die dän. Über- 
setzung hat: Fy det haffver Bijncke giort. 

159. lüsken speter. Die dän. Übersetzung hat, entsprechend Dedekinds 

Länseknikker : Luuseknceker. 

161. Snappentbtel. Auch ich halte diese Lesart für die richtige, erkläre 
es aber nicht als scherzhaftes compositum sondern als Zusammensetzung aus den 
Subst. snap und tbtel (s. Braunes Bern.). Zu ersterem vergleiche ich dän. Snavs 
'IMath'. Die Übers, hat klat. 

166. Pinckepanck findet sich noch hier als Familienname eines Schmiedes. 

168. Bat du dem Buvel bist gelopen üt der bleke. 

Dass wirklich 'Bleiche' gemeint ist, geht aus V. 453 und 485 der Schau- 
spiele des Herzogs Heinrich Jul. von Braunschweig hervor, wo von einem Mohren 
und einem Köhler gesagt wird: Ghy sihet ut, als wann ghy dem duifel wert 
uth der bleike enthpen. Die dän. Übersetzung hat: At du fra Ilelffveds Ild 
er kommen ud for sande. 

203. Bat geit so rundt herum, gelick als in den Schrencken 
Wen nichtes nies mehr de Ehrgitz kan erdencken. 
Fangt he van vbren an: glyk als ein welig Peert, 
Bat in den widen Kreis sick kunstlik tummeln lehrt. 

Braune erklärt im Glossar: Schranck m. ? I, 203 (mnd. schrank n.) 
Schranke, Gitter, Verschluss, hier wohl von einer umhegten Reitbahn.' Da das 
Gleichnis vom Pferde in der Reitbahn in den vorhergehenden Versen ausgeführt 
wird, so halte ich diese Erklärung nicht für stichhaltig. Der dänische Über- 
setzer gibt den Vers folgendermassen wieder: 

Bet gaar saa rundt omkring , som glas pau lystig Baencke 'Som Glas 
(Skaaler ved et Gilde) 1 erklärt der Herausgeber. Der Däne hat also Schrencken 
== mnd. schrangen, später auch in der Form schranken Tische oder Bänke, 
um etwas zum öffentlichen Verkauf darauf zu legen,' gefasst. Ich glaube, dass 
er als pl. von schrank in der Bedeutung: vergitterter Raum im Wirtshause zu 
fassen ist, wie sie noch jetzt entsprechend dem süddeutschen ' Herrenstüble' , in 
Norddeutschland sich finden. Der Übersetzer hätte also den Sinn der Stelle richtig 
gefasst. 

203. mit solken leckerbeten. Das auffällige mit wird bestätigt durch die 
dänische Übersetzung: ved saadan laecker Bidsken. 

849. Pekelmütz. Man denkt bei diesem Worte zunächst an das hochd. 
Pickelhaube (s. Weigand II, 349), das auch im mnd. als pekelhuve (Sch. L. III, 
314) sich findet, und wirklich hat der dän. Übersetzer es auch so verstanden; 
er setzt dafür 'Pickelhu'. Schon Braune (s. Glossar seiner Ausg. S. 106) hat 
jedoch mit Recht von dieser Erklärung abgesehen. Wenn er aber den ersten 
Teil als mnd. pekel f. = „Salzbrühe zum Einmachen des Fleisches* fasst, so 
spricht gegen diese Erklärung schon der Umstand, dass sich im nd. PeMeZ-Mütze 
belegen lässt. Auf das Vorkommen desselben wurde ich zuerst aufmerksam durch 
eine Bemerkung in Schm eller-Frommanns bair. Wörterbuche, I, 202. Das von 
ihm citierte Bönelzenbok ist, wie mir Dr. Ernst Jeep freundlich nachweist, eine 
Sammlung niederdeutscher Schwänke, zusammengestellt von Karl Friedr. Arend 
Scheller, Hamburg 1829 (vergl. Goedeke, Grdriss III, 2. Abth. 1881, S. 771). 
Die Stelle lautet: 

Wat is dat? „To R . . . m im förstendöm H . . . d let de parner in 



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86 



der kinderlere de tein bode na der rege hersäggen, un kwam darby an enen 
lütjen, de hadde sine hände fölt over de mütse, de tohopeknäperd was. Do de 
junge avhalven kek, so fatete de pape ön up de hände un frög: Wat is dat? 
— De junge vorferde sik igteswat, un stötterde: „Og, og! dat is mynen fader 
syn dips, ek kon minen pekkel nig finden!" Der ebendort gefundene Verweis 
auf Firmenich, (Germaniens Völkerstimmen) I, 176, 58, wo aus dem Braun- 
schweigischen angeführt wird : „ Toog fam Koppe den Pekkel" veranlasste mich, 
dort nachzuforschen, ob das Wort noch erhalten ist. Meine Anfragen führten zu 
keinem Ergebnis; das Wort scheint nicht mehr zu leben. Dagegen kennt noch 
die Groningensche Mundart (vgl. Molema, Wörterbuch d. Gr. Mundart. Wörter- 
bücher des Vereins f. nd. Spr. III, 313) den Pekel in dieser Bedeutung. Was 
die Erklärung des Wortes anbelangt, so weiss ich nicht, wie Schmeller dazu 
kommt, den niederdeutschen Pekkel (Pekel) als lederne Haube zu erklären; 
aus den von ihm citierten Stellen geht sie jedenfalls nicht hervor. Natürlicher 
als an Pekel 'Salzbrühe' zu denken, schien es mir früher den ersten Teil ans 
Pech, Tech' (mnd. pek. Sch.-L. III, 313) zu erklären (wo denn el die bekannte 
mnd. Bildungssilbe wäre), um so mehr, da man noch jetzt von pekigen (klebrig- 
schmutzigen) Kleidungsstücken spricht. Da derselbe aber jetzt als selbständiges 
Wort nachgewiesen ist, so sehe ich von dieser Erklärung ab. Noch erwähnen 
will ich, dass Stürenburg (Ostfr. Wb. S. 176) das ostfriesische Pikkkappe „von 
der spitzigen, pikförmigen Gestalt oder von einem Pech- oder pechähnlich glän- 
zenden Anstrich" erklären will. 

383. Hed ick dat nicht gedahn, ick hedd oftmahls gekregen 
Hurllputzen, ock wol offt must kamen vhr den Degen, 

Hurrlputxen , welches im Niederd. sonst nicht belegt ist, will Braune 
durch Schelte erklären. Gemeint ist wohl Wortstreit, der zum Duell führt. Der 
dän. Übers, gibt die Verse wieder: 

Haffd' jeg det icke giort, da hanxT jeg maat omspringe 
For Naeffve Pust, ja tjt vel m0det for en Klinge; 

Zum zweiten Scherzgedicht. 

125. Damit de idt en nicht wolden to glbven, 

De konden idt sxdven sehn, fbhlen und prbven. 

Braune vermutet, dass to Druckfehler für so sei und übersetzt: 'Die es 
nicht so schon glauben wollten 1 . Das to wird jedoch geschützt durch Ver- 
gleichung von J. Strickers Düdeschem Schlömer V. 1145 Dat schal menjuw tho 
gl&ven so; vgl. auch mnd. to-loven, zuglauben, zutrauen (Mnd. Wb. IV, 572). 

171. Du deist schyr alse uns vortellde Lemke Bökeln , . 

Wenn Dedekind bemerkt: „Lene Beukeln ist ein Weibes Nähme auf 
Kopenhagensch gebräuchliches Deutsch" , so ist dies olfenbar eine leere Ver- 
mutung, denn die dänische Übersetzung hat nur: Du bar dig saadan ad, smn 
Leene siger mig. Bökel ist übrigens ein in Quedlinburg vorkommender Per- 
sonenname. 

219. bedden. Auch ich kann nicht umhin, mit Müller diese „willkürlich 
combinirte Infinitivform für einen Druckfehler der Originalausgabe zu erklären. 
Auf Bedde lässt auch die dän. Übersetzung V. 215 schliessen: Frater Viet sig 
hos hende lagde nced. 

273. Ick weet idt sehest wol, dat sick dat nicht bebühret. 



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So ausser dem Orig. auch Braunes % und ß. Von den Herausgebern ist 
aber bebbhret nach den späteren Ausgaben in gebühret geändert worden. Ich 
glaube mit Unrecht! Lauremb. lag wohl zunächst die dänische Redensart det 
her dg „es gebührt sich, gehört sich" im Sinne, (vgl. die dän. Übers. V. 265). 
Aus dän. sig bor bildet er nun ein Compositum sick bebhhren, ebenso, wie er 
aus dän. locke ein Compos. belocken bildet; vgl. zu V. 751. 

348. beskemen, 'täuschen, betrügen. 1 Die Übersetzung hat (V. 340) 
bedrage. 

395. Einsmalt ward he gewahr dat Volck in groter mengen, 
De segen tho wo mm wold einen Deeff uphengen 

segen tho 'strömten dahin', vgl. mhd. zuo-sigen 'gleichsam strömend sich 
bewegen von grossen Volksmengen' Lexer II, 917, Mhd. Wb. II 2 , 266 a. Die 
Übersetzung hat: 

Som hand en gang bleef wat at Folck i stsere msenge 
Lob hen at vilde see hvor mand en Tyff skuld' hsenge. 

397. schfoi lanck Haar, gehl als ein Avenlock, 

Den eigentümlichen Vergleich hat der dän. Übersetzer (V. 389) geändert: 
deiligt Haar, guult som en Jomfru Lock. Der Vergleich ist wohl scherzhaft 
gemeint. Der Dichter will eigentlich sagen: 'schwarz wie ein Ofenloch'. 

405. hyr kann dem Zusammenhange nach nur = 'heuer, in diesem Jahre 1 
sein ; vgl. mnd. hure. 

603. De Neier sehen und kusche Wascherinnen. 

Aus kusche Wascherinnen hat die Bremer Ausgabe von 1700 (durch 
Braune mit i bez.) Kussenwascherinnen gemacht, und diese Lesart wird von 
Müller im Zerbster Programm 1870, S. 27, für das echte gehalten. Das kusche 
der Originalausgabe wird auch durch die Übersetzung (V. 593) geschützt: De 
Sßmmersker saa kysk' oc Vaskerqvinder saa. Sollte der Verfasser demnach 
nicht geschrieben haben : De Neierschen so kusche und Wascherinnen . . .? 

719. Ein deel verändert is, und hefft Quarteer genahmm 
In ein lank Nunnen Kleed der Adelicken Dahmen. 

Die Orig.-ausg. hat den Druckfehler de Adelicken. Der dän. Übers, hat 
aber die Verse richtig verstanden; vgl. 709. 

En Deel forandret er oc monn 1 Qvarteer bekomme 
I Nunne Kapper lang blandt Fruentimmer fromme. 

fromme wohl dem Reim zu Liebe. 

725. Speckhbkers, Klempeners 

Fohrlüde, Timmerknecht, Scholappers Hudelers . . 
Die dän. Übersetzung (V. 715) hat: 

Spccckhbcker, Sudeler 
Vognmcend oc Timmerkncect, Scoelapper, Hudeler. . . 
Der unreine Reim Klempeners: Hudelers ist auffällig, auch ist Klempener 
in älterer Zeit auf niederdeutschem Gebiete nicht bekannt. Da Sudeler, das 
auch von Paludan falsch erklärt wird (Suder, Sudrer : Skomager), kein dänisches 
Wort ist, so halte ich Klempeners für einen Setzerfehler und glaube dass 
Lauremberg geschrieben hat: Sudelers d. i. 'Garköche'. 



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751. Wen eine Courtisan sich laten had belocken, 

Edr was gar ungestalt van eren Landsmans pocken 

Diese Verse sind bisher nicht verstanden, belochen erklärt Lübben im 
Mnd. Wb. durch 'verlocken 1 , was aber nicht in den Zusammenhang passt. Die 
dän. Übersetzung (741 f.) gibt die Verse folgendermassen wieder: 

Naar nogen Courtisan sig hafde ladet locke 
Eller forderffvet vaar, af deris Landsmand Pocke, 

lokke en Pigge heisst 'ein Mädchen beschlafen 1 und diese Bedeutung ergibt 
sich auch für das von Lauremberg vielleicht neu gebildete belocken. Den fol- 
genden Vers hat auch der dän. Übersetzer nicht verstanden. Zwar hat es ihm 
fern gelegen, bei Pocke an 'französische Pocken, Syphilis 1 zu denken, wie der 
Herausgeber will, er scheint vielmehr darin einen Personennamen gesehen zu 
haben, es ist ihm aber wunderbarer Weise entgangen, dass wir hier ein be- 
kanntes dänisches Wort vor uns haben, nemlich „Pog e?i, Junge, kleines Kind 
männlichen Geschlechts". Wenn der Dichter dieses Wort in sein Niederdeutsch 
übernahm, so hat ihn dabei wohl der Umstand mitbestimmt, dass in dieser Mund- 
art schon ein ähnliches Wort in gleicher Bedeutung, nemlich pök, (vgl. Scham- 
bach nd. W.) vorhanden war. Dän. g verwandelt Lauremberg regelmässig in 
ck, vergl. z. B. Huck III, 144 = dän. hug. — Der Sinn der Stelle ist nach 
diesen Erklärungen deutlich. 

785. Thom Schiepe konde gy vam Sammit ßrdern mehr, 
Und schmiten in dat Oeg thom minsten ein qvarteer: 
Ock schriven, item noch ein halff Loht geh Side } . . . 

Die Übersetzung hat V. 775 ff.: 

Fil Struden kandst du oc äff Fleglet fordre meer 

Oc vel til din pro fit beholde et Qvarteer, 

Oc scriffve: Item nock et halfft Lod Silke guule . . . 

Diese Interpunktion gibt der Stelle erst die rechte Klarheit und ist auch 
im niederd. Text einzuführen. 

790. ein sthffken Rynschen Wyn, 

Von dem dar noch nicht is de Frantzmann tho gestegen 

Dedekind hat den V. 791 falsch übersetzt, der dän. Übersetzer hat ihn 
ausgelassen. Braune vermuthet, dass es heisse : solchen Wein, den die Franzosen 
nicht (im Kriege) geraubt haben. Könnte es nicht auch heissen : Wein von der 
Sorte, dessen Geburtsort die Franzosen uns noch nicht entrissen haben? 

Zum dritten Scherzgedicht. 

96. Ein jeder de idt (sc. die Kleidertracht) hhrt, kant tichtlyk 
under scheiden 

Müller S. 27 (vergl. Braunes Bern.) bemerkt richtig, dass man dem Zn- 
sammenhange nach de idt siidt erwartet. Dass jedoch hhrt vom Verfasser selbst 
geschrieben und durch einen Gedankensprung von der Sprache zur Kleidung zu 
erklären ist, beweist auch der Wortlaut der dän. Übersetzung: 
En hver som saadant h&r kand lsetlig kiende 

232. en idt wehre des Hern sin wille, 

Wolde he den sollen Dhrsch howen in stucken 
Und den Stockfisch mit den Negeln placken. 



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Heisst das: den Stockfisch mit seinen Nägeln zerreisseu? Wenigstens der 
dän. Übersetzer (V. 230 ff.) fasst es so: 

Om det nu icke , mar imod den Herris ville, 

Hand da den Saite Torsk vild' hugge udi stycke, 

Oc med sin Ncegle smaa os smuct den Stockfisck plycke 

vergl. Plückefincken I, 391 mit Braunes Anm. 

265. praten. Dän. Übers. V. 267 Prate. 

278. vaten = 'nehmen 1 ; mhd. vazzen. Dän. Übers. (V. 280) faae. 

332. Mit einem Spanschen Beed. Beed 'Rohr' hat der Däne mit Bed' 
„Rede" vgl. V. 359 verwechselt; Oc Fogden hastelig med Spanske Ord monn' 
gäbe oc sagd'. 

378. De de Frantxbsche Sprack had hiipwh ingenahmen. 

h&pich entspricht nicht dem nhd. Mufig. Es bedeutet ^massenhaft, haufen- 
weis'. Auch von einem Gefässe mit Flüssigkeit, das zum Überlaufen voll ist, 
sagt man, es sei ein Haufen drauf. Die dän. Übers, hat : / hvilcken ald FranlxQsk 
i klumper Tal vaar kroben. 

409. Wen men nicht mit fremder Salse bi hogen Luden 

Wolde sine discours bestrbwen und bekruden 
Aus dem Zusammenhange geht hervor, dass Salse nicht = frz. sauce, 
Brühe, Tunke sein kann, sondern dass es hier allgemein 'Würze' bedeutet, wobei 
an zerriebene Kräuter zu denken ist. Der dän. Übersetzer fasst es = Salz. 
Om mand hos h0ye Folck ey brugte fremmed' Salt 
Oc Puddret sin discurs der med, heldst naar det gialt? 

475. He moet erst hebben de Handt int vat, 
Wen upgedragen wert gammelmat. 

Zuerst beim Mahle aus der gemeinsamen Schüssel zu schöpfen war ein 
Vorrecht der ältesten, welche die meiste Ehre genossen. Darauf bezieht sich 
ein Spruch, welcher mir als Kind vom Vater eingeschärft wurde. : Sei nicht der 
erste in der Schüssel, sondern warte, bis die ältesten angefangen haben. Der 
dän. Übersetzer hat abweichend: Hand slcal oc skare for (aufschneiden) udaff 
det stoere Fad, eine Redensart, die wohl unserem 'mit dem grossen Messer auf- 
schneiden 1 entspricht. S. z. IV, 81. 

Znm vierten Scherzgedicht. 

37. Spitztöt 'Schlaukopf, Betrüger; vergl. Johann Strickers düdeschen 
Schlömer V. 1666: En spitxhbt is de bUe din. Spit'xkbppe werden die Be- 
wohner des Dorfes Ditfurt bei Quedlinburg genannt. Auch Spitzbube hängt 
wohl damit zusammen. 

81. Wol gebruken kan dat grote Messer. 'Mit dem grossen Messer 
aufschneiden' noch jetzt gebräuchlich für pralerische Reden führen. Vgl. auch: 
Weinholds deutsche Frauen im Ma. II 2 , S. 4; Schindler, Bair. Wb. I 2 , 1670; 
Lexer, Mhd. Hdwb. I, 2131. 

103. lier myns geliken. Vor etwa dreissig Jahren hörte ich eine Frau 
aus dem kleinen Handwerkerstande, deren Tochter sich bei einem Handwerks- 
meister als Magd vermietet hatte, sagen: Eck hebbet minen Mäken enauch 
'eseggt, se sulle seck nich bi eres geliken vermeiden. 



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129. Wille gy idt lesen, und flitig betrachten, 
So schhle gy bekennen und erachten, 
Dat Apollo mit den Musen alle negen, 
Idt hebben ent fangen in eren Bregen: 
Und dat idt is uth Gyrrha geflaten, 
Als ick idt hebbe willen in de Fedder vaten. 

Cyrrha haben die deutschen Herausgeber unerklärt gelassen. Paludan 
(z. V, 131) bemerkt: Cirrha, den gamle Havnestad Iii Delphi (?) Er hat un- 
zweifelhaft das richtige getroffen Cirrha ist dem Apollo geweiht und das 
Adj. cirrhaeus bezeichnet alles dem Apollo gehörige. S. die lat. Wörterbücher. 

152 de Hut vidi schulten (schelten) ist noch jetzt gebräuchlich. 

177. Der Heer sampt der Magd de weren so alvern. alvern hier un- 
zweifelhaft nhd. Bedeutung: albern, einfältig. Der dän. Übersetzer ändert: Den 
Herre sampt hans Folck de meente vist med alffoer d. h. 'glaubten im Ernst 1 . 

183. ey scharn! Als skarn bezeichnet dän. alles, was nichts taugt. Die 
Übersetzung hat: det er Skarn, was Paludan erklärt: det duer ikke, det er 
noget Snak. 

233. Juwe whrde sind alto kakelbunt. 

Die Übers. V. 235 hat Slig Snack er mig forborget, For meget buntet 
og der til for hoy oc kroget. 

367. Mit dissen wbrden nam de Man syn äff scheel, 
Und van my weg up de Post tho vote reet. 

Die Redensart hat denselben Sinn wie V. 141 up de Apostel peerde riden. 
Die dän. Übers. V. 361 f. abweichend.: 

Med disse samme Ord den Mand syn Affsked tog, 
Oc paa Apostels Vogn fra mig sin Vey hendrog. 

423. Ich halte die Herausgeber nicht für berechtigt, die Lesart aller 
alten Ausgg. Aristachn in Aristarchn zu ändern ; auch die dän. Übers. (V. 424) 
hat Aristachy. 

425. Ehr de grawe Katte konde twe Eyer leggen. 

Dän. (V. 427.) Ja for end Ratten graa et Paar Eg künde ligge. Palu- 
dan bemüht sich vergebens, den Sinn dieser Redensart zu erklären, Sie ver- 
gleicht sich mit ähnlichen hochdeutschen, wie: Danach wird weder Hund noch 
Katze krähn in H. v Kleists Prinz v. Homburg und J. Nettelbecks Selbst- 
biographie. 

429. uth gehickt. Wie Braune (i. Glossar unter hicken) richtig bemerkt, 
heisst hicken ndd. nur 'picken 1 eigentlich von Vögeln mit dem Schnabel hacken. 
Diese Erklärung wird bestätigt durch die dän. Übers., welche (V. 421) hat: 
konsklig udpricket. 

459. mit sulker Zier. Zier ist kein niedd. Wort, und es ist mir wahr- 
scheinlicher, dass Lauremberg es aus dem dän. [Zyr, vgl. auch Übers. V. 463), 
als aus dem hochd. genommen hat. Dann ist aber auch die Lesart von Aaji 
sxdken nicht anzuzweifeln, weil L. das Wort entsprechend dem Dänischen als 
Mascul. behandeln konnte. Der dän. Übersetzer hat diese Partie wörtlich dem 
Originale entnommen. 



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546. lepsche Sprak; V. 569 lappisch Sprack, beides wohl unserem 
„ läppisch u entsprechend. 

673. Ihr drincket aus dem Bech. Bech haben die Ausgaben Aaß, was 
die späteren Ausgaben in Becher ändern. Die dän. Übers, hat V. 675 Beck. 
Sollte Lauremberg diese entstellte Form von Becher gesetzt haben, vielleicht um 
einen komischen Anklang an das niederd. bek „Bach" zu erzielen? 

Zum Beschluss. 

31. Kein redlick Man em dat kan hvel d&den uth, 

Wen he in Hochtydrnael dem Brudgam und der Bruet 
In Ehren und mit Wunsch de gsundheit Scfiale bringt. 
Schale wird niederd. nur von flachen Gefässen gebraucht, nicht vom Becher. 
Der Ausdruck ist nach dem dän. Trinkgruss Skaalf Gesundheit! gebildet. In 
der dän. Übersetzung heisst es: 

Ey nogen erlig Mand det ilde legger ud 

At hand in Bryllups Kost den Brudgom med sin Brud, 

I Aeren og med Ynsk en Sundheds Skaal ret gi0rer, 

95. Wat einem gelehrden Man geworden is so suer, 
Bat wert in groter Meng gebruekt vor Makeltuer, 
Bar Marren allerhands ein halff Bund Speck in pacliet, 
Und vor de Wescherin ein klumken Seep in packet, 
Edr windt darin Taback . . . 
allerhands wird in Braunes Glossar = mnd. altohandes 'sofort, sogleich' 
erklärt. Diese Bedeutung passt nicht in den Zusammenhang. Nach ihm ist 
Marren offenbar eine Krämerin, welche mit allerlei Waare handelt. Ich erkläre 
mir das Wort daher als vom Dichter erfundenen Personennamen, gebildet von 
dem adv. allerhand. Wir sagen noch: „Er handelt mit allerhand." Dass das 
Wort mit kleinem Anfangsbuchstaben geschrieben ist, kann nicht auffallen, vgl. 
z. B. IV, 556 older Mhme st. Oldermbme. Der dän. Übersetzer hat nur Maren 
wie II, V. 17 Leene, wo Lappenberg Leenke Bbkeln hat. 

NORTHEIM. R. Sprenger. 



Zum Düdesehen Sehlömer. 

In der schönen Ausgabe von Johannes Striekels Drama De 
düdesche Sehlömer, mit welcher uns Johannes Bolte beschenkt hat, ist 
trotz der schönen und eingehenden Bemerkungen des Herausgebers 
noch manches unerklärt geblieben. Ich will versuchen, einiges zur 
Erklärung beizutragen und zugleich einige offenbar verderbte Stellen 
zu heilen. 

Der Sehlömer antwortet auf die Frage des Vetters, warum er seine Frau 
nicht mitgebracht habe: 

734. Den hhyup late men tho IIuss, 

Wenn nun begert tho ghan im süss. 

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De hhyup muss dein Zusammenhange nach eine Bezeichnung der spar- 
samen Frau sein, hägup = Sparsamer Mensch' belegt R. Wossidlo in seiner 
Programmabhandlung: Imperativische Wortbildungen im Niederdeutschen. Waren 
1890, S. 6. In Quedlinburg heisst es : hiffup het wat, frätup schitt de hutid wat. 

1013. entlieh Lüde sind tüchtige Leute. Im Mnd. M. fehlt diese Be- 
deutung des Adjectivs, doch vgl. Lexer I, 551. 

1032 ff. Würd dar auer ock de gantx Werld qaadt, 
Vnd my dhden und verdhmen, 
So kann ick doch dith nicht rhmen. 

Da im Mnd. Wb. romen = mhd. ruomen, ruemen 'rühmen' und rumen = 
mhd. rumen 'räumen' scharf gesondert sind, so muss bemerkt werden, dass dith 
römen hier unzweifelhaft mhd. ex rumen 'den Platz räumen' ist. Der Prediger 
will nicht, ohne seine Bussrede gehalten zu haben, sich entfernen. Übrigens 
ist romen (nomen) — mhd. rumen sicher auch im Sündenfall 1926 belegt, wo 
Schönemanns Erklärung der Woestes, welcher es mit ags. hream 'Wehklage' 
zusammen bringt, vorzuziehen ist. 

1072. Die Redensart sik an enem rlven 'sich mit jemand in Streit ein- 
lassen' ist zwar noch gebräuchlich. Da aber der Artikel riven im Mnd. Wb. 
sehr mager ausgefallen ist, war doch etwa auf die bekannte Stelle im jüngeren 
Hildebrandsliede zu verweisen: 

wer sich an alte Kessel reibt, der enphahet gerne Rahm (Russ). 

1459. Der Rüter Landwehr ist durch die Übersetzung „der Ritter 
Grenze" nicht erklärt. Rüter sind auch nicht Ritter, die im Stücke immer Riddcr 
genannt werden, sondern Reiter. Es sind wohl die reisigen Knechte im Dienste einer 
Stadt gemeint. Landwehren waren in Niederdeutschland Warten oder Thürine, und 
bei Hannover, wie auch sonst erhalten. Der Sinn der Stelle ist nicht ganz 
klar, doch wird wohl ein obseöner Scherz darin verborgen sein. 

1721. ingebruwen Beer ist billiges, im Hause selbst gebrautes Bier 
„ Hausbier 

1951. Du schalt noch vacken mit uns lern, 
Und mit ern Knaken werpen Bern. 

Es dürfte bemerkenswert sein, dass diese von Bolte mit zahlreichen 
Stellen belegte Redensart auch in mündlicher Überlieferung sich noch bis in 
unsere Zeit erhalten hat. Vor schon zwanzig Jahren hörte ich in meiner Vater- 
stadt Quedlinburg einen alten Herrn, einen wohlhabenden Gerbermeister, der 
sich noch gern des Plattdeutschen bediente, zu meinem etwas jüngeren Grossvater 
im Scherze äussern: „Na Franz, met dinen Knöken schrait ek noch Beeren äf. L 
Er hat aber viel früher „int Gras biten" müssen. 

2303. Das dem Herausgeber unklare All uth dem Busch erkläre ich 
durch „alle aus der Gesellschaft", fasse also Busch als Entstellung aus Buss. 
V. 771 werden die Genossen des Schlömers de wild Buss genannt; 3528 de 
wilde Geselschop. 

2664. Ick bidde, Dodt, thue so lang, 
Dat ick Baden hebbe by dy. 

Der hochdeutsche Übersetzer hat diese Stelle völlig missverstanden, wenn 
er Baden hebbe by dy übersetzt; „Boten schicke zu dir." Es kann nur heissen: 



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n 

Ich bite dich, Tod, warte so lange 
Bis ich Boten von dir erhalten habe. 

Von den Boten des Todes handelt ein altes Märchen, welches die Gebrüder 
Grimm in den Kinder- und Hausmärchen nach Kirchhoffs Wendunmut als Nr. 
177 wiedergegeben haben. Wie W. Grimm in den Anmerkungen (Kinder und 
Hausmärchen, 3. Bd. 3. Aufl. 1856) S. 249 nachweist, war dasselbe schon im 
13. Jahrhundert bekannt. 

3329 f. 

Dodt. 

Nu ys ydt tydt, du mbst daran 
Du scholdest ehr hebbe Boeth gd&n 

Wenn wir V. 4289 und 4624 vergleichen, so scheint es unzweifelhaft, 
dass auch hier zu lesen ist: du mSst darvan 'du musst von hinnen, musst sterben 1 . 
Die Redensart scheint fast formelhaft gebraucht zu sein. Eine alte Haus- 
inschrift vom Jahre 1566 in hiesiger Stadt ermahnt den Leser: 

Drinck und eth | Goddes nicht vorget | Bewar dine Erhe. | Dick wirt 
nicht merhe | Dan umme und an | Darmith | davau. Vgl. Korrespbl. XI, S. 83. 

Dass V. 3599 entstellt ist, hat schon der Herausgeber gesehen, doch trifft 
sein Besserungsversuch nicht das richtige. Soviel scheint mir festzustehen, dass 
denn aus dum (vergl. 766 und 5380) entstellt ist. Ich möchte, nachdem ich 
hinter strack einen Punkt gesetzt habe, folgendermassen schreiben: 

Ehr he ein Pater noster sprack, 
Heffstn syk duen wol supen sehen. 

'Bevor er ein Paternoster sprach, hast du ihn sich wohl voll saufen sehen'. 
Anlehnungen, wie en an heffst sind in unserem Stücke häufig. 

Zu der 3783 ff. geschilderten Bedrückung der Bauern durfte darauf hin- 
gewiesen werden, dass diese Verhältnisse z. B. in Meklenburg noch bis in die 
neueste Zeit bestanden haben. Besonders der Gebratfeh, dass man den leibeigenen 
Bauern nur innerhalb des Gutsbezirks zu heiraten erlaubte, war ein harter 
Zwang. Solche Verhältnisse waren es, auf die Reuter seine tragische Geschichte 
„Kein Hüsung" aufgebaut hat. 

3895. Über die Vorstellung von Tod und Teufel als Jäger, die mit ihren 
Netzen (Stricken) den Menschen zu fangen suchen, ist besonders das von Barack 
herausgegebene satirische Gedicht „des Teufels Netz" zu vergleichen. 

4236. Noch jetzt sagt man, wenn einem Essen und Trinken nicht 
schmecken will „Et blifft mi baven dem Herten (auch: vor de Bost) stän. a 

4282. Dass die gebräuchliche Redensart „etwas auf der Gold wage (d. h. 
sehr genau) abwägen, schon hier erscheint, ist bemerkenswert. 

Die Verse 4707 f. sind in dem Drucke offenbar in Unordnung geraten. 
Es wird zu schreiben sein: 

Dat unschuldige Gades Lam, dat droech 
Der Werldt Sünd und woch. 

'Das unschuldige Gottes Lamra, welches der Welt Sünde und Weh trug.' 

woch, auch wech ist eigentlich Interjection ; diese können aber auch sub- 
stantivisch gebraucht werden. Vgl. Minnes Frühl. 140,24 : diu mir mit fröiden 
hat benomen mm alt owe. 



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4915. Erfrbuw dy, leve Seele myn, 

Nicht myn, sunder des Heren syn 
Der dy mit synem duren Blodt 
Erlöset hefft, frhuw dy in OodL 

fyn in V. 4916 gibt keinen Sinn. Ich glaube jedoch, dass nicht dyn, 
sondern fyn zn lesen ist. Vgl. V. 5090, wo Christus spricht : Ick wil juw all 
erquicken fyn und Epilog 5. 

Wo disse Schlömer am Ende syn 
Sick hefft tho Oodt bekeret fyn. 

5009. De Herr wert kamen kamende. 

Die am Rande angeführte Stelle Habakuk 2, 3 lautet: He wert geieysslick 
kamen. Schon Bolte vermutet, dass die Stelle verderbt sei, trifft aber mit seinem 
Besserungsversuch meines Erachtens nicht das richtige. Sollte Stricker nicht 
geschrieben haben wie folgt? 

De Herr wert, amen, kamende. 

Die Verwendung des Gebetsschlusses im Sinne der lutherischen Auslegung 
hat im Munde des Priesters nichts befremdliches. 

5463. Ich glaube, dass lanAmodt st. lankmodt nicht Striker zuzuschreiben 
ist, sondern dem, wie schon das Druckfehlerverzeichnis der Originalansgabe 
beweist, keineswegs sorgfaltigen Setzer derselben. 

NORTHEIM. R. Sprenger. 



Zeugnisse für die frühere Verbreitung 
der nordfriesisehen Sprache. 

Bekanntlich war im Mittelalter das ganze Marschland zwischen 
Widau und Eider nebst der angrenzenden Vorgeest nordfriesisch. Wie 
weit heute die nordfriesische Sprache durch die dänische und besonders 
durch die plattdeutsche zurückgedrängt worden ist, zeigen die Angaben 
der Sprachgrenze bei Petersen, Wanderungen durch die Herzogthümer 
Schleswig, Holstein und Lauenburg, III (Kiel 1839), S. 456 f.; Clement 
Das wahre Verhältnis der süderjütischen Nat. u. Sprache (Hamburg 
1849), S. 53 f.; Winkler, Algemeen nederduitsch en friesch dialecticon, 
I, S. 71; Siebs, Zur Geschichte des Englisch-Friesischen, I, S. 28. 
Da das Nordfriesische heute immer mehr an Boden verliert, ist es 
von Wichtigkeit, die verstreuten Zeugnisse für die ehemalige Aus- 
breitung dieser Sprache, sowie die Zeugnisse für die Sprachgrenze 
in diesem Jahrhundert zusammenzustellen. 



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95 



Ich verzichte darauf, diejenigen Stellen anzuführen, an welchen 
die politische, nicht die sprachliche Zugehörigkeit zum Friesischen von 
irgend einem Orte angegeben wird. Hervorheben will ich nur, dass 
Mildenburg der am weitesten gegen die sächsische Sprachgrenze vor- 
geschobene Posten war. Vgl. z. B. Chron. Sialandiae, bei Langebek 
II, 634 „in Frisia juxta Mildenburgh" ; Laurentii Stralii Ann. III, 305: 
„Milburgum apud Frisios." Die ganze Ausdehnung des nordfriesischen 
Gebietes giebt Matthias Boetius, De cataclysmo Norstrandico, Slesvici 
MDCXXIII, S. 59 wie folgt an: Die Friesen „sui juris fecere, Eidero- 

stadiam, Norstrandiam, Fohram, Siltam, Ameram insulas Atque 

aut exstruxere, aut paulatim occupaverunt in extrema continentis 

margine Bredstadiam vicum, Hadstadium, Schobyllum, Mil- 

stadium, Rademessum, Randerumum, pagosque alios, littori conterminos". 

Es folgen nun die Zeugnisse für die Sprache selbst. Ich bitte 
hierzu die ausgezeichnete, mit bewundernswerter Sorgfalt ausgearbeitete 
Karte von Geerz „Historische Karte von den Nordfriesischen Inseln 
etc., redigiert für die Zeit von 1643 bis 1648" zur Hand zu nehmen. 

I. Wiedingharde. 

1. 1750. „Im Tunderischen und andern Gegenden, wo die 
fresische Sprache gilt." Schlesswig - Holsteinische Anzeigen Auf das 
Jahr MDCCL. 

2. 1788. „Die Einwohner in den Tonderschen Marschen 
sind, dem Hauptstamme nach, Friesen, und diese unterscheiden sich 
noch von den Dünen und Deutschen, die unter ihnen sind, eben so, 
wie in dem Bredstedtischen. Ihre Sprache ist auch noch die Friesische, 
aber mehr schon mit dem Dänischen vermischt. Dänisch und Deutsch 
sind die Sprachen des Gottesdienstes und der Gerichte. In der Stadt 
Tondern spricht das gemeine Volk ein Gemisch von Friesischem, 
Dänischen und Deutschen, was ein Deutscher gar nicht und ein Däne 
nur mit Mühe versteht." Tetens, Reisen in die Marschländer an der 
Nordsee, I, Leipzig 1788, S. 132. — Offenbar ist mit der Mischsprache 
in Tondern das Westjütische gemeint. 

3. 1790 heisst es von Tondern: „Man redet jetzt nicht mehr 
friesisch, sondern Deutsch und noch mehr Dänisch untereinander." 
Schleswig-Holsteinische Provinzialberichte IV. Jahrgang, Band I, S. 132. 
— Die Stadt Tondern ist nie nordfriesisch gewesen. Soweit dort 
nordfriesisch gesprochen wurde und wird, handelt es sich um einge- 
wanderte Nordfriesen. 

4. 1811. Im Kirchspiel Aventoft „wird mehr dänisch ge- 
redet" nach dem Bericht des General-Superintendent Adler vom 1. März 
1811. Allen, Geschichte der dänischen Sprache im Herzogthum 
Schleswig oder Südjütland, II, Kiel 1858, S. 76. 

5. 1833. „Nach den von mir auf meiner Reise gemachten 

Bemerkungen wird in dem westlichen Theil vom Amte Tondern 

bis an die Soholmsbrücke, Klintum, Klixbüll hinauf nach Aven- 



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toft im Osten und bis an die Vidau im Norden . ^. . . friesisch ge- 
sprochen. u Gudme, Schleswig-Holstein, I, Kiel 1833, S. 83. 

6. 1839. „Das Friesische hat die Alleinherrschaft als Volks- 
sprache bis an die Kirchspiele Rodenes, Neukirchen, Aventoft, 
wo auch das Dänische sich schon als Sprache des täglichen Lebens, 
in ersteren resp. nach und neben, in letzterem vor dem Friesischen 
geltend macht, und Uberg, in welchem jene nur Dänisch." Petersen, 
Wanderungen durch die Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauen- 
burg, III, Kiel 1839, S. 456. 

7. 1839. „Die Aventofter Gemeinde ist hinsichtlich der Volks- 
sprache theils Dänisch, theils Friesisch. u Petersen, HI, S. 450. 

8. 1840. „Friesisch sind die Tonderschen Marschharden; doch 
wird in Widingharde im Kirchspiel Neukirchen schon viel Dänisch 
gesprochen, obgleich der Stamm der Einwohner friesisch ist, und in 
Aventoft ist das Friesische gänzlich vom Dänischen verdrängt/ 
Jensen, Versuch einer kirchlichen Statistik des Herzogthums Schleswig, 

I, Flensburg 1840, S. 20. 

9. 1841. Kirchspiel Rodenäs. „Die Bewohner des Kirch- 
spiels sind Friesen; doch wird hier auch schon dänisch gehört. 6 
Jensen H, S. 537. 

10. 1841. Kirchspiel Neukirchen. „Kirchen- und Schul- 
sprache deutsch, die Sprache des täglichen Lebens friesisch, dort wird 
auch schon viel dänisch gehört. u Jensen, II, S. 539. 

11. 1841. Kirchspiel Aventoft. „Kirchen- und Schulsprache 
ist die deutsche ; doch sind die Gemeinemitglieder der deutschen Sprache 
meistens nicht mächtig, sondern es wird durchgängig dänisch ge- 
sprochen. Das Friesische hat sich verloren. u Jensen, II, S. 543. 

12. 1846. Aventoft. „Obgleich die Gemeinde friesischen Ur- 
sprungs ist, so ist dennoch gegenwärtig die dänische Sprache die all- 
gemeine Umgangssprache. u Bericht des Predigers 1846. Allen a. a. 0. 

II, S. 378. 

13. 1846. Kirchspiel Neukirchen. „Die Volkssprache ist 
hier die dänische und friesische; von den hier nach der letzten Volks- 
zählung vorhandenen circa 850 Einwohnern sprechen ohngefähr 
dänisch und ohngefähr 5 k friesisch. u Allen, II, S. 379. Nach Allen 
a. a. O. stellt sich das Verhältnis nach eingezogenen genauen Angaben 
so: „Das Kirchspiel zählt 157 Familien, deren keine ausschliesslich 
deutsche Umgangssprache hat; 7 Familien reden deutsch und dänisch, 
3 deutsch und friesisch; 8 Familien rein friesisch; von den übrigen 
139 Familien haben 52 ausschliesslich dänische Familiensprache, in 
87 dagegen reden die Eltern unter einander dänisch und mit den 
Kindern friesisch. u 

14. 1846. Im Kirchspiel Rodenäs sprechen 467 friesisch, 
29 deutsch und 27 dänisch. „Die mehrsten Friesen verstehen und 
sprechen auch dänische Sprache. u Allen, II, S. 379 f. Nach Allen 



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a. a. 0. sprechen aber 23 Familien ausschliesslich dänisch, 4 deutsch, 
4 deutsch und dänisch, 4 dänisch und friesisch, die übrigen nur friesisch. 

15. 1846. Kirchspiel Klangsbüll. „Die Volkssprache ist 
durchgängig die friesische. Selbst in den Häusern, wo der Mann 
oder die Frau aus einem dänischredenden Districte gebürtig ist, wird 
in der Regel friesisch gesprochen. Jedoch wird auch in diesen Häusern 
die plattdänische Sprache gesprochen, wie sie in der Gegend von 
Höjer und Tondern gangbar ist, welche die Friesen hiesigen Kirch- 
spiels alle verstehen und sprechen." Allen, II, S. 380. Nach Allen 
a. a. 0. aber sind 1 1 Familien mit ausschliesslich dänischer Umgangs- 
sprache, 1 mit dänischer und friesischer, 1 mit deutscher, die übrigen 
friesisch; überhaupt nur 57 Familien im ganzen Kirchspiel. 

16. 1849. „In Rodenes und Neukirchen in der Widing- 

harde hat das Dänische bisher ziemlich viel Eingang gefunden. u 

Clement, Das w r ahre Verhältnis der süderjüt. Nat. u. Sprache, Ham- 
burg 1849, S. 54. 

II. Karrharde. 

17. 1752. „An etlichen Orten in Karharde wird 

friesisch geredet. a Büsching, Kurzgefasste Staats-Beschreibung der 
Herzogthümer Holstein und Schleswig, Hamburg 1752, S. 104. 

18. 1791. Kirchspiel Enge. „Unter sich reden die Ein- 
wohner noch das alte Friesisch, ausgenommen in Holzacker, wo 
die dänische Sprache geredet wird.* Schlesw.-Holst. Provinzialberichte 
V, 2, S. 12. — Vgl. 26 und 29 gegen 25 und 37. 

19. In Stadum wurde zu Ende des 18. Jahrhunderts noch aus- 
schliesslich friesisch gesprochen, im Anfang des 19. Jahrhunderts 
schon ein Gemisch von dänisch und friesisch. Die Belegstelle habe 
ich übersehen mir zu notieren. 

20. 1811. „Die Karrharde, Amts Tondern, ist mit Ausnahme der 
beiden friesischen Kirchspiele Enge und Stedesand ganz dänisch.* 
Bericht des General-Superintendent Adler vom 1. März 1811. Allen, 
II, S. 7G. — Die Kirchspiele Enge und Stedesand werden in einem 
Berichte desselben vom 22. Mai 1811 (Allen, II, S. 78) friesisch genannt. 

21. 1824 wird in Oken's Isis I noch eine Sprachprobe von dem 
Kirchspiel Fresenhagen gegeben, wo das Nordfriesische heute aus- 
gestorben zu sein scheint. 

22. 1824. „Karrharde, mit 10 Kirchspielen, wovon aber jetzt 
nur 2, Enge und Stedesand, wo so zu sagen durchgehends Friesisch, 
und 2, Leck und Kliksbüll, wo bloss in einigen Dorfschaften Friesisch 
gesprochen wird.* Outzen, Glossarium der fries. Sprache, Kopen- 
hagen 1837, S. XXVIII. 

23. 1833. „Voor veertig jaren sprak men te Stadum nog 
friesch; thans is daar alles deensch en duitsch,* sagt Winkler 1873, 
Algem. nederd. en friesch Dial. I, S. 72. 

24. 1839. „Im Kirchspiele Leck ist, sowie in den ihm be- 

Niederdeut sehet Jahrbuch. XV. 7 



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nachbarten Parochien Humtrup, Braderup und Klixbüll, die 
Kirch- und Schulsprache gegenwärtig ohne Ausnahme Deutsch, ein 
Jargon des Dänischen Volkssprache. " Petersen, III, S. 3G1. 

25. 1839. „In Holzacker sind Friesisch und Dänisch, neben 
und durch einander, und zwar in solchem Verhältnisse, dass keines 
davon vor dem anderen die dortige Dorfsprache zu nennen sein dürfte, 
gebräuchlich. " Petersen, III, S. 457. 

26. 1840. „Im Tonderschen sind in Karr-Harde friesisch die 
Kirchspiele Enge (jedoch mit Ausnahme des Dorfes Holzacker) 
und Stedesand, so wie ein Theil des Kirchspiels Leck (Kl in tum 
und Schnatebüll), während in Leck selbst wegen des Verkehrs 
Dänisch, Deutsch und Friesisch gangbar sind." Jensen, I, S. 20. 

27. 1841. Kirchspiel Karl um. „Der Schulunterricht ist 
deutsch, wiewohl die Kinder alle dänisch sprechen." Jensen, II, S. 480. 

28. 1841. „Friesisch wird namentlich gesprochen in Schnate- 
büll und Klintum; dänisch in den Dörfern Stadum, Achterup, 
Sandacker, Sprakebüll und auf den einzelnen Stellen, wo das 
Deutsche den Kindern meistens ganz unbekannt, bis sie zur Schule 
kommen. Im Kirchdorfe [Leck] versteht und spricht man wegen des 
Verkehrs deutsch, dänisch und friesisch. Kirchen- und Schulsprache 
hochdeutsch." Jensen, II, S. 489. 

29. 1841. Kirchspiel Enge. „Holzacker und Knor- 
burg sind dänisch, Soholm dänisch und friesisch gemischt, die 
übrigen Ortschaften des Kirchspiels friesisch." Jensen, II, 494. 

30. 1841. K i r c h s p i e 1 K 1 i x b ü 1 1. „ Kirchen- und Schulsprache 
deutsch. Volkssprache meist dänisch." Jensen, II, 482. 

31. 1841. Kirchspiel Walsbüll. „Volkssprache meistens 
dänisch." Jensen, III, S. 912. 

32. 184G. Klixbüll. „Im täglichen Leben wird meistens 
plattdänisch gesprochen." Amtlicher Bericht vom Jahre 1846. Allen, 
II, S. 37G. 

33. 1846. Karlum. „Die überwiegende Zahl der Einwohner 
spricht im täglichen Leben den für die hiesige Gegend üblichen Jargon 
der dänischen Sprache; ein Theil, etwa 10 Seelen, bedienen sich aber 
häufig der deutschen, und etwa 8 der friesischen Sprache." Amtlicher 
Bericht. Allen, II, S. 376. 

34. 1846. Kirchspiel Leck. „Die Kirchen- und Schul- 
sprache ist ganz deutsch, die tägliche Volkssprache ist aber hier 

gemischt, theils deutsch, dänisch und friesisch a) im Lecker 

Schuldistrict ist die tägliche Volkssprache grösstenteils deutsch; 

b) im Achterup er Schuldistrict ist die tägliche Volkssprache dänisch; 

c) auf dem Lütjenhornerf elde ist die Volkssprache dänisch; d) 
im Clintumer und Schnatebüller Schuldistrict ist die tägliche 
Volkssprache ganz friesisch und deutsch; e)im Stadumer Schul- 
distrikt ist die tägliche Volkssprache theils dänisch, theils friesisch; 



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f) in Sandacker und Sprakebül ist die tägliche Volkssprache 
dänisch." Amtlicher Bericht. Allen, II, 37 G f. 

35. 1846. Enge wird von dem Prediger friesisch genannt. 
Allen, II, S. 378. 

36. 1846. Stedesand. Die Volkssprache ist ursprünglich 
unzweifelhaft rein friesisch gewesen, doch nunmehr, durch Zunahme 
deutscher Angesessenen, wie auch durch Einwirken naher Kirchspiele, 
wo die Volkssprache vornehmlich dänisch ist — die Umgangssprache 
auch hier eine zwiefache und zum Theil gemischte geworden." Allen, 
II, S. 378. Allen fügt hinzu: „Nach neuerdings eingezogenen Berichten 
ist das Kirchspiel Stedesand jedoch als friesisch zu betrachten, 
indem alle Familien daselbst friesisch reden, acht ausgenommen, 
welche theils deutsch, theils dänisch sprechen. u 

37. 1849. „Zu Oster-Schnatebüll und Klintum in der 
Karrharde im Kirchspiel Leck, zu Holzacker und Soholm in der- 
selben Harde im Kirchspiel Enge hat das Dänische bisher 

ziemlich viel Eingang gefunden." Clement, a. a. 0., S. 54. 

38. 1873. „Dat in de dorpen .... Walsbüll de friesche 
taal nog de volsktaal was, is nog niet zoo lang geleden." Winkler, 
Algem. nederd. en friesch Dial. I, S. 72. 

III. Norder- und Siidergoesliarde. 

39. Die Kirchdörfer Joldelund und Fi öl führt Heimreich 
noch als rein friesisch auf. 

40. 1788. „Von Husum an hört man schon friesisch sprechen, 
was hier die Sprache des gemeinen Volks ist. Doch versteht auch 
jeder Plattdeutsch, und der Gottesdienst wird in hochdeutscher Sprache 

gehalten." Die friesische „ Sprache ist von Hattstedt an, 

bis hinauf nach Jütland, in den landfesten Marschen eine 

noch lebende Sprache, obgleich nicht mehr in der alten Reinheit. a 
Tetens, Reisen in die Marschländer an der Nordsee, I, Leipzig 1788, 
S. 108. 

41. 1811. „In Dreisdorf, Joldelund und Viöl wird 
dänisch und deutsch geredet, und zwar in Joldelund mehr dänisch 
als deutsch." Bericht des General-Superintendent Adler vom 1. März 
1811. Allen, II, S. 7G. 

42. 1811. „Von den 9 Kirchspielen des Amts Bredstedt 
ist die Volkssprache in 7 friesisch, sehr mit dänisch untermischt, 
in allen Dörfern der beiden Kirchspiele Viöl und Joldelund 
aber ganz jedoch etwas verdorbenes dänisch; ebenfalls sind die 2 
Kirchspiele Olderup und Schwesing im Amte Husum ganz 
dänisch, ungeachtet seit mehr als hundert Jahren Gottes- 
dienst, Schulunterricht, gerichtliche Bescheide und alle öffentliche 
Angelegenheiten den Eingesessenen dieser 4 Kirchspiele deutsch ge- 
geben worden sind, wovon auch diese Stunde die Mannspersohnen 



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wenig, die Frauenspersohnen aber zum Theil gar nichts verstehend 
Ferner dass „die genannten 7 Kirchspiele im Amte Bredstedt friesisch 
sprechen, so wie die Kirchspiele Schobüll und Hattstedt im 
Amte Husum. " Stark dänisch gefärbter Bericht des Amtmanns 
Levetzow vom 1. Februar 1811. Allen II, S. 73 f. 

43. 1817. Das Kirchspiel Jodelund ist „jetzt meist 
dänisch, alle können dänisch, und die wenigsten, fast nur alte, friesisch." 
Outzen, Über die dänische Sprache im Schleswigschen, 1819. 

44. 1833. „Nach den von mir auf meiner Reise gemachten 
Bemerkungen wird in dem nördlichen Theil des Amtes Husum, 
nämlich in Hattstedt und Schobüll, fast überall im Amte 

Bredstedt, mit Ausnahme von Vi öl und Joldelund 

friesisch gesprochen Das Dänische ist die allgemeine Familien- 
sprache nicht nur in den nördlichen Ämtern des Herzogthums Schles- 
wig . . . sondern . . . auch ... in den mittleren, ... ja selbst in 
den südlichen Ämtern und Districten von Husum bis an das 
Kirchspiel Schwesing vorherrschend". Gudme, Schleswig-Hol- 
stein, I, Kiel 1833, S. 83 f. 

45. 1839. „Das Kirchspiel Vi ö 1 ist der Volkssprache nach 
Dänisch-Deutsch, das Kir ch spiel Joldelund, . . . darin fast total 
Dänisch". Petersen, III, S. 457. 

46. 1839. „In den Dörfern Hö gel, G o 1 d e 1 u n d sind Friesisch 
und Dänisch, neben und durcheinander, und zwar in solchem Ver- 
hältnisse, dass keines davon vor dem anderen dortige Dorfsspraehe 
zu nennen sein dürfte, gebräuchlich. " Petersen, III, S. 457. 

47. 1839. „Das Kirchspiel Dreisdorf" soll nach einer 
Sprachkarte „sowohl Deutsch als Friesisch" sein. Aber als Volks- 
sprache ist „nur Friesisch sesshaft." Petersen, III, S. 45G. 

48. „Das Dorf Dörpum im Kirchspiel Bordelum" soll nach 
einer Sprachkarte „sowohl Deutsch als Dänisch" sein. Aber als 
Volkssprache ist „nur Friesisch sesshaft. In Dörpum haben sich 
freilich einige Dänen, wie wohl ebenfalls Deutsche, angesiedelt, ob 
indessen im Dorfe auch Hausstände, in welchen selbiger Muttersprache 
mehr als das Friesische gebräuchlich, so ist doch von Dörpum, dass 
dort Friesisch, Dänisch und Deutsch nicht in aufs Allgemeine gehender, 
war in ähnlicher Beziehung wie es zu behaupten, dass in Hamburg 
Deutsch, Englisch, Dänisch und Französisch gesprochen werde, zu 
sagen." Petersen, III, S. 450. 

49. 1840. Auf dem Festlande ist Schobüll bei Husum das 
südlichste Kirchspiel, wo man das Friesische noch hört, so wie in dem 
angrenzenden Hattstedt. In der Landschaft Bredstedt ist mit Aus- 
nahme der beiden östlichen Kirchspiele Viöl und Joldelund 
das Friesische die herrschende Volkssprache; doch ist das Plattdeutsche 
nicht unbekannt und man hört es namentlich im Flecken Bredstedt 
und den anstossenden Kögen." Jensen, I, S. 19 f. 



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50. 1841. Kirchspiel Schwesing. „Die Sprache war 
vorhin meistens dänisch; dies hat sich aber verloren und ist dem 
Plattdeutschen fast ganz gewichen." Jensen, II, S. 608. 

51. 1841. Kirchspiel Joldelund. „In Joldelund sind 
wenige, die deutsch sprechen können und die Kinder können nichts 
als Dänisch, wenn sie zur Schule kommen. " Jensen, I, S. 22. — „In 
Goldelund versteht man auch zum Theil friesisch. " Jensen, II, 
S. 749. 

52. 1846. Joldelund. Neben plattdeutsch und dänisch wird 
„auch das Friesische in vielen Familien gebraucht, namentlich im 
Dorfe Goldelund". Allen, II, S. 385. 

53. 1849. „Zu Lütjenholm im Kirchspiel Brecklum hat 
das Dänische bisher ziemlich viel Eingang gefunden, das Deutsche 
aber in den Kirchspielen Hattstett, Dreisdorp und Breck- 
lum, in welchen Strecken die friesische Sprache auch mit vielen 
plattdeutschen Ausdrücken vermischt ist." Clement, a. a. 0., S. 54. 

54. 1858. Im Flecken Bredstedt — deutsche Sprachinsel 
— ist nach Allen, II, S. 383 plattdeutsch die herrschende Sprache 
geworden. 

55. 1873. „Dat in de dorpen Schwesing, Viöl, Schaff- 
lund de friesche taal nog de volkstaal was, is nog niet zoo lang ge- 
leden". Winkler, Algem. nederd. en friesch Dial., I, S. 72. 

IV. Nordstrand, Pelworm und Südfall. 

56. 1565. „Völcker, so sich der fresischen Sprache gebrauchen 
als Strand 22 Karspein". Petrejus, Eine kurze Be- 
schreibung des Ländleins Nordstrand. Camerer, Vermischte historisch- 
politische Nachrichten, II, Flensburg und Leipzig 1762, S. 734. 

57. 1637. Morsum, Hamm und Lith haben denselben 
Dialekt geredet wie die Lunder Bürger, ein Dialekt, welcher von 
dem nordstrandischen verschieden gewesen. Peter Sax's Beschreibung 
von Nordstrand. — Morsum, Hamm, Lith, Lundenberg und Simonsberg 
machten ehedem die Lundbulling- oder Lundenberg-Harde aus. Ver- 
mutlich sprach man hier eine Eiderstedische Mundart. 

58. 1752. „Auf den Inseln Pelworm und allen 

kleinen Halligen wird friesisch geredet". Büsching a. a. 0., S. 104. 

59. 1824. „Nord Strand, wo die friesische Sprache bis jetzt, 
noch fast wie auch auf Pellworm, vorherrschend ist." Outzen, 
Glossarium der fries. Sprache, Kopenhagen 1837, S. XXX. 

60. 1833. ;?Auf Nordstrand wird auch von einzelnen 
Personen flämisch gesprochen". Gudme, Schleswig-Holstein, I, Kiel 
1833, S. 83. 

61. 1840. Das Friesische hat sich verloren von Pellworm 



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und Nordstrand u . Jensen, I, S. 19. Das Friesische ist dem Deutschen 
gewichen „auf Nordstrand und Pellworm". Daselhst, S. 21. 

62. 1841. Pellworm. „Der Stamm der Einwohner ist frie- 
sisch, aber seit der Wiederbedeichung [1635] sehr mit fremden Ein- 
wanderern vermischt u . Jensen, II, S. 609. 

63. 1858. Pelworm und Nordstrand sind nach Allen, II, 
S. 383 plattdeutsch. 

64. Wiewohl Pelworm heute rein plattdeutsch ist, haben sich 
die letzten Reste des Nordfriesischen noch bis auf die Gegenwart er- 
halten. 1888 lebte in Wrixum auf Föhr eine ganz alte Pelwormerin, 
welche noch das Nordfriesisch in ihrer Jugendzeit gehört und noch 
nicht vergessen hat; leider war dieselbe zur Zeit meines Aufenthalts 
auf Föhr verreist. Doch habe ich auf Amrum einen jetzt 55 Jahre 
alten Pelwormer, Peter Winter, kennen gelernt, dessen Aussagen un- 
bedingt zuverlässig sind. Dieser wusste sich noch zu erinnern, dass 
Ketel Ketelsen, der 1846 oder 1847 gestorben und wenigstens gegen 
70 Jahre alt gewesen ist, mit seiner Haushälterin friesisch, altes Pel- 
wormer friesisch gesprochen habe; er wohnte nicht weit von der 
Neuen Kirche. Ferner hat Peter Winter's Grossmutter, die 1886 im 
Alter von 94 Jahren gestorben ist, noch Pelwormer friesisch gesprochen. 

65. Nach der Aussage von Peter Winter haben 1825 noch 25 
Familien auf Süd fall gewohnt, und es wurde dort noch friesisch ge- 
sprochen. 

V. Eidersted. 

66. 1565. „Völcker, so sich der fresischen Sprache gebrauchen 

. . . . . als Eiderstädt 18 . . Karspel". Petrejus, Eine 

kurze Beschreibung des Ländleins Nordstrand. Camerer, Vermischte 
hist.-polit. Nachrichten, II, Flensburg und Leipzig 1762, S. 734. 

67. 1610. „Incolse lingua peculiari et genuina praeter Saxonicam 
utuntur, eademque cum reliquis Frisiis orientalibus et Occidentalibus 
communi: unde liquet ex ijs ortos esse, siquidem hoc prseter linguam 
communem, morum, vestitus et aidificiorum similitudo, item propria 
nomina, utriusque sexus satis testantur". Jacob Sax, Kurtze und 
Förmliche Beschreibung Dess löblichen Eyderstedschen Landes, Ham- 
burg 1610. 

68. 1652. „Es wohnen zu dieser Zeit keine von adel in dem 
Lande, sondern lauter Haussleute, davon die meiste, vornehmste der 
Friesischen Nation, wiewohl sie durchgehends zum wenigsten im 
Ostertheil Niedersächsich reden". Danckwerth, Newe Landesbeschrei- 
bung der zwey Herzogthümer Schleswich vnd Holstein, 1652, S. 141). 

69. 1752. „In Eiderstädt wird friesisch geredet". 

Büsching, Kurzgefasste Staats-Beschreibung der Herzogthümer Holstein 
und Schleswig, Hamburg 1752, S. 104. — Wohl aus älteren Büchern 
entnommen. 

70. 1758. „Die friesische Sprache wird in Eyderstedt nicht 



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mehr geredet, sondern durchgängig Plattdeutsch". Den Beleg habe 
ich mir leider rieht notiert. 

71. 1788. „Die jetzigen Eyderstedter sind ein vermischtes Volk. 
Der alte Stamm ist friesisch, aber es sind so viele fremde Reiser aus 
Holland und sonst ihm eingepfropft, dass jener nicht mehr kenntlich 
ist. Die friesische Sprache ist ganz aus dem Land weg, aber die 
Landessprache, welche im Ganzen das gewöhnliche Niedersächsische 
ist, hat doch manches eigene in den Wörtern und in der Verbindung, 
und ist von der jenseits der Eyder in Dithmarschen eben so ver- 
schieden, als die Menschen selbst hier und dort es sind." Tetens, 
Reisen in die Marschländer an der Nordsee, I, Leipzig 1788, S. 97. 

72. 1809. „Die Landschaften Eyderstedt und Stapelholm 
werden auch von Friesen bewohnt, allein ihre Sprache ist bis jetzt 
völlig abgestorben". Adelung- Vater, Mithridates, Berlin 1809, S. 243. 

73. 1840. Das Friesische ist dem Deutschen gewichen, „in ganz 
Eiderstedt, in Simonsberg". Jensen, I, S. 21. — 1841. Die friesische 
Sprache „ist aber nun gänzlich schon seit einigen Menschenaltern 
verschwunden und der plattdeutschen gewichen. Jensen II, S. 770. 

Noch heute reisen die Eiderstedter nach „Deutschland". 

VI. Biisnm. 

Der Name Büsum trägt mit seinem nordfries. ü für ü noch 
heute das Merkmal seiner Herkunft. Ein sicheres Zeugnis für das 
einstige Vorhandensein der nordfriesischen Sprache haben wir sonst 
nicht. Jedenfalls ist sie hier am frühsten der plattdeutschen ge- 
wichen, seit die Sturmfluten diese ehemalige Insel von Eidersted 
völlig getrennt haben und sie politisch zu Dithmarschen gehörte. 
Es mögen hier zwei immerhin gewichtige Zeugnisse folgen: 

1G05. Ubbo Emmius, Rerum Frisicarum historiae decas prima, 
Arnhemii 1605, zählt die friesischen Inseln auf, mit dem Westen be- 
ginnend. Nach Borkum und Just folgt S. 72: „Exiguo tantum freto 

ab eo sejuneta, quondam vero contigua, insula Busa nomine. 

Postremo Hilgerlandia proeul littore." 

Neocorus sagt von Büsum 1, 165 (ed. Dahlmann) „welche stedeshen 
de olden Gewanheit unde Seden am lengesten beholden". S. 223: 
„It leth sich ansehen, als effte it gar ein ander Art Volkes si". S. 

213: „It is stedes dit Carspel ene besundere Insul gewesen, 

darumme ock de andere Ditmersche se alletidt, wo noch itz geringer 
geholden hebben". S. 223: „Wo se denn vele Worder vorkorten unde 
thobreken undfc noch mehr vor Oldinges thobraken hebben". 

Die Insel Büsum bildete ehemals sicher einen Teil des viel- 
umstrittenen Mejer'schen Süderstrand, des südlichsten Teiles des alten 
Nordfriesland. Landfest ist sie erst in neuerer Zeit geworden. Bei 
der Annahme, dass Büsum einst friesisch war, erklären sich auch 
die einander widersprechenden Nachrichten über die Nationalität der 



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Dithmarschen. Das Marschland ist hier von der Geest aus kolonisiert 
worden von den sächsischen Dithmarschen. Im nördlichen Teile der 
Marsch trafen sie auf Nordfriesen und assimilierten sie sich, soweit 
diese geographisch von ihren Stammesgenossen getrennt waren; die 
Dithmarschen sind also eine „gens commixta Saxonum et Frisonum". 
Hinsichtlich der zahlreichen Spuren nordfriesischer Sprache in der 
Dithmarscher Mundart vgl. besonders Neocorus I, 60; Outzen, Kieler 
Blätter 1819, II, 1, S. 105 und in Carstens' und Falck's Staats- 
bürgerl. Magazin II, 1822, S. 758—773; III, 1823, S. 99—118 und 
441 — 469; Tamm, Ztschr. der Gesellschaft für Schleswig-Holstein- 
Lauenburgische Geschichte VI, 1876, S. 1—93 und 233; Walther 
Ndd. Jahrb. II, S. 134 — 144. Die mehrfachen Belege für das Friesen- 
tum der Dithmarschen (Scholiast zu Adam von Bremen, Ubbo Emmius, 
Petrejus) sind belanglos; doch konnte eine solche Meinung nur auf- 
kommen, wenn erhebliche nordfriesische Elemente zu Dithmarschen 
gehörten. 

HALLE a. S. Otto Bremer. 



Pelwormer Nordfriesiseh. 



Ich möchte die wenigen Sätze, welche die einzigen Zeugen des 
ausgestorbenen Pelwormer Nordfriesisch sind , der Vergessenheit 
entreissen. 

Überliefert ist uns die Umschrift der sogenannten Kupfernen 
Taufe zu Büsum, welche 1452 von Cord Widerich aus der alten Pel- 
wormer Kirche geraubt worden ist. Die Worte sind abgedruckt Kieler 
Blätter, V, 1818, S. 212 Anm.: 

Disse Hirren 1 ) Döpe, de have wi thön ewigen Ohntoncken 2 ) mage 
lete, Da a ) shollen össe Berrne in Jcressent warde. 
Einer Übersetzung bedarf es nicht. 

Die Worte, welche nach Peter Winters Aussage (s. oben S. 102) 
die Haushälterin zu Ketel Ketelsen gesagt hat, sind*): 

Vel foi ok nox en büski möor hevi? ("Will Vater auch noch ein 
Butterbrod mehr haben?) 
Er antwortete: 

Non, Margret, ik mm e möar hevi. (Nein, Margret, ich mag 
nicht mehr haben.) 



Dahlmann in seiner Ausgabe von Neocorus Chronik des Landes Dithmarschen 
I, S. 213 Anm. bietet folgende Varianten, die auf einer Aufzeichnung Vietheus aus 
dessen ungedrtickten Nachlasse beruhen: *) hirren. 2 ) Ohnthoncken. s ) da. 

*) Die Rechtschreibung nach Ndd. Jahrb. XIII, S. 2. 



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105 



Von seiner Grossmutter entsinnt sich Peter Winter noch der 
folgenden Worte: 

bltd n bledr ü6 d sop (Fettaugen auf der Suppe). 

Ferner: Ja, foi, dü Mnst man e { sini. Der is n befji fern du 
lum an dn befji fan on t&tr. Nü fash foi fash! (Ja, Vater, du kannst 
nur nicht sehen. Da ist ein bischen von einem Lamm und ein bischen 
von einem Tüter (Vogelart). Nun fische Vater Fische, d. h. nun 
tische nur hinein!) 

Endlich ist noch das Wort hevar = Hafer bezeugt durch eine 
Sage, welche Peter Winter in seiner Jugend noch die ganz alten 
einander hat erzählen hören: Über die Hever führte von Pelworm oder 
Südfall nach Eidersted in alten Zeiten ein Steig (Bollenbruggi 1370 
bezeugt); einem Mann, der darüber ging, fiel sein Sack Hafer in's 
Wasser, weshalb er jammernd ausrief: „0 mein Hewer \ u ; daher habe 
der Strom den Namen Hever erhalten. 



Von der alten Nordstrander Mundart ist uns nur der 1661 ge- 
dichtete „Miren-Söngh" und „Een-Söngh" erhalten in Heimreich's 
Ernewerter Nordfresischen Chronick, Schlesswig MDCLXHX (wieder 
abgedruckt in der Ausgabe von Falck, I, Tondern 1819, S. 27 — 30; 
(Pratje,) Altes und Neues aus den Herzogthümern Bremen und Verden 
V, Stade 1772, S. 312—314; De Haan Hettema, Frieske, Hilgelaonner 
en Noardfrieske Rymkes, Dockum 1841, S. 192—194: der ;? Een-Söngh" 
auch bei Firmenich III, S. 452). 

HALLE a. S. Otto Bremer. 



Mittelniederdeutsches Arzneibuch . 

In 1884 kocht ik op eene boekverkooping hier ter stede een 
klein handschrift, dat door mij aan de Universiteitsbibliotheek te Ut- 
recht werd afgestaan. 

Dit hs., perkament, 16°, geschreven in het einde der 14° of in den 
aanvang der 15 e eeuw, bevat 124 bladen, waarvan 99 van eene hand 
en 22 van andere handen, tusschen deze beide is de 100° bladzyde 
onbeschreven. Aan het eind staan op blz. 123 een fragment over 
de alrune, op blz. 124 a en b coupletten eener Vogelsprake van eene 
hand von de 16 e eeuw in dit Jaarboek IX, 171 uitgegeven, door F. Bui- 
tenrust Hettema. Het hs. is vroeger in bezit van M. Cluverus geweest : 
Hunc libellum mihi dono dedit Martinus Cluverus a° 1607. Ver- 



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106 



moedelyk zyn deze woorden geschreven door J. Morsus: Ex libris 
Joachimi Morsi a° 1607. Deze Joachim Morsus is in 1593 te Ham- 
burg geboren en studeerde te Rostock tegelyk met Joa. Cluverus, een 
zoon oi bloedverwant van Martinus Cluverus. 

De inhoud komt op sommige punten overeen met het Arzenei- 
buch Nr. 980 uit Gotha, door K. Regel in uittreksel uitgegeven 
(Jahrb. I. 5), minder met Codex Wolfenb. 23, 3 en met de beide Arzenei- 
bücher door F. Pfeiffer medegedeeld in Sitz.-Ber. d. Wiener Ac. 
1861, 110. 

De ruimte laat niet toe eene zaak- en taalkundige inleiding 
te geven. Wellicht veroorlooft de tijd mij om later op de laatste terug 
te komen. 

De opschriften zyn met roode letters geschreven. Op de bladzijde 
bevinden zieh tot blz. 100 veertien regels, daarna dertien op blz. 100* 
en 115* die van andere hand zyn dan de overige na blz. 100, welke 
alle 14 regels hebben. 



(l b ) ^JjJe minsche is gemaket van ver stucken: van der erde 
unde van der lucht, van vure unde van watere. Van den ver stucken is 
de minsche maket. De ver stucke tredet vort up achte stucke: 
Erde und lucht, wint unde water, vleysch unde blot. Got hevet uns 
lif unde sele ghegeven. 

Van der erde hebbe we de mach des vleysches. Van der lucht 
hebbe we de lust des lives. Van deme watere hebbe we de minscheyt des 
levendes. Van (2 a ) deine vure is de nature des minschen unde dat blot. 
De levere licht an der vorderen siden unde dar af komet de hette. 
So welich man pleget to latende und de van heter nature is unde 
sin latent vorgad, dar van besteyt em de hette der tercianen. 

So welich man de suke hevet, de scal sie hoden vor harder 
spise. Rintvleysch scal he vermiden, allcrhande droge vleysch unde 
dat sere solten is. He scal eygere unde boteren (2 b ) vormiden, he 
scal sie hoden vor bade, he scal vormiden win unde dicke her. He 
hode sie vor desser drierhande sake, so mach got helpen dat he van 
desser suke geneset. Brekt he dat , dat he sie nicht en hodet vor 
desse dre dinck, so mot he des dodes wesen. 

Gechen de hette. 

De suke van der hette der leveren de sprecht also : de is en 
der urinen brunrot De urine hevet enen svarten manen. Is he 
boven open, so is (3 * ) dar hopene to deme live. Is he besloten, so 
scal men den man bewaren, want dar is nen lif ane. So wanne dit 
de mester secht, so scal he ene berichten an so danegher spise, de 
eme recht unde nutte si. 

En ander böte. He scal ene laten eten grone sulten van svinen- 
voteken, warme mandelenmoseken is eme got. io he dat dicker et, 
io et eme beter is, unde nen brot. Dünne havergrutte sere soden 



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107 



sind eme och got. Wultu den man (3 b ) sunt maken van der suke, 
so scoltu nemen aurinen und wermodensat unde droge rosen. Deser 
stucke allike vele dar scolttu to don leverblomen. Du scult nemen 
enen nigen gropen, dar nicht innekomen si; dar scalmen it in don 
mit eneme beker wateres. Dat scal also langhe seden, dat de twe 
del vorsoden sin. So wan it so sere gesoden si, so sculttu den 
gropen wosen wol half mit water (4 a ) so scult tu it so lange seden 
laten, also men vische seden scal. So sculttu it sigen dor enen 
sconen doc an eynen anderen gropen. Dat scolttu eme geven dre 
morgen nüchteren unde dre avende, so wan he nicht mer nuttegen 
en wil. Na deme dranke en scal he nicht mehr mitten. He scal sie 
hoden vor groteme drancke. En wel he dit nicht holden also eme 
gheboden is, so en kan ene nen man helpen, so scolttu siner afstan. 

En andere böte. (4 b ) Hevet de minsche de suke van der hette 
langhe gedragen, so is eme sin levere blek. So scal men nemen hertes- 
tunghen so vele so eyn half verdinc wegen mach. Lacriscien also 
vele. Rosen eyn lot wicht. Fiolen also vele. Casrafistula also vele. 
Lacriscien sap also vele. Ysopen en half verdinc wicht. Holpe also 
vele. Anys also vel klene gepulveret. Dragant eyn half lot wicht. 
Eyne nacht scal men it weken laten so wasset it grot. Desser (5 a ) 
crade sint teyne ; de scalmen to samene don an enen nigen gropen de 
unghenuttet si; de scal so grot wesen dat men dar up möge geten 
ver beker wateres. Dit scal me(n) to samene seden also langhe dat 
et wol half vorsoden si. So scal men it over mit verschen watere 
up vullen unde late wol eynen beker vorseden. Dat scal men wringen 
an enen sconen scapen, de wol geschuret si, unde laten it wol mellicwarm 
bliven. Darna sculttu nemen eyne halve (5 b ) marc (van latere hand: punt.) 
sukeres ; unde dat witte van twen eygeren. Dit scalttu slan to samene in 
eyner scotelen unde scult it to samene don to dem syrope unde laten 
denne seden; dattu it nicht rorest, so geit de vorgifnisse an dut 
witte van deme eyge, so lutteret sie de syrop. So sculttu it sighen 
dor eynen reynen doc. Dat sculttu deme minschen geven weder de 
suke des morgenes, des middaghes unde des avendes, also langhe 
so he den syrop hevet. He scal ok ene (6 a ) nutghen des nachtes 
de wile dat de man licht. So scal he sine nette tho middernacht 
van eme laten. De anderen scal he laten an eyn orgenal unde wisen 
se alle dage sineme meystere. So wanne du de netten besust unde 
is se goldvare, so beteret sie de man, so sculttu ene wol bewaren 
unde scult ene alledage besen, unde scolt ene behoden dat he nicht 
undercolt ne werde. So wanne du den minschen besust, is he der 
suke genesen, so is sin net(6 b )te lutter unde clar unde goltvare. So 
sculttu it nemen uppe de hant unde scolen it sere, dat it scume. 
Sinkit denne de scume al to hant to gründe, so is de man alles 
dinghes nesen. So sculttu deme minschen vorbeden allerleye dinc, 
de eme bose sint: du scult die behoden dattu nicht alto vro badest, 
unde vor allerhande ungeuer spise unde vor ungeueme drancke ; 
holst du desse dinck so blifsttu eyn sund man, unde holsttu des 



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108 



nicht (7*) so is din levent kranc; so volst tu weder an ene suke, der 
di nummer ne man helpen kan. 

En ander. Es dat also dat he nicht gheholden hevet dat eme 
sin mester geboden hadde, hevet he to hete badet unde drinkt he 
denne an der hette so wert eme sin nature vorstoret. So wanne du 
den man besust und du dat glas in de hant nimst, is sin nette duster 
duncker so is de nature gemenghet mit der nette so en is dar nen 
helpe ane. So scult(tu) den man laten bewaren. 

(7 b ) En ander. Hevest tu die vorgrepen an harder spise, so 
sculttu die betyt besen laten. Is sin nette rodelachtich gele unde 
scuinet se unde holt sin seumen so mochtu eme helpen. So sculttu 
eme gheven eyne wetnisse dre morgene nüchteren unde dre avende 
so wan he nicht mer nuttegen wil. So wanne du eme dat hevest 
ghegheven, so sculttu eme gheven des verden daghes eynen dranc. 
Den dranc scal man eine matliken gheven dat eme sin maghe suveret 
werde. Du scult ene dar (8 a ) vore bewaren dat he nicht drinke er 
eme sin lif reyne suveret si. So scult tu nemen win unde den doder 
van eneme eyge unde scult en supent maken vet mit smolte, dat scult 
tu eme gheven mit verschen witten brode unde laten ene rowen. 
Des anderen dages so scult tu sine netten besen in deme glase. Du 
scult dat glas umme swenghen dat it scume. Is de nette clar und 
smilt de scume so is he der suke ghenesen. 

Dunkt di dat sie de scume en clene untholde, (8 b ) so sculttu 
ene laten rowen twe dage unde gif eme denne dessulven drankes 
matliken unde nicht also vele so du des ersten dedest, unde holt 
ene wol mit vetter verschen spise. 

Dus maken en oximel. 

Nim venicoles wortelen unde petercilien wortelen like vele, 
levestockes wortelen also vele, mercwortelen also vele, adicwortelen 
half also vele, hollenderes wortelen eyn clene, redicwortelen, swer- 
delen wortelen. Desser ver stucke like vele. Achte stukke sculttu 
scarven unde denne (1) a ) clene stoten an eneme mosere, unde do it 
denne an eynen nigen gropen de umbenuttet si. Dre bekere godes 
etekes dat scalmen (am rande do darop) denne laten seden also langhe 
dat dat dridde del vorsoden si; so scultu it wringhen dor eynen doc 
an enen sconen scapen ; do darto enen bekere honeges , den sculttu 
wringen dor eynen doc. So scolt du it seden laten an deme scapen. 
also it rechte begunt to seden, so scoltu it afnemen unde scult den 
seumen mit ener vedderen afnehmen; (9 b ) nim it denne af unde 
scumet echter also langhe dat it nicht mer en scume. So scolttu 
nemen en mescet unde scult dat lemmelen mit eyn luttek boteren 
bestriken unde scult des oximelles eynen dropen uppe dat mescet 
unde scult dat mescet umme keren; hanghet de drope dar an, so is 
it got; hanget he dar nicht an, so scalmen it bat seden also langhe 
went it sine cracht hevet. So welcken minschen du it gifst, so scultu 
nemen reyne water gesoden (10 a ) eynen lepel vul, dar scult tu to 



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109 

don twe lepel vui oximelles unde gheven eme dat drincken also hir 
vore ghescreven steyt, dre morghene unde dre avende. 

Dit is en dranck, den de minsehe drinken scal. 

Nim esclaminor. dat krud sprekt to dudhe scodet: de wortele 
scult tu winnen laten unde scult de scone scellen unde nemen de 
rinden ane pedic, unde droghen de. Du scult nemen wiswort unde 
scellen de wortelen unde droghen de drierhande to samene allike (10 b ) 
vele, unde pulveren dat to samene ieghen eyn half punt, dar sculttu to 
don alloe paditum ene halve marc wicht, dat scult du pulveren. Du scult 
de drigerhande pulver to samene pulveren, an deme verden dage so scult 
tu din oximel warm maken; unde scult des pulveres dar in don ene halve 
walnutscellen vol; unde gif eme dat drincken; unde lat ene eyn luttik 
sukeres nasluken ; jo he denne mer sie roret unde wanderet io it eme 
beter is; (11 a ) so wert eme dat lif gande, unde sin maghe suveret sie 
schone. Dit oximel also hir screven steyt. Sowelik minsehe de 
bekumeret si van deme watere, is it wit, so scultu eme it an deme 
negenden dage geven des morgenes nüchteren unde des avendes so 
wan he nicht mer nuttegen wil. An deme negeden dage so scult tu 
en bad maken von allerhande groneme krude dattu vinst. Dit scolt 
tu an eneme ketele seden unde scult de bodene warm maken. Du 
scult den (ll b ) ketel darin setten mit deme krude, unde scult ene 
baden laten ane water. Dat sulve oximel sculttu eme geven warm 
eyne walnutscelle vul mit deme pulvere, unde sluk dar na eyn clene 
sukeres unde ga denne to hant to bedde , unde bedekke die warm 
unde beware die denne wol. Dat water gheit di denne scre nedene 
dore. Du scolt nemen roghenmel unde make eynen koken unghesolten. 
Du scult den backen laten unde scolt en eme vor dat herte leghen 
(12 *) so he it mach wärmest doghen. So wan eme dat water utgeyt, 
so is eme sin herte kranc, so ne volet he nene kracht. Van deme 
warmen brode so versehet eme sin herte unde gift eme kracht des 
levendes. Du scolt eyn olt hon rede gesoden han, unde scolt it stoten 
an eneme moscre mit sineme egene sode unde scolt it wringhen 
dor enen dok an den sulven gropen; du scolt dar to don win unde 
smolt unde laten it vorwellen, unde gheven eme dat nüchteren 
mit verscheme wit(12 b )ten brode. Du scolt eme vorbeden groven 
dranc unde oversolte spise. Rintvleysch unde allerhande droge vlesch, 
grone swinenvleysch mot he wol eten mit petercilien soden. Junghe 
honre sal he eten, wit brot scal he eten. Goden win scal he drinken. 
God wetenber eder haverber. Gradene spise scal he vormiden, aller- 
hande vissche. Du scult molken unde lok unde anetvochele unde 
gense vormiden. Holst du dat dat di din mester vorboden hevet, 
so wert roke diner; lest du dat, so bistu des dodes. 

(13 •) Wultu weten sine varwen de dat witte water hevet. 

De hevet wit bleke varwen unde sine ben sint eme grot geswllen, 
sin lif is eme grot swllen. So wanne du den minschen besust so 
sculttu nemen dat glas uppe de hant, is syn nette klar also eyn 



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110 



brunne, so is it vander milten ; is se gele , so is it van der water- 
gallen, so mochst du eme wol helpen mit soghedaneme dranke also 
hirvor bescreven steyt, unde behode en vor groteme drancke, deyst 
tu dit, so wert diner rat. 

En ander böte. (13 b ) Wltu deme minschen helpen van der suke, 
de ene is $ngewassen, so scolt tu nemen seblades wortelen unde laten 
de seden mit wine. En hevet he des wines nicht, so sede he se mit 
olden bere. Jo he dat dicker deyt, io eme dat water er vorgeyt. 

En ander. Dhu scult nemen nacht unde dach, de hebbet gele 
blomen unde blawe, unne seden se mit wine oder mit olden bere. 
Jo he dat dicker deit, io it eme er vorgeyt. 

Van den de sich vorvat an dranke. 

(14 a ) So wan en minsche an groteme arbeyde is, so is eme 
sin herte more ; so wel he denne drinken, so sint eme alle sine äderen 
open; drinckt he an der hette, so geyt eme de dranck twischen vel 
unde vleysch. So besteyt ene eyn vrost. Na deme vroste eyn hette. 
Svetet he an der hette unde let he eme an tyt raden, so machmeii 
eme helpen, so volt he an de quartamen; is dat he nicht en svetet, 
unde let eme nicht betiden helpen, so mot he des dodes wesen. 

En ander. (14 b ) So wanne du den minschen besust in deme 
glase, is sin nette gele rodelachtich , boven de mane brun rot unde 
open, so scult du die siner underwinden, unde scult denne deme 
manne helpen. , 

En ander. Nim hollenderen holt, (Randglosse: dat is elhorn) unde 
clove dat kleyne unde late it droge werden, unde nim denne ene 
voghe bodene ; du scolt de bodene nat maken unde scult up der erde 
en vur maken van hollenderen holte. Du scult de bodene stülpen 
over dat vur, unde laten de bodene dor het (15 a ) werden. So scult 
tu de bodene wol snelliken umme wenden unde scult se warm bedecken 
dat de hette nicht ut ne möge. Du scult enen stoleken dar in 
setten unde den man wol snelliken darin bringhen. 

Nim lorberen unde bevergeylen unde snit dat an eynen gropen 
mit olden bere; dat scult du an deme bade drincken. So wanne du 
dat gedrunken heuest so scult du sitten an deme bade dat tu vaste 
svetest. So wanne du also langhe svetest, dat tu nicht mer en mugst, 
so sculttu (15 b ) die an enen wllen dockleyd beslan unde wol warm 
bedecken unde rowen die; also langhe sculttu baden unde den dranc 
drinken wante du van der suke genesest. Hode die vor groteme 
drancke, hevesttu de suke to langhe vorgan, so scalmen dat proven 
an der netten. So wanne du dat glas an dine hant nimst, is sin 
nette gele unde duster unde is de mane ganz bovene so is he des 
dodes, so sculttu siner mit vogen reden afstan unde scult eme goden 
trost geven, unne scult die 1 ) si(16 a )ner nicht unden winden, unde sla 
siner af. 

*) Bandgl.: met roode inkt, half afgesneden: so wem .... ofte van badhe. 



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111 



Van deme roden watere. 

So welic minsche de de hette heuet unde in der hette sere 
drinkt, so vlut eme de kolde dranc an sine leveren unde so wasset 
eme en blase vul der vorgifnisse van der vulicheit, so svellet eme sin 
levere unde sin lif grot; al sin etent unde al sin drinckent gift eme 
dat water binnen an sincme liue ; sine lede sint eme slang unde sin 
antlat; so wanne de man also ver kumt, so is dar nen helpe ane. 
Also du dat (16 b ) glas besust, heuet it bovene eynen svarten rinck 
so en scultes du die nicht underwinden. 

Van der ro spise. 

De ro spise gheten heuet unde eme an sineme maghen licht, 
de scal nemen encianen, unde scal se eten, beydet he to langhe, so 
helpt it eme nicht; heuet he it so langhe ghedragen, so mot he sie 
besen laten. So wanne he sine spise nuttechet unde nicht vordowen 
mach, dat mot an deme croppe des maghen lighen, unde werden to 
slime. So wanne du denne sin glas (17 a ) besust, so scumet it sere, 
unde smelt de scume nicht, so is eme got to helpende. 

Dhu scult ene weken mit oximelle dre morghene nüchteren unde 
dre avende, so wan he nicht mer nutteghen mach, so scal he it 
nutten mit warmen watere, also hir vorscreven is, eynen lepel vul 
wateres unde tve oximelles. Des Verden daghes scolttu störet (geven) 
also grot also eyn iung henen ey. Du scult dat seden mit watere 
an eneme luttiken gropen. Du scult ene so langhe seden dat it 
half insoden si, so do (17 b ) darto dre lepel vul honighes 
unde scult it denne seden sere unde wol scumen; geyt it denne 
up an ene scotelen unde gif eme dat drincken nüchteren unde 
dar na sucker; do eme denne eyn corsten brodes de roste mit 
solte; lat ene denne voste wanderen bet he mode si; so lat 
ene denne to bedde bringhen unde warm bedecken. So wan he 
denne wedergeuen heft, so scalmen eme maken dünne havergrutte, 
vet mit smolte, unde lat ene dat eten mit witten brode, unde hold 
(18 a ) ene denne mit sachter spise, so wert siner suke rat. 

So scult tu ene over besen; is sin nette clar, so is he nesen. 
Scumet se nochten eyn luttic, so scolt du eme des pulveres gheven van 
der esela ene halve walnutscelle vul in deme oximelle wermet, dat scult 
tu eme geven drincken unde lat ene denne sere wanderen so geyt 
eme dat nedene dore, so wert he alles dinghes gansc. Is de minsche 
also kranc dattu eme nicht en dorst storit geven, so gif eme esela- 
drunck also hir vor screv(18 b )en is; so wert de man alles dinghes 
sunt. Unde bese ene alle morgene, provesttu dat dat eme noch 
nicht wol holpen si, so gif eine drankes mer. He scal vormiden loc 
unde e^witen, rintvleysch gensevleysch, enede, unde allerhande vische, 
allerhande melic, sunderlik kernemelic; vatich ber is eme gut unde 
grone svinenvleysch ; he scal kusliken mit siner spise leuen. 



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112 



Wan deme maghen vorkoldet is. 

De minsche deine sin maghe is vorkoldet, de vorlet sine spise 
(19 a ) unde gift weder sinen drank, deme is sin lif slanc. So wanne 
du ene besust in deme glase, is sin nette clar, (also en born) scuraet 
se sere so is eme sin maghen vorkoldet. He scal nemen enghever, 
galigan, pardiscorne, zeduar, lorberen, der vif stucke like vele ; unde 
stot dat to pulvere; he scal nehmen eyn quarter wines, unde scal 
dat pulver darinne seden , dat scal he drinken des morgenes unde 
des auendes, so wan he nicht mer nutteghen will, unde sluken witten 
enghever dicke. Du scolt nemen (19 b ) rosen unde lesen se an enen 
linenen budel unde lat de an etike seden, unde scal eme dat leghen 
uppe den maghen so he it betest dogen mach. Du scult eme geven 
eyn lactuarium dat het: ingibe conditum, io na etende eyn got 
morsel. So sculttu ene besen, is sin nette goldvar, so is he nesen. 
He scal sie hoden vor older spise, bradene spise unde rintvleysch. 
Du scult dicke baden, na deme bade sculttu drincken nige vatich ber. 

(20 a ) Van deme grawen stene sandich unde lemich. 

So welich man de den sten heuet unde du ene besust, so is sin 
nette nedene in deme glase slimech van deme grawen stene. Is it 
eyn rot sten, so licht also en rot sant uppe der grünt. Is it en lemich 
sten so licht it also lemstucke an der grünt; desser twigerhande 
sten mochttu wol boten, fonder aan den rand van andere hand: des 
grauuen stenes moch du nich boten.] 

Wult tu eme der twigerhande sten helpen, so nim petercilien sat. 
unde lubbestoc sat, mercsat, wit hofkomensat, netelensat, unde anis. 
Nim wegebredensat, saxifricansat, caliande(20 b )res sat, unde pendela. 
Nim der teyn stucke allike vele, dat sculttu pulveren so du clenest 
muchst ; du scult nemen creuetes steyn unde hertes horn, den sculttu 
bernen unde nim desser likevele ieghen teyn stucke unde pulvere it ok 
klene ; nim attramentes also vele unde pulvere ene clene ; dat scalmen to 
semenc pulveren. Du scult dar to don en punt suckeres unde scult 
dat to samene temperen unde gif eme dat nutten; io he it dicker 
deyt, io it eme (21 a ) beter is. Des morgens so wan he it allererst 
nuttechet so sculttu nemen fumester unde scult dat pulveren. So 
sculttu nemen win unde seden dat pulver an deme wine. So wan 
he heuet nuttet dat erste pulver, so scal he des fumester eynen 
goden toghe drinken ; deyt he dat vlitelken so wert he der suke los. 
He scal vormiden nige ber unde gerstenber, gest unde eygersupent, 
allerhande droge unde solte spise. Senep unde etik is eme (21 b ) 
bose, alle versehe spise is eme gut. Jo he mer petercilien et, io 
it eme beter is. Deisttu dit to rechte, so mach di got helpen dat 
tu der suke los werst. Holt die kusliken vor unghevogen dranc. 

Van deme sweren in deme live. 

So welich minsche deme eyn svere wasset in sineme live, dat 
kumt van deine vresme; so licht he an groter uncracht. So wan du 



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ene besust in deme glase, is sin nette blek, unde hevet se bovene 
eynen roden manen, is he (22 a ) open unde gele sprenkelachtich so 
muchst tu eme helpen. Is de mane besloten so en sculttu die nicht 
underwinden, so scal he sie vorevenen mit unseme heren gode. Mochst 
tu eme helpen also hir vor screven steyt, so scult tu nemen embren- 
wortelen, naderwortelen, zenneuer, bevergeylen, walraven, de vif stucke 
like vele, de scult tu stoten. Du scult sucker dar mede stoten, unde 
dat eme gheven. Du scult nemen de wortelen unde waschen se scone 
unde scult se stoten unde seden an sconen (22 b ) borne, dat gif eme 
drincken, na deme lactuarium, dat benimt di dat svel. Du en scult 
nicht baden, unde scult die nicht vortornen; tornestu die, so brekt 
dat svel, so bistu des dodes. Peper sculttu vormiden ; versch swinen- 
vleys, junghe honre sintti gut; visch, erweten, loc, rintvleysch, 
droge vleisch, soltvleys, beten unde rove, gense, enede, note unde 
plumen, berin unde honich unde sote appelle, grof brot scult tu vor- 
miden; holst tu dit bot, so mach di got helpen (23 a ) dattu diner 
suke nesest; deyst du des nicht, so bistu des dodes. Alsodaner 
spise also hir screven steyt, de scult tu vorbeden alle den seken, der 
du die underwinst. 

Dit is van der mitten böte. 

So welikeme minschen sin milte swellet, den scult tu besen sine 
urinen: is de nette clar unde sin varwe blek, so sculttu spreken: 
desse wedaghe licht ju an der luchteren siden, unde dat it eme to 
deme herten stigt, let he eme des avendes nicht. Den so (23 b ) wan 
he sinen adme tut, so geyt eme de steke bi deme rueghe (c van latere 
hand) up to den sculderen. So scultu nemen lortha (gl.: dat is loreberen 
olye) unde scult die bi deme vure mede smeren van deme rueghe al de 
siden, want an de ribbe. Nim huslok unde stot dat an eneme mosere, 
nim gersten mel unde mak eynen koken, leghe denne dit up enen doc, 
bestriket mit eteke, unde lat eme binden des avendes up sine siden. 
Du scult nemen wegebreden, sede de mit olden bere, dat scult tu 
des morgenes sere drincken, to (24 a ) midden daghe unde des avendes, 
so wan du nicht mer nutten wlt ; des dridden dages so scult tu an der 
hant laten bi deme luttiken vinghere de miltaderen; du scult en 
cleyne laten, so wert di din milte slanck unde sacht. 

Weder dat vever. 

So welich man de dat vever hevet, unde du ene besust, is sin 
nette dicke rot also garnloge, so is it dat vever. Nim aurinen unde 
sede dhe mit olden bere, unde drincken dat dre morghene nüchteren 
unde dre (24 b ) avende so wan he nicht mer nutten wil. (glosse van 
andere hand: he scal oc eten ordeme, drinke comen sat.) 

Ofte en minsche to broken si an deme live, de sich vorboret hevet. 

So scult tu eme bi deme ersten gheven honich, so scult du 
nemen berenworth unde helpe, de tve seul tu seden an olden bere. 
So scult tu nemen in saluen unde scult dar to don in ene 

Niederdeutsches Jahrbuch. XV. 8 



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scotelen. Also it smolten is, so scult tu it nüchteren drinken unde 
des avendes so wan du to bedde geyst. Du scult die sere smeren 
mit dyalte. Des scult tu so langhe plegen, dat tu sunt werdest. 

(25 a ) So we hevet den vorstal. 

De scal nemen schir soltes eynen stekinen enes halven vingheres 
lang unde smal; he scal den minschen wol baden an watere; also 
du ene ut nimst, so scult tu ene wol warm bedecken laten unde 
scult eme den sten nedene in dat lif laten steken, so smeltet de 
sten, unde dat lif wert eme sere gande unde wert sunt. 

So we en sunt lif liebben wil. 

De scal kusche sines lives wesen. Is he van deme levende, dat 
he nicht sere arbeydet, he scal sie hoden vor overate. Deyt (25 b ) 
he des nicht, he mot amborstich wesen, he mot overgigtich wesen. 
He scal dicke laten; eme wert de drope tvisschen vel unde vleysch; 
he scal sie hoden dat he kusliken leve mit vrowen. Is he sines lives 
unkusche, so erkortet he sin levent drietich iar. So we des tinges 
overmate pleget, de vorlust sine ogene ; sin bragen dat vorsvindet eme, 
sine äderen unde sine senen vorstervet eme. So welich man over 
nicht des unberen mach, de si matelich an dessen dinghen. 

So we bekümmeret si an siner lnnghen unde sere hostet. 

(26 a ) De scal nemen lacricien de scone si seaven unde hertes 
tunghen, helpe, affresia, unde sucker like vele. Du scult cLit seden 
mit watere sere unde wringhen it dor eynen doc. Gif eme dat des 
avendes unde des morghenes drincken unde lat eme en luttik an der 
lunghen äderen, so neset he der suke. 

En ander. Hevet he den vlote van deme hovede, so wert 
beslimet sin levere, sin lunghe, sin borst. Is die din suke corteliken 
anghecomen, so is di gut to helpende mit desseme drierhande lactu- 
arium: diapendium, diadragantum (26 b ) unde penic. Desser drier- 
hande lactuarium scult tu nutteghen. 

En ander. Du scult nemen des ghemalenes senepes tve lepel 
vul dar scult tu to don enen lepel vul wateres; du scult nemen 
bertram pulveret, also vele also op eneme pennighe liggen mach, 
dat scalmen dar to don ; unde scal dat nemen an den munt nüchteren 
unde scal dat langhe dar inne holden. So scal he dat ut dem laten. 
Dat scal he io des morgens don, so tucht it eme den slim uter borst, 
so scal he den sirop nuttegen alle morgene, unde alle avende. Du 
scult (27 a ) die hoden vor nüchteren drancke. 

En ander. Nim salvien unde polleygen like vele unde pulvere 
dat, sofferan also vele. So welikerhande moseken ofte vleysch (hs. ghe) 
nuttechet, dar scal he iummer des pulveres to don, dat gift eme sine 
varwen, unde gift eme gode lucht to deme herten dat eme siner suke 
alles dinghes wert bat. 



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Van deme vresseme. 

So welikeme manne van deme vresme eyn bladdere uplopt an 
deme arme, oft an deme bene, oft an sineme antlate, de scal sie des 
hoden, (27 b ) dat he se nicht breke, tobrekt he se, so is he des dodes, 
want dat herte erbitteret sie. 

En ander böte. Nim enes eyges doder unde knede ene mit sulte ; 
dar scult tu en plaster af maken unde scult it eme up de bladeren 
leggen so wert eme bat. 

Van der adheren. 

So welich minsche de sie an der äderen let, de scal sie dre 
daghe hoden, dat he sie beware vor grotem drancke. He hode sie 
des ersten daghes dat he nicht en slape ; an der tit mach he slapen 
dat eme sin ädere untsprinkt. So mot (28 a ) he overgiftich werden 
(doorgeschrapt is: des dodes wesen) des eme nummer nen minsche helpen 
mach, de wile dat he levet. He scal sie hoden vor torn, en deyt he des 
nicht, so wert eme de kellende gicht, de eme alle sine lede dovende maket. 
Du scult allen luden vorbeden dat se nicht de hovet äderen laten, latet se 
de hovet äderen, so werdet se dovendich an deme hovede. He mach an der 
tit laten dat he sinen sin vorlust, des eme nummer mer neyn mester 
helpen mach ane got alleyne. 

Van der sucht. 

So welich minsche, de an (28 b ) ener sucht licht; so wanne du 
ene besust in deme glase, is sin nette rot, dar bi scult tu sen dat 
he de sucht hevet. 

Du scult eme vorbeden dat eme bose is, unde scult eme segghen 
dat eme gut is. Du scult ene nicht arcedien; men scal eme nicht 
drincken gheven mer dünne ber; me scal eme nodegen to deme 
etende. So wan he bekeret an deme svete, so scult tu eme dat vor- 
beden dat he nicht to vro en bade. Du scult eme beden dat he sie 
warme decke so wan he svetet. En dec(29 a )ket he sie nicht warme 
dat he vullen svete, so mot he de kolden gicht untfan; badet he to 
vro, so is he des dodes ; tornet he sie so volt he weder an ene andere 
suke; vor desser drigerhande stucke scult du die bewaren. 

Van deme hughe („huke" glosse van andere hand). 

So welich minsche deme sin huch hanghet an deme halse, de 
scal solt bernen, unde nemen dat het up en spon, unde scal eme 
dar mede up scroyen, so he it hetest dogen mach. 

Drüpt eme de huch, so wasset eme tve spülen van der borst 
an den (29 b ) hals ; wltu eme sachten dat sin levent werde vorlenghet 
so scult tu eme gheven redik nuttegen mit eteke nüchteren; dar na 
scultu eme gheven eten sucker unde lacricien, dat is eme gut. Jo 
doch vorevene he sie mit unseme heren gode. 

Weder de Haderen an deme halse. 

Swellet di de bladdere an deme halse, so scultu nemen win 

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Unde scult den het gloyen an eneme gropen, unde scult ene an deine 
halse holden, unde scult ene nicht in sluken. Du scult ene up unde 
(30 a ) dale laten gan in deme halse. Jo du dat dicker deyst, io it 
beter is. 

Van deme hörende. 

So welikeme minschen de sucht vor de oren is ghevallen dat 
he nicht hören kan, de scal nemen de vasen van der walnut, unde 
scal de tostoten unde wringhen dat sap an eyn becken unde [van 
latere hand darup sal he stülpen en ander becken unde] scal it graven 
an scapes mes dre dage; dat drope he deme minschen in de oren 
des avendes so wan he slapen wil gan. 

Van deme hovetsere. 

Deme sin hovet we deyt, unde sin ogen swellet, de neme rüden 
(30 b ) unde huslok, levestockes wortelen, venecoles wortelen. De ver 
stucke like vele, dar to do dat witte van deme eye, unde stote dit 
an eneme mosere, unde wringhet dor enen doc an ene scotelen. 
Nim heden van vlasse unde legge de darin, make en plaster darvan 
umde leghe it uppe dat vorhovet, unde up de dunninghe; svetet 
eme de oghen so legge eme dat uppe de oghen so wert eme bat. 

Van der adheren. 

So we an der äderen let unde se eme svellet : de scal den svelen 
nicht vordriven; vordrivet he en, (31 a ) so is he des dodes. He neme 
daren wortelen, unde scal se seden unde stoten se mit oldeme swere, 
unde striken dat up enen doc, unde werme dat to deme vure, unde 
bestrike dat svel mit popelionen, unde sla dat plaster dar umme 
alle warm unde lat it den lighen, wante des morgenes. Dit do he 
so langhe, want eme bat werde. 

Van der serinen. 

So welich minsche de dhe serinen hevet an sineme antlate deme 
volt it al stucken ut unde stinkt also en as, de neme svart glas unde 
stot it an eneme mosere, unde sichte dat dor enen (3 1 b ) klenen doc. 
Nim bomolie unde menghe dat pulver van deme glase mit deme 
olie dat it evendicke werde, unde bestrike dat ser.e darmede, unde 
bint it al darup also langhe want it hei werde. 

Weder den harworm en böte. 

So welich minsche de den harworm hevet, de scal nemen gersten 
stro unde bernen dar to oselen unde maken dar van löge dar mede 
wasche he dat sere, so geyt de worm al ut; he scal nemen boni 
olie unde olt smer unde hart (32 b ) like vele unde smolten dat to 
samene, unde wringhen it dor enen doc unde spanes grone, unde 
pulvere dat klene, unde menghe dat to samene, unde salven dar 
mede al so langhe, want it hei werde. 

en gude böte. Junk elren lof scultu bernen to pulvere, so wor 
en sei* is dat nen salve helen kan, dar do it an de wnden. 



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Tvige des daghes wasche it mit ekeneme lo, unde droghe it 
eme; strik dat pulver vere dar in, so langhe want it hei werde. 

(32 b ) Weder dhe varenden. 

So weme de varende utbreket, de neme wintworpe unde winne 
der so vele so he mach, berne se an eneme nighen gropen to pulvere 
unde ghevet deme minschen vif morgene nüchteren io to dren malen also 
uppe dren penninghen leghen mach ; darmede wert he der suke los. 

Sint se eme utgebroken dat se siget, so scal he nemen meghede 
blomen, de berne he to pulvere an eneme erdene gropene, unde scave 
eme dat (33 a ) pulvere in dat sere unde waschet eme des avendes unde 
des morgenes mit eken lo ; dat do he so langhe wante eme hei werde. 

So weme de vote utvallet an stucken. 

So welckeme minschen deme sine vote under al utvallet van 
stucken, de scal nemen queden unde scal de an klenen pen- 
ninghen sniden unde maken dat het uppe deme vure unde legget 
denne uppe dat sere so du it hetest doghen moghest, dat do also 
wente eme it al hei werde. 

(33 b ) So we hat en seren vingher. 

De scal nemen smerlen unde scult de tospliten, leghen eme 
up den vingher, unde waschen eme mit goder löge; do dat so 
langhe want it eme hei werde. 

En ovchen bothe. 

Nim ouscellen unde berne de tu pulvere. Nim dat svarte albe- 
dille af den ouscellen unde tostot it an eneme mosere unde sichte it 
dor enen klenen dok. Du scult nemen glasscumen unde pulvere it 
clene, half so vele so des anderen is. Du scult nemen (34 a ) kamferes 
so grot; dat do eme des avendes in de ougen, so wan he slapent 
geyt; dat do he so langhe wente eme de hut af ga. 

En salve. 

Nim persikstene, nim holwort like vele. Nim bladelosen, unde 
dat witte van tven eygen, do darto en lepel vul soltes unde enen 
lepel vul honiges, koperokes so vele so en doder van eneme eyge; 
so wanne du dat pulvere hevest, so wringhet dor enen sconen 
dok an en beken, graf it in (34 b ) vuchtigh scapes mes, do dar 
win to unde menghe dat to samene unde bestulpet mit eneme 
anderen beckene, unde bewerket mit deme scapes messe. Lat it stan 
dre dage. Nim it des driddes sachte up , make dat andere becken 
scone, unde lüttere dat clareste darin ; gravet over weder in den mes 
unde lat it stan dre dage. Nim it sachte up unde lüttere it denne 
in en koper vat, drope eme dat in de ougen also langhe also it eme 
vorbeten (35*) hevet, so dwa he de öghen mit kolden borne. Do 
den darna rosenwater in de öghen unde rowe die denne. Desse 
salve is weder de vinnen göt, weder den tran, weder dat vli, weder 
den liedorn, weder allerhande ouchser is se göt. 



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En oughen böte. 

De ein mal uppe deme oughen hevet, de neme radehelen, unde 
binde se limme den hals. 

En ander. De de bladeren an deme oughe hevet, de neme 
honich unde sofferan, (35 b ) unde do dat inde oughen. 

En ander. Nim hasenbraghen unde homelenhonich, so weme 
de bran tut, deme scalme se albedelle utten unde scal eme dat an- 
striken so en wasset eme nen bran mer. 

Weder de kohlen gicht en böte. 

So we de kolden gicht hevet, de scal in deme meyghe nemen 
espen lof, unde scal dat seden, unde scal dar mede an ener bodene 
boden. He scal nemen hedernetelen unde billenkrut like vele, soltes 
half also vele, dat scalme to semene stoten; also he in dem bade 
sit, so scal he sie (36 a ) sere mede wriven unde smeren. Na deme 
bade scal he sie bewinden an eneme wllen clede unde rowen den. 

Weder de doden gicht. 

Nim enen beker vul soltes, tve beker vul wateres, de scult tu 
seden al (l. an) rinvleyse ; smere die dar mede neghen daghe, alle dagbe 
drie ; an deme negheden daghe so lat di warlosen bernen brande. De 
wile de suke nighe is, so machme di dus helpen; wert se overjarich, 
so en mach di nen minsche helpen. 

De de gicht an der äderen hevet. 

(36 b ) De de gicht an der äderen hevet, de gyiht van leden to 
leden, dat het de vlegende gycht. De scal an crueewis laten an der 
äderen, an der worderen hant unde an deme luchteren vote; an der 
luchteren hant unde an deme worderen vote tuschen den luttiken 
vingheren unde den luttiken ten. 

Van der kellenden gicht en böte. 

So we de hevet, deme kellet sin march unde sine knoken, de 
neme betonien, blionien, marcedonien, sancamedia like vele unde sede 
de an wine sere, unde drinke (37 a ) dat nüchteren. Jo du dat dickere 
dringest (k overgeschreven), io it di beter is. He neme billenwortelen, 
dranwortelen unde brade de unde stot it mit oldem svinen smere. 
dar smere he sie mede. 

Van der suke der vrowen. 

En vrowe de er blomen hevet, de scal sie behoden vor manne, 
want it is en engerstlich sake. So welich vrucht an der tit getelet 
wert, deme wert en suke, der eme nummer nen rat wert. Se seal 
sik holden sachte mit vetter spise. Se scal sie holden kusliken unde 
reynliken. (37 b ) Se hode sie vor torn unde vor wedermode dat is 
ereme live helpelik. Vorsorget se sie de wile dat se de blomen hevet, 
unde wert se vortornet, so vorstoppet se de äderen. So wan ere 
de äderen bestoppet sint, so svelt ere de moder an der vorderen siden, 



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so is se blik an der varwen, ergat grote wedaghe to deme herten. 
AI so me dat glas besut: Is de nette wit unde dat dar witte dinck 
inne vletet, so sprech er also to: vrowe, iu is de moder bose, ghi 
en hebbet iuwer clenode nicht so ghi (38 a ) van rechte hebben scolden ; 
de suke is iu van wedermode anghekomen, unde licht iu an der luch- 
teren siden (dat) dat git mitter hant volen mögen. De wile dat gy 
nüchteren sint, so hebbe gy dult also it na deme midde daghe is so 
svaret iu dat lif so stowet it to deme herten dat iu des dunkt dat 
gy dat lif gicht beholden mögen. Wltu der vrowen helpen, so scaltu 
nemen bevergeylen unde lorberen like vele, do dar to lovengele tuie 
also vele; dat scaltu seden an wine, (38 b ) unde geven er dat drincken, 
des morgenes nüchteren unde des avendes so wanne (gy) se nicht mer 
nutteghen wil. Eyn lactuarium, dat het tersramagna, dat scal se eten, 
na deme lactuarium scal se de äderen laten an den voten. Deystu 
dat, so komet de de blomen rechte weder, unde werst en sunt vrowe. 

Ein ander. So welich vrowe de suke to langhe hat ghedraghen, 
de is gele unde svellet. De scal nemen vilspane van yseren unde 
binden dat an eynen dok, se(39 a )den se an eteke, unde laten it drogen, 
unde stoten it denne to pulvere. Nim venecolsat, peterciliensat, 
gartkomen sat, anis, like vele, pulvere dat clene. Nim wegebrede, 
droge de unde pulvere de clene, menghe dat to deine yseren pulvere 
wol unde bindet an enen dok, unde sedet an der warve ; lat it denne 
drogen unde pulvere it echter cleyne; sichte it dor ene seve, unde 
gif dat der vrowen nüttechen, de dat langhe hat ghedragen; dat 
scal se drie nütten an dünnen» (39 b ) grutten also vele also up eneme 
penninghe drie möge legghen, des middendaghes unde des avendes 
over also vele so wan se nicht mer nüttechen wil. Eyn pulver, het 
diorenticum, dat scal se na deme etende up en klene wittes brodes. 
Jo se dat dichkere deyt, io it er beter is ; dat sachtet ere suke, unde 
verstet eren levent. Se beholt it over an eren dot. 

Ein ander. So welich vrowe enes kindes gheneset, er der rechten 
tit unde vorsumet (40 a ) wert an er krangheyt dat se dat echtere nicht 
en hat, de neme akeleyen sat unde ok de blade, naderwort, bever- 
geylen, lorberen, des scalmen nemen like vele, unde seden it mit olden 
bere; dat scal se sere drincken, so wert ere der suke bat. Deyt 
se des nitht so wert se des dodes. So wan de meyster dat glas 
besut, is de nette witgele unde wolmet se, so mochstu ere helpen 
also hir vor screven is; vletet an der netten svarte stucke also van 
eneme sveren de gevulet si, so is de vrowe (40 b ) binnen swllen unde 
moder is er vorvulet; so underwint dich erer nicht, unde sprech er 
lengeste levent dat sint tvelf wekene. 

En ander. So welich vrowe vorvroren is an deme kindelbedde, 
dat se sere hevet gedruncken kolden dranck, so svellet grot ere 
vote unde ere beine. De scal nemen erwiten stro, bonenstro, wicken- 
stro, unde seden dat in eneme ketele, unde blusine mit stro, de bodene 
dat se wram werde unde setten den ketel darin, unde (41 a ) laten de 



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vrowen dar inne baden. Nacht unde dach scalmen seden an bere 
unde geven ere dat in deme bade drincken. Se scal lumiken seden 
mit gronen svinen smoke, unde eten dat mit verschen witten brode 
in der bodene; io se dit dickere deyt, io er bat wert. 

En ander. So welliker vrowen de äderen bestoppet sint, dat se 
nene vrucht untfan mach. De scal nemen sindowen unde seden de 
an wine, unde drincken de, so wint se vrucht. 

(41 b ) En ander. So welliker vrowen de hevemoder klemmet 
umme dat herte, de scal nemen bockeshorn unde bernen dat, unde 
laten er den rok gan an de nese, so wert er to hant bat. 

En ander. So welker vrowen dat herte wateret unde kranc is 
de neme muschaten unde muschaten blomen, unde nuttechen de, de 
maket ere en vro herte. 

Dit is van der quartanien. 

So weme de quartanie besteyt, de late an den vorderen arme 
in der medianen, (42 a ) enen lepel vül, so wan se eme besteyt aller 
serest. So wan se ene over besteyt, so scal he an deme lütteren arme 
laten. To deme dridden male so wan se ene echter besteyt, so late 
he an deme ersten arme dre lepel vul, so is dar hopene an dat eme 
got helpe. He hode sie wol also hir vore gescreven is, he scal sie 
hoden dat he ieninghe spigedranc neme, nimt he den, so is he 
des dodes. 

Weder dat water en böte. 

Nim nat sant ut (42b) deme watere, unde grawe keselinghe unde 
graf de uter erde, nim sunderclot uter smede unde make den steyn 
unde sunderclot gloghendich, make enen herd van nateme sande in 
der bodene unde leghe de gloghende steyne unde sunderclot up dat 
sant, unde decke se over mit nateme sande; dar bade denne minschen 
inne de dat water hevet. Swetet he an deme ersten bade, so scal 
he des bades neghen daghe pleghen; so scaltu hebben nacht unde 
dach unde seden (43 a ) de mit olden bere unde drincken dat in deme bade. 

Dhe open is twischen velle unde vleysche. 

De neme heyden unde sprochwiden, negenkratht mit der wiglen 
like vele; de sede dat an eneme ketele sere, sette it an ene bodene. 
Du scult rede hebben salsmer, nim also vele geghen ene halve walnut 
scelle vul; do dat an warm ber, unde gif eme dat drinken. Du 
scult nemen slichte lodeken wortelen unde stot to deme oldensmere, 
unde (43 b ) wrif die dar sere mede in der hette. So wan du ut kunst 
(l. kumst), so scaltu die beslan an eneme wollen dok dat tu sere mögest 
sweten. Also du vif daghe hevest gebadet so scultu des susten dagbes 
laten an der äderen bi dem luttiken vinghere. Des verden daghes na 
deme dage also he hevet ghelaten, so scal he baden also hir vorn 
screven is unde drinken den ersten dranck unde smere sich mit deme 
smere. Na den vif baden scal he an crueewis laten. Des (44*) wise 
he so langhe wante he de ver äderen an crueewis late unde tvintich 



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bade bade, unde den drank drincke unde smere sich also hir vore 
screven is. 

Van der leveren. 

De nicht sweten en mach unde de vordere side ser is, de neme 
clene poppelen, nortman, warmoden like vele unde sede dat in eneme 
ketele, unde sette den ketel an ene bodene unde bade dar inne. 
Nim dat crut al entelen ut deme ketele, unde do it ut dat it kole 
leghet up de vorderen siden so wert eme rat. (44 b ) 

Dit is de underscheydicheit der glase. 

Der manne nette: Is he sunt, de is blanck unde glotvare. Is 
it ener vrowen nette: is se sunt, so is se witghele. Is it ener 
iuncvrowen nette: is se sunt, so is se blanck unde clar, dar vlotet 
witte dink inne. 

Van der hette. 

De minsche de de hette hevet, sin nette is rot also ein blot, 
is it dat vever, so is brunrot. Is it de quartanie so is se al svart. 
Svellet eme de cop vander blasen, so vlotet an der nette svarte stucke, 
(45 a ) also etter unde blot. Is se darby rodelachte, so is he des dodes. 

Van der nature. 

So weme de nature vordroghet is dat he nicht en mach mit 
vrowen hebben to donde, de is mager unde bleck ; de scal nemen 
lorberen, engever, unde peper like vele unde pulvere dat, unde nutten 
it mit coppenbernen. So wert eme sin nature weder unde sin vrucht. 
So welich nette is blawe so de heven, de minsche is tobroken unde 
is in binnen vorvulet, unde is des dodes. 

Van deme dode. 

(45 b ) So weme de nature mit der netten is gemenghet: de nette 
is dicke unde wlomich, de is des dodes. So wanne sin nette goltvar 
is unde bovene enen svarten manen hevet unde besloten is, de is 
des dodes. So wan sin nette rot is, unde bovene ene hut (van latere 
hand hevet) de is des dodes. 

Dus scoltu maken dyoreticum. 

Nim en punt anises unde en punt venekoles sades, en punt 
lacricien, ene half marc wicht petercilien sades, levestockes sades also 
vele, merc sades (46 a ) also vele, wit gartcomen also vele, dat pulvere 
clene unde sichte it dor enen denen budel; do dar to en punt rodes 
sukeres unde tempere it tvischen den henden mit deme anderen crude. 
Dit het dyorenticum; dit dowet wol unde gift giide lucht to deme 
hovede, güde sachticheit to der borst; it vordrivet den sten. 

En ander. Sena dudya sumat like vele, pulvere dat clene. De 
nicht dowen mach, deme scalme dit scaven uppe weke (46 b ) grutte, 
up andere weke spise, unde eten it, dat dowet eme sin lif naturliken, 
he hode sich vor harder spise. 



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122 



Wieder den blotgank. 

So we den blotganck hevet, de neme weghebrede mit wortelen 
albedelle unde stoten de unde wringhen de dor enen dock, unde wriven 
den blotsten mit deme sape in ener scotelen also langhe wante it 
al rot werde. Gif eme dat drinken die morgene nüchteren. Helpt 
eme dat nitht, so nim svines mes unde towrif(47 a )den an bere, unde 
gif eme dat dre morgene nüchteren. 

En ander. Nim ceghen melc unde havergorte, do dat in en 
vat, unde lat dat stan ene nacht ; des morgenes do he de melic af 
unde wringe de gorte üp de melic dor enen doc, unde wellen dat to 
vure, unde eten dat warm unde drincken dar nicht up. I 

En ander. So wor ein minsche blot unde dat nicht untstan en 
wil, de neme ein plaster unde lege dat vor dat vorhovet, unde umme 
de dunninghe (47 b ) unde neme svines mes, unde do den mes mit 1 
vure an en scervelen, unde lat den rok an de wnden gan up in 
de nese. . 

So we ene listeten an der wangen hevet unde wangen grot is unde siget j 

De neme driakel krut, unde stote dat an eneme mosere unde I 

binde eme dat up de wangen. I 

-h Job -f- trayson conobia zatraga + zorabantin Job + I 

Serif dit in blye unde scrif des minschen namen dar in, unde I 

bind eme umme den hals. Dat (48 a ) bedvinghet alle worme. I 

So weme en orworm in dat ore is gecropen. ; 

De neme mancrut, unde binde ene hantvul des krudes vor dat ( 
ore, unde kloppe up ein bret vor deme anderen oren also langhe 
want de worm utga. 

So weme en adhere ofte en slange gesteket. 

Men neme driakel unde gheve eme der en clene nutten mit 
watere unde bestrike deme dat svel darmede. De nicht en hevet des, 
de neme hesline so(48 b )merloten unde hete. de an deme nese, unde 
neme roden in de tanghen unde holt it up dat svel. 

En gut böte. 

Pallium. Criscium. Confame. -+- signale -+- signe -h signikade. 
Scrif dit an kese, unde gif deme minschen eten den de worm steken hevet. 

Von den wunden. 

So welich wnde inwort geblot hevet, de neme stenblomcn, unde 
seden de an wine oft an goden bere unde drincken se al nüchteren 
unde des avendes ene goden dranck unde leghe (49 a ) sie up de wunden. 
Stic enen goden weken nicht verne an de wunden wan dat tu de wnden 
open beholdest. Nim benedictam, nim rot wntkrut, unde radehelen. 
Nim fenekel like vele, stot it, unde male it dor ene senepmolen mit 
wine eder mit gode bere; gif eme enen goden toghe drincken des 
avendes unde des morghenes. So wanne du de wnden mit eneme 
doke reyneghet hevest, so scultu eme den dranck gheven. 



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123 



En ander. (49 b ) Is de wunde ghehowen, so scoltu se toneghen 
unde steken ene weken in de wnden van speeke unde leghen dar enen 
plaster up. Lat dat lighen wante an den dridden dach ; des dridden 
daghes so scoltu se upbinden unde suveren se reyne unde do nene 
salven an de wnden, mer bestric de weken mit der salven unde leghe 
de weken in de wnden, unde leghe dat plaster alder up, dat do 
twighe des daghes; bade den man nicht wan an den verden dach. 
Is he sere gewndet, so en bade ene nicht (50 a ) want an deme 
liegende dage. 

En ander. Is eme dat hovet ghewndet datmen eme dat braghen 
sut. Is it en ghehowen wnde : nim scindal unde leghe eme negest 
deme braghene unde leghe eme dar an bovene en eyplaster, behode 
dat du nen eyplaster neghest deme braghen leghest, beware dat eme 
de wnde nicht nat werde. 

En ander. Is eme dat hovet toslaghen dat it eme binnen to- 
broken is unde de hut doch ganz is, so taste wor it eme to(50 b )broken 
si unde lose eme de hut up, unde nim dat beniken ut. Leghe dar up 
scindal unde en eyplaster, dar in bovene holt de wnden io reyne, 
unde leghe eme reyne heden dar in, io tvige des dages. 

So weme de senen untwi chehouwen sin. 

De neye de senen behendeliken to samene, unde leghe de wnden 
alle vul wntsalven unde binden it denne (mit deme additio in margine) 
eyplaster. Is it eme an der hant eder an deme vote, so wan he 
badet, so scal he de wnden (51 a ) dicke nat maken unde holde se reyne. 

En ander. De wnde de dar svellet unde nicht en etteret: Nim 
salvien, nim olt spek unde hacke dat vul cleyne, unde smere de 
weken unde leghe se in de wnden; nette en plaster van heden in 
eteke, nette enen linen doc in etike unde sla dar up. 

En ander. Gift dat nie vleys sie hoch up uter wnden. So nim 
koperot ghelutteret, hart unde buckes talch ; desser dre stucke like 
vele, smelte dat unde stek dar(51 b )in enen klenen linen doc; lat 
dat seden unde rechte dat ut, lat dat kohm, snid dar af, also bret 
also dat vleys is, unde leghe up dat. 

En ander. Dar en ben untwei is ghebroken : Nim dat witte 
van eygeren unde sla it sere, unde nette dar enen groten linenen doc 
inne unde leghe den vilt in de schenen unde leghe den vot (toevoeging : 
in den scot) uppe de dekene, unde vorenene eme den broke, unde 
sla dat plaster umme dat ben; sla den vilt dar umme. So wanne 
(52 a ) du de borst hevest ghebadet, nim dan dat erste plaster up enen 
dok unde leghet uppe de borst. So wanne du dat hevest ghedan dre 
avende unde dre morghene dat du dan provest dat dat svel utwil. 
Nim cypollen unde brat de unde leghe dar up so du it hetest mögest 
dogen unde bewaret denne mit deme ersten plaster. Dit is weder 
allerhande svel gut. 



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124 



Weder dit blot. 

Min vrowe sunte Maria scot ene roden in dhe iordanen; de rode 
untstunt; also de rode unt(52 b )stunt also untsta du blot nu unde 
iummermer an godes namen, amen. 

Weder dat swellen in deme halse. 

Nim dat witte hör van ener gans, tempere it mit bere; de en 
svel an deme halse hevet, deme gif it drincken. dat silve do dat 
witte hundes hör mit bere. 

Dus make ene pillen. 

Esela, aloe padituin, like vele; stot de twe; nim honichsem 
unde en clene bertramines, knede dat tosamen, make dar pillen (53*) 
van. Nim rebarbarum en lot wich scommen, aloe paditum, esclaminor 
like vele unde pulvere it clene. Rosen also vele, sukeres also vele. 
Dit stot besunderen, do it an enen sconen scapen, do darto en clene 
honiges, lat it seden, dat it even clicke werde, nim bertrammes en 
half lot wicht ; stot it to pulvere unde tempere dat dar mede. So 
wan it hart ghesoden is, so leghet up enen sten, so wan it kolt is, 
so make de hant vet mit smolte, unde make de pillen (53 b ) dat se 
werden also walesce erwiten; gif dat deme minschen deme de borst 
unde deme dat hovet bestoppet is. He scal sluken oblaten des ersten 
morgenes nüchteren dre, des avendes vive, des anderen daghes sevene, 
des avendes negende, des dridden dages elvene. 

En ander. Nim maior, esclaminor like vele ; stot de ; knede it 
♦ mit honighe unde do it an ene bussen ; make dar af pillen. De dat 
blot hevet hat, unde gheswllen is, (54 a ) de scal nemen galigan, witten 
en gheven aloe paditum der drier like vele; stot de; knede it mit 
honighe unde do it an ene bussen, unde make dar af pillen. 

En ander. Nim mirram unde masticum unde wirok der twier 
also vele also der mirren; smelte se langhe, dat he swart werde 
unde smelte de dre danne to samene; lat it kolen; to desseme 
menge honich dat it even dicke werde. So welich vrowe erer blomen 
nicht en hevet de nutte dit an deme bade mit wine (54 b ) ofte mit bere. 

En ander. Nim kristianen, nim lacricien, stot de to samene; 
sut dat an wine oder an goden bere. De ene bose borst hevet de 
scal it drincken. Nim seblomenwortelen, snit se an penninghe, 
droghe se unde pulvere se klene. De ene wykgallen hevet up deme 
hovede, de hele mit deme pulvere ; gif drincken an wine over an bere 
in deme bade weder dat water. 

En ander. Nim hollenderes wortelen unde wasche de scone. 
scaf de rinden af (55 a ) unde tostot de an eneme mosere klene; 
wringhet dor enen doc an en becken; lat it suren dre daghe; lat 
dat dünne afgan unde beholt dat dicke, nim engevere, aloe paditum, 
esclaminor, like vele, pulvere it clene. Nim en luttik suckeres unde 
menghe to samene mit deme ersten sape, lat it seden dat it dicke 



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125 



werde; do it an ene bussen unde make dar pillen af, dit dot den 
minschen sachte dowenke, de kranc is. 

En ander. Nim buckestalch, nini hertes(55 b )talch, nim liertes 
muten, nim hertes blases in der vrucht. Nim hertes talch umme de 
neren, nim hertes mutes, nim dat march in den wacscinkelen, stot 
dat to samene, do dat in de blasen to der necten, henghe it up, lat 
dat drogen. Also it droghet si, so nim buckes talch, smelte it to 
samene, unde wringhet dor enen doc; nim bevergeylen unde klufloc, 
stot dat wol klene unde menghet alto samene, do it an ene bussen, 
berne eme achter up deme stertbene dre brande, nedene deme (56 a ) 
kne enen, to deme anderen kne enen, unde smeret dicke mit desser 
salve; so werstu gesunt van der gycht. Nim neghenkrachtes blade 
unde sede de unde bade den gychteghen dar inne. Nim ene ut, unde 
lat ene sveten an eneme wllen klede. Darna nim de wortelen, snit 
de an penninghen, do de an vatich ber ; lat dat stan under der erden ; 
gif deme gychteghen dat drinckew so wert he sunt. 

We(der) dat water. 

Nim peterciliensat, mercsat, venekeles sat, (56 b ) levestockes sat, 
hertes tunghen, do dat in enen budel. Nim enen nighen erdinen 
gropen, unde do dar water in; sudh tve gropen up enen halven 
gropen; gif deme drincken de de watersucht hevet; hebbe ene bodene 
rede, do darin glogendhe sunderclote, lat eme dar inne stan also 
langhe dat hi alle mode si. Nim en wllenclet leghe umme ene unde 
bringhe ene to bedde, lat ene sveten aldus do neghen daghe so wert 
he sunt. 

Weder dat bucovel. 

Nim rosen, reghen water; do dat (57 a ) an enen nighen gropen 
lat dat dridde del darin seden, nim weten mel, also du mit dren 
vingheren upnemen mocht, make daraf en dünne mos, gif eme dat 
eten des morghenes, to midden daghes, des avendes, de dat buc 
ovel hevet. 

Weder den snuven. 

Nim rosen unde wirok, reghenwater an enen nighen erdenen 
gropen; sud dat dridde del unde nim dat in den munt; holt dat in 
deme halse langhe wile; holt din antlat over den gropen; (57 b ) lat 
de hetten an den hals gan also langhe want du svetest. 

En ander. Nim rosen unde droge de, stot de unde witten 
wirok, stot dat tosamene. Nim honighsem unde make dat even dicke, 
lat dat stan achte daghe. Make dar ut kloteken also bonen ; lat 
dat droghe werden; nim ene bonen, sluke de also du slapen geyst, 
holt in deme munde (sie). 

Van deme vlote der brüst. 

Nim haverstro unde berne dat to aschen; nim wermoden, wrif 
de under den henden ; nim re(58 a )ghenwater, make dar loghe af, deme 
de den vlote hevet up de borst van deme hovede. Hir make eme sin 



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126 



hovet nat mede, alle warm bewinde he sin hovet unde bringlie ene 
to bedde. 

Weder dat mnntser van der sucht. 

Nim allune deme de munt to dicke is van der sucht, do dat 
eme tvischen de tenen unde de wanghen unde lat ene slapen. 

Weder de killende gicht. 

Nim rüden salvien der like vele, nim beneriscen, do dat an enen 
enghen (58 b ) gropen; gut dar win up; also dat inghesoden si, so 
wose it, unde lat it sere seden; grave dat under de erden dre daghe; 
gif dat drincken deme de de herten keilenden gicht hevet. 

Weder de kolden gycht (hs. gytht). 

Nim elhorn unde droghe den, berne den to aschen ; make dar 
loghe af; nim olt svinen smer; smelte dat. Nim smolt, loghe like 
vele, do dat in enen erdenen gropen, de nighe si; begravet under der 
erden neghen daghe, dat is got gichtsalve. 

Nim reyneuanen, savenbom, lor(59 a )berenlof, desser like vele. 
Nim svines smolt dat unesolten si; sud dat to samene; wringhe dor 
enen doc in kolt water, do dat in ene bussen. De de kolde gicht 
hevet den smere dar mede, nicht bi deme vure. 

En ander. Nim petercilien sat, mercsat, stenbrekensat, der 
drier like vele. Stot dat. Nim also vele suckeres, menghe dat to- 
samene, do dit in enen nighen gropen erdenen gropen (sie!), begrave 
dat in der erden neghen daghe. Do it in ene bussen, gif deme de 
den sten hevet des morgenes vro ; lat ene langhe vasten. 

Weder dat water. 

Nim dach unde nacht, bivot der twiger like vele ; droghe dat 
in deme ovene; berne dat to aschen; nim witten win, gut den dar 
up unde make dar af loghe; gif dat deme drincken, de dat water hevet, 

En ander böte. Nim muschaten, negeliken, muschatenblomeD, 
galigan, enghever, seduar, peper, paradiscorn, cynamonium, carde- 
momem, anis, der ieweliker en satin, stot dat krude ; gut dar blancken 
(60 a ) win up; bewere den gropen wol; lat ene stan dre daghe. De 
dat water hevet, ofte enen kolden maghen, deme gif dat drincken in 
deme bade. 

En gut böte den vrowen. 

Nim bivot, petercilien wortelen (Band gl.: nenoc wort.), nachte- 
scaden, popelen, marrobium, reynevanen, hoppen; sud dat an eneme 
ketele, sette den ketel in ene bodene under enen stol, de en gat 
hevet, lat de vrowen dar up sitten, de ere tit nich en hevet, dat se 
alle het werde, leghe des krudes up ere lenden unde uppe de macht 
(60 b ) tvischen de bene, sud wormeden in olden bere, gif ere dat 
drincken, er se slapen ga. 

So weme de mage vorkoldet. 

Nim en half stoveken wines, ene hant vul salvien, sud dat half 
unde gif eme des avendes supen dat dridde del, an deine bewint eme 



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12? 



sin hovet warm; bedecke eme wol; gif eme des anderen nachtes 
also vele, des dridden nachtes also vele. 

En ander weder dat spient. 

Nim grof roghen brot, roste dat over deme vure, leghet in 
etik, nim dat ut al wram, lege (61 a ) eme dat uppe den maghen, 
also dat kolt si, so leghe en ander wram dar up. 

En böte weder dat blot. 

De neme beren de uppe deme adicke w T asset also se ripe sint, 
stot se, wringhet dor enen doch. Nim weten mele, make dar oblaten 
ut, lat se droghen, gif se eme vochliken, de dat blot hevet. 

Weder de qnartanien. 

Nim en punt bom olyes, do dat in enen yseren scapen, nim en 
satin wittes wirokes, en satin roder myuren, en satin walrades, komen 
(61 b ) was hart der drier scal klene wesen; stot dat krude. Also dat 
sud, so do dat pulvere dar in vochliken; also dat erwellet si, so 
nim it af ; lat it kolen, do it in ene bussen. De de quartanien hevet, 
den smere dar mede. 

Weder den vorstal. 

Nim poppelen, weten cleyen ; sud dat to samene, do dar en klene 
soltes to ; make it vet mit svinen smolte ; hebbe ene pipen, make de 
vet an buten. De den vorstal hebbe deme stot de pipen an dat lif 
achtere ; gut eme dat sodene in dat lif dor de pipen (62 a ) unde leghe 
ene wile; sette dar enen stol de en gat hebbe, so geyt he to stole. 
Is it in deme wintere, so nim watich vif soltir, dat brink eme in dat 
lif also dat andere. 

Weder de borst. 

Nim enen reyger, broge ene, snit ene nicht up; nim ebarbarum 
en lot, en lot fiolen, en lot lacricien, stot de krude, do dar to enen 
verdink suckeres. De ene bose borst hevet, deme gif dat eten. 

Weder dat bucovel. 

Sud bonen ; gut dat water af, do dat in en vat ; leghe dar up 
en wllen laken. De ghene de dat (62 b ) bucovel hevet, de sette sie 
blot dar up. Nim myrren unde rosen, stot se, so wilikeme minschen 
ofte perde worme eten. Do dat pulvere dar in. 

To deme hovetsere. 

Emigranea is en hovetsvere, also de bose materia up recket to 
deme hovede, so begript se dat hovet half; des scalmen aldus boten. 
Du scult laten de hovet äderen. So nim aloe, rosen water unde etik, 
menghe dat to samene. De salve vordrift emigranea. 

Weder de ouchen. 

En wis arste plinius saget uns dat men scal maken (63 a ) ene 
dure oughen salven, van der de oughen clar werden, dat men des 
lichten daghes de sterne in deme hemele sen mach. 



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128 



En oghenser hetet scimo. Wltut it boten, so nim enes hanen 
gallen unde enes hasen unde enes ales. Menghe se mit lütteren 
warmen watere, honich do darto, unde menghe it an en kopper vat 
unde also du slapen geyst, so bestric dine oghen. Rüden scoltu 
pulveren, honich do darto. So scoltu dat sigen unde dine oghen (63 b ) 
mede bestriken. 

En böte weder den braut. 

Weder den brant van vure eder van watere ghebrant: Nim 
bonin unde sud de also langhe, dat du de oversten hut afdrucken 
moghest. Nim dat mel dar an binnen ut unde nim meyghesche bot- 
teren unde lüttere de an watere van deme solte. Nim der beyder 
like vele unde bestric den brant des daghes drie unde beware dat 
mit eneme vetten doke van der lütteren botteren. 

Weder den swellen. 

Dyascorides (64 a ) eyn mester de saghet wo men des svelen helpen 
scole. Du scolt nemen duvenmist unde gersten mele unde tempere 
it wol mit etike, unde leghe dar (7. dat) plaster over den svelen, so unt- 
svillet he. 

Weder den stinkende adhmen. 

So deme minschen de munt stincket. Is he junc, so neme he 
enen dranc des someres. Is he olt, so neme he ene des winteres. 
Kumt he nicht van den tenen, so is de minsche all ersvoren; ene 
dorstet sere, so sint eme de Uppen dünne. Du scolt nemen (64 b ) 
merswam, unde scolt den sere seden an deme watere, unde bede eme 
den buc darmede unde mit heteme brode, want sie de buc erledighet. 
So nim denne havermele, unde sud dat in deme sape der wegheb rede: 
dat scal he vaste nutteghen des morgenes vro seven daghe, so wert 
eme bat. 

Weder de naderen steke. 

Nim eyn krut dat het dragantea. de scolt tu seden an etike unde 
gifdrincken; alsodradehe dat drincket, so veret de vorgifnisse van eme. 

(65 a ) Weder dat blöt. 

So wan du vornimst dat de minsche sere blot, so sende dine 
boden hen to watere. Vorbede den boden dat he nicht en spreke 
under weghen. So he dat water svighende brinet so scoltu it sighen 
dor din hemede an en ander water, unde sprich desse wort: In 
nomine patris et filii et spiritus saneti. Nomen, caro, carice, con- 
forma, ismahelite. Dat scoltu dre stunde don unde gif deme boden 
to drinckende. Is ghene dar nicht, de dar blot, it besteyt. 

Wltu vorsuken ofte de seke ghe(65 b )nesen moghe ofte nicht, 
so nim wives spon, de en deghen kint hebbe, unde nim des seken 
harn, unde menghe de to samene ; vletet se under eyn ander to samene, 
so neset de seke wol; scedet sie dat spon van der netten so en neset 
he nicht, dat is vorsocht. 



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129 



Wltu proven ift en innckvrowe maget si oder nicht. 

Nim epich unde berne den to pulvere unde holt ere vor de nesen, 
de saghet of se maghet si; in is des nicht, so beseychet se sich. 

Wltu proven ofte ein wif enen sone drage (66 a ) oder ene iunkvrowe. 

Nim epich mit wortelen unde leghet er up dat hovet dat ses 
nicht en wete, nomet si erst enen man, so wert it eyn sone, nomet 
se eyn wif, so wert it ein dochter. 

Weder dat vule vleysch op den wnden. 

So wem dat vleysch vulet eder droghet of der wnden, de scal 
nemen lern ut eneme ovene de wol brant si, unde tempere den mit 
etike unde leghe dar up; also dat vleysch gronen beghinnet so werp 
dat plaster af unde leghe eyn ander dar up, do dat also langhe bet 
des doden vleysches nicht en si. 

(66 b ) Weder dat blot. 

Willestu dat blot bestillen, so nim swines mist, dat gras ete, 
unde werme den vaste unde leghe dar up; it ersteyt altohant. 

Van der muschaten. 

Muschate is het unde droghe se maket got den bösen adme, 
se sterken den maghen, se stoppet dat lif, se vordrift de bösen 
winde van der leveren, se is gut weder den ioken, weder den rüden 
weder der leveren sericheyt. 

Muschaten blomen is het unde droghe, se sterket de leveren 
unde de milten unde den maghen unde vordrift ere vulnisse. 

(67 a ) Negheleken sint het unde droghe, se sterket den maghen, 
de leveren unde alle de dinck, de an deme minschen sint. De spise 
dowet se, unde maket sachte roringhe. 

Cobeben sint gut, se maket bliden möt, se gift göde lucht 
deme munde unde deme maghen, se stoppet dat weke lif, se helpet 
to allen dinghen, de an deme minschen sint, se breket ok den sten. 

Cardemomen sterket den maghen, se dowet de spise, se be- 
(67 b )waret dat weder ghevent de se menghet mit rosen watere unde 
drincket dat. (Eandgl.: gedrunken beweret se dat wedergheuent dat 
de minsche heuet van deme bösen flecma). Se droget de bösen vuch- 
tigheit des halses, der borst unde der lunghen. 

Galigan is het unde droge, he reyneghet den maghen van den 
bösen flecma, he dowet wol de spise, he vordrift de losen winden 
unde den kolre. 

Lacriscie is ghetemperet; se en is weder het noch kolt, se 
is gut weder den husten (Randgl.: Ofte men se sedet mit watere, 
mit ysopen, mit hertestungen, mit dragante, unde drinket dat water 
des morgenes unde des avendes. Se maket oc wuchtich unde reine 
den hals, de borst, unde de wege van der lungen . . . verder afge- 
sneden) unde maket reyne de borst, den hals unde de lunghen. 

Niederdeutsches Jahrbach. XV. 9 



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130 



Anis is het unde droge; he vordrift de grouen vuchtic(68 Ä )heit 
des minschen unde losen winde (op den rand: et men se.); he is gut der 
bösen leveren unde der milten. Den vrowen oket he de melic. De 
blonien der vrowen, de netten unde de svet brinkt he gande. Des 
minschen lust erwecket he, he vordrift de bösen vuchticheit de den 
vrowen vletet van deme live to der moder. ( Egl. : he maket dat weke 
Iif hart et men sin pulver.) Deme sin hovet we deyt van deme 
snuven de scal sinen roke untvan, dar men ene brant uppe den kolen 
stot unde mit rosen olie menghet; unde an de oren ghedroft, dat 
helet sere (68 b ) de van valle ofte de van slaghen ser sint eder van valle. 

Comene is get unde droghe; he vordrift de bösen winde des 
maghen; he brinkt de netten gande; he is gut der colden leveren 
mit gersten mele gemenghet unde mit oylye; he is gut weder de 
even, de dat bindet up dat lif. In eteke soden unde up dat lif ghe- 
bunden (op den rand: is gut wedder den swellen. Mit eteke unde mit 
watere ghetruncken is gut weder den bösen atme, he vordrift de bösen 
vuctecheyt de in der vrowen moder is) is gut weder den wormsteke 
mit wine druncken. Cleyne stot unde an nese pustet vordrift dat 
blot (69 a ) der nese. Mit wine druncken is he gut weder der roden 
colre. He sterket wol den magen unde dat herte. He vordrift de 
bösen vuchticheit de van deme hovede to der borst unde to deme 
maghen vleytet. 

Van petercilie. 

Petercilie* is het unde droghe. Galienus spricht: so we hevet 
bladderen, sveren ofte sere hut, de scal de stoten unde leghen dar 
up, dat is gut; ere sap ghedruncken brincht de nette gande unde 
blomen. Se vordrift de bösen winde des minschen. Se is gut den 
watersuchteghen luden. Se is gut der bösen neren unde der (69 b ) 
leveren. Se vordrift de serecheit der blasen. Ere sat is gut getten 
weder den sten. 

Van deme engevere. 

Enghever is het unde droghe. He is to maneghen dinghen gut, 
nutteren getten, ofte sloken. He is gut den luden, de vinnen hebbet 
in den oghen, de den kowet unde stricht up de lede. He maket ock 
weck dat harde vleysch in deme gropen. 

Ceduare is gut ghegetten. Nutteren is he gut den luden, de 
dar hebbet an deme maghen ro eder harde spise. Na etende (70*) 
is he gut de niges hebbet getten ro eder harde spise, unde versus: 

Ceduar ante datum morbum curat inveteratum. 

Post cibum sumptum facit ut bene digerat illum. 

Lactonica is het unde droghe. He is gut mit wine unde mit 
honighe druncken weder dat water. En plaster dar van ghemaket 
is gut den oghen, de slaghen ofte gestot sint. Dat sap is ock gut 
an de oghen droft, deme de oghen ser sint. Soden an watere unde 
ghedruncken vordrift den tran van den (70 b ) oghen. He is gut den 
verschen wunden unde den brokene hovede, de se stot unde binc 



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tat 



dar up. De netten brinckt se gande mit lionighe menghet, unde ghe- 
druncken vordrift se den hosten. Dat lif maket se sachte. Ere 
wortele pulveret unde ghedruncken helpet den luden, de binnen to- 
spleten sint. Mit wine druncken is se gut vorgifnisse. 

Macer (hs. t) de viribus herbarum dicit quod ypocras in multis medicaminibus 
utebatur porro. Unde (71 a ) dicit: Illius succum solum dedit ille bibendum 
Egrotis qui reiciunt spumantqve cruorem. Reddit fecundas mansum persepe 
puellas. Cum vino porrum datur hiis quos leserit anguis. Quodlibet autem 
animal fundens letale venenura. Nec minus hiis prodest si vulneribus superaddes. 
Si veiud enplastrum porrum cum meile subactum. Commixtus porri succus lacti 
muiiebri Et bibitus tussim fertur sedare vetustam. In viciis variis pulmonis 
subvenit idem. Auris compescit cum capre feile dolorem. Eius jungatur succo 
pars tercia (71 b ) mellis. Et sie per[na] nares surdas fundendo vel aures. Inmensum 
poteris capitis sedare dolorem. Cum vino bibat hunc, lumborum quem dolor angit. 
Dicunt nil tali melius prodesse dolori. Fracturas solidat cito duriciasque relaxat. 
Appositum vulnusque recens Semper cito claudit. Si crudum fuerit sumptum levat 
ebrietatem. — 

Van der wegebrede. 

De weghebrede is kolt (hs. klot) unde droghe; dor dat droghet se 
vule wnden, unde maket se reyne. Se vordrift dat flecht unde (van 
laiere hand: stot men se unde leget se dar up se helet oc) de brande 
bladderen. Se is gut weder (72 a ) den blotganck. Se is gut den 
luden de de hebbet emorrodias, dat sint de äderen de somelichen (hs. 
lithen) tospleten sint in deme hemelichen weghe. Se is gut den vrowen 
de der blomen to vele hebbet. Er wortele an watere soden unde de 
munt mede ghewaschen, is gut weder dat tenen ser. Ere sap is gut 
weder de bladderen des mundes (op den rand: of men dat deit in 
den munt) also Galienus spricht. 

Van der holwort. 

Holwort is twierhande. De ene is senewalt, unde de andere 
lanch. De lang is gut weder den roden colre unde reyneget manighe 
vulnisse. (72 b ) Se maket och reyne de tenen unde de äderen, de 
wanghen sterket se. Diascordes spricht en dranc van der langhen 
holwort ghedruncken mit wine is gut weder allerhande vorgifnisse; 
mit peper unde mit myrten druncken weder der vrowen suke de be- 
stoppet sin unde weder alle unwledicheit. En toge mit wine druncken 
is gut weder dat bueovel dat van den bösen winden comet, se is gut 
weder den bösen adme, weder den colen gischen, weder der milte 
hardicheit unde och weder dat (73 a ) colde ovel. Se is gut mit watere 
druncken weder dat vallende ovel unde den ram. 

Fumus terre is warm unde droghe; ghedruncken sterket he 
den maghen. He maket gude lust to etende ; de netten brinche gande. 
He is gut der bösen leveren. Sin sap is gut druncken der hut weder 
den ioke unde weder der roden colre. He maket och reyne blot, he 
reyneghet de lichamen vele. 

Van der rosen. 

De rose is colt unde droghe. Se js gut geroken den luden de 
de hette hebbe van der leveren oft van deme (73 b ) maghen. Se is 

9* 



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gut weder den heten colre unde weder dat vorbrande blot, unde weder 
de heten sucht. Mit wine soden unde dat hovet mede gedwagen vor- 
drift se allerhande sericheit de van der hetten comet. De munt dar 
mede waschen (mit deme rosen watere) reyneget de bösen kene- 
backen van den wormen. Mit water druncken is se gut weder dat 
bucovel. Dat rosen water ghedruncken colet dat lif unde den maghen. 

Van der rüde. 

Rüde is het unde droghe. Se vordrift dat grone flecma, de bösen 
win unde dat starke (74 a ) hosten. Se vordrift spolworme ut deme 
maghen. Mit moraten sape unde mit honighe menghet unde ock salve 
darvan ghemaket, dat maket duster oghen clar. Se is gut ghetten 
(nüchterne weder den scemen der ogen unde) weder den worsteke 
unde weder vorgifnisse. 

Van der salvien. 

Salvie is het unde droghe. Se is gut der leveren, der lunghen, 
der borst, de ere blade et. Se maket och sachte weder ghevent; ere 
wortele stot unde mit boteren soden unde wrunghen dor enen doc, 
das is gut en salve de dat drincket an warmen bere (deme menschen 
de dat binnen to broken efte tospleten is.) 

(74 b ) Fiole is colt unde vuchtich, se vordrift den bösen colre van 
deme maghen, se helpet der bösen borst, roken helpet se deme bösen hovede 
dat van hette we deyt. Mit wetene mele menghet unde up de bösen 
bladderen leghet, helet se. Sirop van violen druncken vuchtighet 
dat lif. It vordrift den heten hosten unde dat hete van der lunghen, 
van der leveren unde van dem live. In de nesen pustet und en 
prustent dar van gemaket, dat maket sachten slap. Sucker mit fiolen 
menghet, (75 a ) dat het zucker fiolat, dat is gut getten der borst, der 
leveren, der lunghen. 

Wermede is het unde droghe, se vordrift och den slim van deme 
munde des maghen, der leveren unde der äderen, de van der leveren 
dat blot ghevet deme live; se maket gude lust to etende (se is gut 
den luden de en kranc herte hebbet gestot unde an wine gedrunken, 
se maket oc de lüde vro.) mit zucker druncken, he maket och reyne 
alle dinc des minschen (de hir vore bescreven sint) unde vordrift och 
den roden colre. 

Afrude is het unde droghe. Der vrowen moder openet se (ere) 
mit mirren menghet und en pessarium dar van ghemaket dat brinct 
(75 b ) der vrowen blomen gande; it droghet och de moder unde breckt 
de sweren der vrowen. To pulveret unde mit gersten (mele) menghet 
breckt se den harden sten (unde sweren) (onderaan van latere hand: 
in wine soden unde drunken) unde helpt weder de colden pissen, se 
dodet de spolworme oft man se drinckt an olden bere. Ere asche mit 
olden olye menghet maket har wassende dat af ghewallen is, dweyt 
man dat hovet dar mede mit der loghe; ere sap is gut weder dat 
colde oft de minschen sie dar mede bestrickt. 

Pors is colt unde droghe, he vordrift (76*) de hette van deme 
hovede, pulveret droghet he de vule sweren ; gebrant to pulveren unde 



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mit rosen watere menghet, unde dat hovet mede bestreken, bestoppet 
dat blot der nesen. Sin sap is gut tegen den hosten nochten scadet 
he nicht der lunghen, der borst, he 7 sterket den maghen und alle 
dinch de an de minschen sin, de netten brinct he gande, de seren 
wunden, de weken lede sterket he. (onderaan: sin sap in den oren 
droft vordrift dhe bösen vochticheyt in den oren.) 

Celeya. 

Celeya is ein crud dat wasset opper heyde dat is lic der hertis- 
tunghen unde is doch nummer an den (76 b ) bladen. De brinckt de netten 
gande gedruncken mit wermeden sape, vordrift de bösen winde van 
der leveren van der milten; mit etike druncken is se gut weder de 
gelen sucht. Se bricht och den sweren op der milten, se is gut weder 
den wormsteke ; druncken is se gut der borst, der blasen, der lunghen 
unde den wunden. 

Alant is warm unde vuchtich, he is gut to der borst, to der 
lunghen, he reyneghet se van der groven vuchticheyt. En lactuarium 
darvan gemaket dat is gut weder den olden (77 a ) hosten unde weder 
den bösen adme unde weder dem uppeblasenen buc. He is gut weder 
den wormsteke doch scadet he deme hovede vele gedruncken. 

De slen sint gut. Colt sint se unde droghe. Van den spricht dyascor- 
des, eyn heydenesch meyster: De slen sint gut to sweren unde to swelen, 
oft man den sten ut nimt unde stot se (onderaan: unde to den wilden 
vure.), to den bladderen an dem munde, to den iokenden oghen, 
den bacdarm unde der vrowen hemelicheyt, de utgescoten is, de drift 
se weder in, oft man ere sap drinckt an wine och gift man se 
(77 b ) drincken den blotsuchtighen luden. 

Mastix is het unde droghe. He vordrift de vuchticheyt des 
maghen, he maket lust to eten de den swel unde alle boscheit des 
maghen, der leveren unde des lives mit rosen watere menghet unde 
de maghe butene mede bestreken dat sterket ene unde maket ene 
reyne. Dyascordes ein meyster spricht: mastix mit colden watere 
drunken sterket sere den maghen unde vordrift sine boscheit, mit 
warmen watere helpt he nicht. Johannes Damascenus spricht: Mastix 
is gut den luden de langhe hostet hebbet. Galyenus spricht: Mastix 
is (78 a ) gut den luden mit den bösen kenebacken dat man se dar 
mede wasche wente dat helet de clove unde vordrift de unreynicheit. 

Aloe paditum dat is het unde droghe. It reynighet den magen, 
dat hovet unde de lede, it brincht gande dat bose flecma van den 
liven, it gift güde lucht den bedempeden leveren, it vordrift de gelen 
sucht. Nicht vele unde nicht dicke scalmen it geven want is scedelic 
deme maghen (78 b ) unde dem ingeweyde. Dor dat scalmen dar to 
don mastix ofte dragant na siner temperinge. Wasch it nicht mit 
watere; wltu it geven to drancke, so wrif it en clene. 

Avrine is tvigerhande, grot unde clene; de sint beyde het unde 
droghe. Galyenus saget, de wortele der groten aurinen hevet 
tvigerhande smac, dor dat hevet se tvigerhande macht. Se is scarp 



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und ein clene sote. Mit erer scarpicheit brincht se der vrowen blomen 
gande und och dat dode kynt, mit erer bitterheit is se gut weder 
den bösen adme. Se (79 a ) vordrift den olden hosten. Se is gut den 
wnden unde to dem blotganghe. Se sterket de lüde. Ere sat unde 
wortele de hebbet allene macht. De wortele der minneren aurinen 
de is gut gedruncken mit bere dor den colden unde de groven vuch- 
ticheit des minschen to der colden sucht is se gut. Ere sap mit 
honighe menghet vordrift den Seemen van den oghen. 

(Twee regels ledig.) 
Derne gif drincken den worm, de des nachtes scinet in deme 
somere. I 
Wil de vrowe vele melich haven. 
(79 b ) De neme feneeol unde sede den an wine eder an melike j 
unde drincke den nüchteren so wert ere noch. 

Wil se dat der melich vorga. 

Se stote crevete unde leghe de uppe de titten, so vorgheyt ere i 

de melic vil drade. j 

Weder de blodende wnde. I 

Du scolt nemen en eyges scellen unde leghe de in starcken etik I 

want se also wec werde als en ey in der henen, nim de scellen unde I 

leghe se an de sunnen, want se droghe werde dat se to stuve; an I 

welike wunden du dat stof deyst, dar untsteyt dat blot. I 

(8Ö a ) Weder den sten. j 

De den sten en binnen hevet, de neme dat blot, de hasen unde ( 
de hut de an der siden is, also scalmen se bernen. Mit warmen water 
scal he dat drincken nüchteren. Wltu dat bevinden, nim eynen sten 
unde des pulveres en lepel vul, in warm water scoltu dat don so 
togeyt de sten. 

Weder den sten. 

Nim buckes blot unde droghe dat in der sunnen, want it hart 
werde, so nim unde tempere it mit witten wine unde gif it warm eme 
drincken des morgenes unde des avendes, so müt de sten tobreken 
(80 b ) dat is vorsocht. So de sten tobreckt, so scal he petercilien 
nuttechen, sone wasset de sten nicht mer. 

Swe nicht wol pissen en mach. 

Sve nicht wol pissen macht, de scal stoten comen unde legheii 
sapheram an win unde do dar in dat pulvere, dat scal he drincken 
des avendes unde des morgenes unde ete comensat unde petercilien sat. 

So we nicht to stole gan en mach. 

Sveme dat lif bestoppet is, de scal eten erwiten mit specke 
soden. Popelen unde wegebreden, petercilien mit smolte soden is 
eme gut. Elhorn, naderwort ghe(81 a )sneden unde seaven, dar scalmen 
des avendes up geten sote melic, unde wringen dat dor enen doc i 
unde drincken dat des avendes unde des morgenes. ' 



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Weder den scitten. 

Derne dat lif to sere geyt, de neme negen medeke in der erde 
unde berne de to pulvere, unde sprecke de wile negen pater noster 
unde make negen koken van weteme mele unde bestrike de mit bot- 
teren unde scede dat pulvere dar up, unde et dre koken des mor- 
genes, dre des avendes, dre to middaghe, dre an den namen des 
vaderes, des (81 b ) sones, des heylighen geystes. Drint eine dat lif 
darna, so neme he water unde do dar in weten mele unde make dar 
wit mose af, dat scal he eten mit witteme warmen brode; rintvlesch 
mit bonen soden is och gut. 

Van deme swele. 

Uultu en swel weken an den antlate oft an deme live, so stot 
lilien wortelen unde van popelen, van gersten mele, van honighe unde 
legghe dat plaster up dat swel. Swanne dat kolt si, so legghe darup 
en ander warm plaster; yo he dat dicker deyt, yo it eme er heplt 
(sie) unde helet. 

(82 a ) Van der Inngen. 

So we becummert is an siner lunghen unde sere hustet, so wert 
beslimet sin levere, de scal seden an watere lacricien, hertistungen, 
ysopen, dragant, dar scal he in don zucker unde drincken dat des 
avendes unde des morgenes, dar na scal he laten de lunghen äderen, 
den is eme gut. 

De ädere de under der tunghen leget, deme is gut ghelaten 
deme dat tenenvleesch swllen is unde vor tenen ser unde vor muntser. 

De ädere de dar leghet tvisschen deme lutteken vingher an der 
vorderen hant, de is gut (82 b ) gelaten weder de leveren unde weder 
dat vaste lif. De sulve ädere ander luchteren hant is gut gelaten 
weder de milten. 

De ädere de dar leghet binnen deme vorderen bene tojeghen 
dat anclef unde binnen deme luchteren is gut ghelaten vor drade 
wedaghe unde vor altovele blödes unde vor de quartanien. 

De ädere de buten oppe deme luchteren bene leghet toieghen 
dat anclef is gut laten vor binnenswel unde vor wedaghe ander 
wostenie unde vor lenden wedaghe. 

(83 a ) Vor swel unde vor blot an den oghen nim dat crut dat 
under deme kole wasset und dat witte van eneme eyge, unde stote 
dat to hope unde leghe dat up de oughen. 

Deme de oughen ioket unde dat blot dar to volt unde dat enem 
manne de oghen schir werden: man scal nemen dat wos van der 
rüden unde honich unde dat witte van dem eyge unde wringhe dat 
dor enen doc unde late dat an dat öghe. 

Vor de bladdere an dem oghen: nim atrimentum unde honich 
unde aloe unde (83 b ) dat witte van dem eyge, unde nim heden, unde 
make en plaster darvan (onderaan: unde leghe up de oghen unde) 
wringhe dat wos dar up. 

Vor scemen vor den oghen: nim witten zuchker unde werpen darin. 



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Tränet enen minschen de oghen de neine wiroch unde berne 
den under enen beckene to pulvere unde nim dat pulver unde do 
dat in de öghen. 

Vor wedaghe an den oren: nim zucker unde win unde lat dat 
an de oren. 

Wert enen minschen en bladdere dar dat vresme to volt. So 
mm en hon unde plocke dat under deme buc alle (84 a ) blot unde 
sette it denne up de bladderen, sterft dat hon, so nim en ander al 
want it vorgheyt. 

Blot enem manne de nese, de ne man stille kan. So nim enen 
gropen mit etike unde henghe eme sin macht dar in al want it eme 
vorgheyt. 

Vor vul vleisch an den wnden: nim droghe vleysch van ener 
scinken binnen unde bint dat dar up tvige des daghes al want it vorgeyt. 

Nim en dachtelen sten unde scaf dar af an ber unde gif ener 
vrowen drincken de des kindes nicht (84 b ) ghenesen kan; den sten 
scal en kusche minsche bi sie hebben. 

Deyt enen minschen dat hovet we van slaghen oft van valle, de 
neme wermeden und seden de an etike unde bint de warm dar it de 
we deyt. 

Wert en man wndet de alto sere blot, de neme bemende netelen 
sat unde berne dat to pulvere unde werpe dat an de wnden so unt- 
steyt dat blot. Blot enen minschen de nese al to sere so do he 
dat sulve. 

Deyt enen minschen de lunghe oft ander yngeweyde, yngedome, 
we an (85*) sinen live, de neme wermoden unde werpe ene kannen 
alle vul unde ghete dar win up also vele dat de kanne vul werde, 
unde lat dar inne ligghen ver daghe of vive bestoppet, unde werpe 
denne wech de wermeden unde drincke den win nutteren want it 
eme vorgha. 

Vor vule wunden: nim grone svinen smer unde smelte dat, unde 
nim dat smolt unde blanken win unde weten mele unde make dar 
dick gorte van unde leghe al so warm vor de wunden. 

Quivis homo debet sollicite custo(85 b )dire quattuor tempora anni. Ver 
enim est tempus calidum et humidum et tali modo temperatum ut aeri simile et 
excitatur in eo sanguis et proficit in nomine quod est equalis complexioni, scilicet 
intemperate, scilicet ut sunt pulli gallinarum et ova. lactuce egrestes. et lac 
caprinum. Nullum eciam tempus melius est nec utilius ad minutionem et perficit 
in eo usus veneris et usus balnei et sudoris. et universa purgatoria et potationes 
specierum ad dygerendum. Sequitur postea tempus hestivum et calidüm in quo 
excitatur colera rubea et oportet in eo cavere (86») ab omni eo quodeuinque 
fuerit calide et sicce complexionis quo quidem caveatur colera rubea. caveatur 
ab estu nimio et potu et a nimia saturitate. ne extinguatur calor naturalis et 
comedatur tantum quod frigidum et humidum fuerit ut sunt carnes vituli cum 
aceto et eucrobricem et pulli saginarum ex farina ordeacea et ex fruetu quiequid 
acuti saporis ut mala olerea et mala granata et succus vicum et verius (i venus) 
parce exerceatur, et caveatur ab omni minutione nisi necessitas coegerit et motus 
corporis et balnea exerceantur. — (86 b ) Sequitur autumpnus quod est tempus 
frigidum et siccum in quo colera nigra consurgit. sive melancolica. et oportet 
ut in eo observetur ex eibis quiequid fuerit calidum et humidum et bone com- 



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plexionis ut sunt pulli et agni, uve quoque dulces. et vinum vetus atque subtile, 
atque abstineatur ab omni quod coleram nigram generat et motus corporis absque 
usu veneris. magis sie quam in estate. et balnea quoque. eciam si necesse 
fuerit purgatoria exerceantur. Post hec sequitur tempus frigidum et (87 a ) humi- 
dum in quo usus bibendi debet mutari ad medicinas calidas et eibos calidos ut 
sunt pulli columbarum arenna. caro assature et universa pulmenta calida. ficus 
quoque et nuces et vinum Optimum rubeum et similiter sumantur electuaria 
calida, abstineatur a minutione sanguinis et a solutione ventris nisi magna neces- 
sitas ista requirat. et oportet calefacere aerem nec impedit in hoc tempore usus 
veneris nec motus corporis nec babundancia eibi ex (87 b ) eo quod digestio fit 
valida in hoc tempore. In Maii fine lux tercia quarta ve quinta. Queque sibi 
prodest minui de quolibet arcu et prodest homini per totum quemlibet annum, 
lumina ne perdat nec febres senciat ullas. 

In Januario de optimo vino bibe calicem jejunus. Sanguinem non minuas. 
pocionem non sumas ad ventris solutionem. asso balneo utere sepe. Mane comede 
sed non nimium quia nimia comestio et superflua febres generat. 

In Februario sanguinem minue, potionem aeeipe, omnia que- (88 a ) vis comede 
praeter aveam et betam. caput tuum et cerebrum a frigore custodi. cervisiam 
bonam in balneo bibe. Unde versus : Potio sumatur in pollice sie minuatur. Balnea 
fac assa vinum bibe non ope cassa. 

In Martio lavare sepius in balneo et purga dentes tuos fricando sale. noli 
minuere sanguinem sed provoca vomitum propter cottidianas febres. fac cocturas 
propter paralisim. Coctidie comede de pulvere rute, salive, fenicoli, apii, zin- 
ziberis, cardemonie, petrocilini unde versus: Balnea fac assa et (88 b ) dulcia sint 
tibi cassa Pullegium pota minua despice vota. 

In Aprili debes minuere sanguinem in mediana propter pulmonem et toracem. 
non comedas crudas carnes radices propter scabiem et pruritum, recentes carnes 
comede non nimium fumigatas quia carnes fumigate sincopum morbum generant. 
Unde versus : Potio sumatur, radix tibi nulla bibatur. Pota bitonicam pipinellam 
scindito venam. 

In Magio est quibusdam infirmus. quibus sane languide. Si tu vis sanus 
fieri absintium bibe cerifolium (89 a ) comede et omni tempore salviam et rutam 
sume. bitoniam et agrimoniam. lubisticum et fenicolum in potione aeeipe. Unde 
versus : Non aliud edas caput epaticum tibi cedas. Cum millefolio prodest agri- 
monia poto. 

In Junio aquam fontanam bibe jejunus propter pulmonem et toracem. 
jejunus bibe novam cervisiam sed medonem noli bibere. lactucam sume et in 
cena comede. butirum sanum est nisi in solo augusto propter oculos. Ceduare 
betonicam, agrimoniam in refectione sume. Unde versus : Potus aque (89 b ) frigide 
eoleram fugat hanc bibe mane. Combibe sambucae flores jejunus ut uve. 

In Julio si vis sanus fieri custodi te a nimia dprmitione ab asso balneo. 
a minutione sanguinis, a piseibus palustribus, a caulibus, a solutione, a calidis 
eibis. potio tua sit gamandrea, ruta, salvia. anetum. apium. 

Augustus est quibusdam periculosus. a frigore te custodi. frigidis eibis 
utere. noli sepe balneari. a palustribus piseibus te custodi et similiter a caulibus. 
agrimoniam bibe et pollegium et plantaginem. Si hec non custodieris eris infirmus. 

(90 a ) In Septembri aliquas buccellas lacte infusas comede jejunus et omnes 
fruetus maturos praeter pira nisi cum potu. potio tua sit cocta agrimonia, grana 
mistica et si volueris sanguinem minue. 

In Octobri omnia tarn volatilia quam quadrupedia sana sunt excepto solo 
cancro qui leditur a marino serpente. Racemis utere. Mustum bibe cum asso 
ansere. Sed uti te oportet speciebus ut stomachum tuum diligenter custodias 
ne intus aliquid de febribus misceatur quod postea (90 b ) totum corpus corrumpat 
Potio tua sit tibi ceduare, galigan, cinamomum, cobeben. 

In Novembri non utaris multum venere. Non calido balneo quia balnea 
et veneris officium faciunt virum debilitari et mulierem fieri ydropicam. Si opus 
est subeutaneum sanguinem minue sed studiose debes mel sumere et medonem 
bibe. Potio tua sit tibi zinziber, cynamomum, cobeben. 




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In Decembri custodi a frigorc cerebrum tuum ut per totum annum sis sanus 
a capitis dolore. Minue cyphonicam (91*). balueare quantum vis. porrum et 
zinziber cum pane comede. si hec et prescripta feceris medico non indigebis. — 

Kumt de nyeiares dach an den sonendach, so wert de meye 
vuchtich; de somer und owest werdet windich, konies wert noch unde 
wines, vrucht in den garden openbaret sich; de iungen lüde stervet. 
de stride werdet lef, so horthme nye mere van vorsten oft van koningen. 

Kumt he an den manedach de winter wert mene unde de somer 
matech (91 b ) unde de vlode gad vele. So heft me vruchtinge vor de 
seken, de scentliken lüde steruet. So strit me gerne, vostnisse der 
herue werdet thobroken, den olden quenen wert wenendes noch, vele 
manslacht wert dar, de konige vorgath; van den wapene wert vele dodes. 

Kumt he an den dinghesdach, so wert de winter grot ende vele 
vlode gad, de meye wert vuchtich, de oust wert droge. Cornes wert 
klene, de wif stervet, de gogedot de wert weldich, de scepe breketh, 
(92 a ) vele honeges wert er, vele brandes, vele suke; de vrucht in den 
garden de vorweit, olyes wert noch, grot bedrofnis wert in deme mere. 

Kumt he an den midweken, so wert vullicheit des kornes unde 
wines noch, klen apel, de lüde moget sie neren, kopenscat wert gut, 
de man stervet, de winter wert warm, van yseren wert scade, olyes 
wert klene, oust wert tomate, de meye vuchtich, den luden wert 
losinghe, de bestoppet sin in deme live, hunger wert over alle lant. 
Nie mere hört me. 

(92 b ) Kumt he an den donresdach, so wert vullicheit des kornes, 
luttigöth holtes, vele appele wasset, klene honeges werter, de 
winter wert sacht, de meye wert windich, de oust wert gut, de 
hanene vorgath, vele reghent, vele vlode komet, olyes wert noch, scade 
wert den luden vele. 

Kumt he an den vriedach, so wert de winter temperet tomate: 
de somer wert bose, en droge oust, nen vullenkomen korn, ochser 
wert, de kindere stervet, stride werter vele vor de koninghe, erth- 
bevinge (93 a ) wert ichteswor. Pelegrinadhse der koninghe und der 
weidigen wert danne. Vele olyes, scap unde ymnen vorderveth; grot 
nicht wert under den heren. 

Kumt he an den sunnavent, de winter wert windich. Grot 
hervest en bitter somer. Vlode scolen gan. En droge owest. Luttich 
gut kornes, fruchtsam korn, kindere stervet. Mit manigher hande suke 
werdet de lüde begrepen. Olde lüde stervet. Vele howes wert overmate. 

So wan de mane prime is, so (93 b ) suket lange. Swe des 
anderen dages bevolt, de mach sunt weerden. Swe des dridden 
dages bevolt, de suket starke unde langhe. Des verden daghes we 
den bevolt, de mot sterven unde des viften dages oc. Swe des susten 
daghes bevolt, de suket lichteliken; des sevendes daghes bevolt, so 
mach de seke mit arcedien sunt werden. Des achten dages so suket 
me nicht lange. Des negeden dages so wert me drade sunt. Des 
tegheden daghes wert me sunt sunder scadhen. Des elften (94*) 
daghes so steyt me up van der suke. Des tvelften daghes so stervet 



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139 

he. Des dorteghenden daglies so wert he gemoget. Des verteghenden 
dages so wandelet he sie. Des viftegheden daghes so suket he want 
to tercien tith. Des sustegeden daghes och also. Des seventegheden 
dages so traghet sie de suke. Des achttegeden dages so wert me 
langsme sunt. Des neghentegheden daghes so suket me lange. Des 
twintesghen dages so steyt me drade up van der suke. (94 b ) Des 
enentwingesten dages och also. Des twenetwingesten dages so steyt 
he up. Des dreentwintgesten dages suket he lange. Des veren- 
twintgesten dages stervet he snel. Swe des viftwintgesten dages' in 
ene suke bevolt, levet he dre daghe darna, so wert he sunt. Des 
susentwingesten dages, so stervet he snel. Des seventwingesten so 
levet he. Des achten twintichges dages so wert he drade sterket. 
Des negentwintgesten dages so wert he sunt. Des tortighen dages 
1110t he sterven. 

(95 a ) Do de mane prime was, do wart adam maket. Wat du 
den deyst, dat is gut. Des anderen dages wart eua maket; alle wervet 
sin gut. Des dridden dages wart kain geboren; do nicht. Des verden 
dages wart abel geboren, wat du deyst, dat is gut. Des viften dages 
is schedelic begunnen enes dinghes. Des susten dages seth de kindere 
to der scole, so dyet se. Des seueden dages wart abel slagen, do, 
wat du wlt. Des achten dages wart matusalus boren, so wander me. 
Des negenden (95 b ) dages wat me deyt, dat is niweder gut noch bose. 
Des teyndes daghes wart noe boren, wat me deyt, dat is gut. Des 
elften dages so sege sat, dat wert gut. Des tvelften dages wart 
canaan boren, do nicht. Des dorteynden dages mach me win planten. 
Des verteynden dages wart Noe boren, so do, wat du wlt. Des vif- 
teynden dages do nicht. Des susteynden dages mach me ossen temen. 
Des seventeynden dages is svar allerley dinch donde. Des achteynden 
dages do, wat do wlt. Des (96 a ) negenteynden dages do nicht. Des 
twingesten dages wart Joseph boren, de dach is allen luden gut. 
De ene twintichste dach is och gut. De twe unde twintichste dach is 
swar allen luden unde bose. Des dre unde twintichsten dages wat 
du deyst, dat is gut. Des verentwintichsten dages do nicht, unde 
des vif unde twintichsten dages do och nicht. Des sussentwintichsten 
dages begunne nene grotes dinges. Des seventwintichsten dages do, 
wat du wlt. Des achtentwintichsten dages wat (96 b ) du deyst, dat is 
och gut. Des negentwintichsten dages dodedhe herodes de kindere, 
do den nicht. Des drothegen daghes wart Samuel boren, wat du den 
deyst, dat wint enen goden ende. 

Quia omnes verissime praescientie perfecta scientia comprehensi soli deo 
singulariter constituta neminem contra dicere puto. Quapropter et hiis qui ex 
tota mente atque eum humiliter qui huius argumenti scientiam dedit Quia omnis 
sapientia ad nomen deo est sicut tholomeo et pytagore fecit (97 a ) qui astrono- 
miam huius argumenti paginam omnibus per latinas litteras subscriptas eodem 

deo 

numero seu inferius continetur recte et fideliter numeraverit perfecte mq inquirit 
inveniet et perfectam scientiam collaudet quid ita facito. Sume duo nomina non 
appositiva sed propria si de pugna vel de coniugatis seu de egris aut de iter 



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140 



agentibus aut undecuraque investigare volueris. ex utriusque nomine per unaraquam 
litteram fac numerationem sicut in praesenti osteudam et divide ipsum numerum 
per novem de egris et contentione (97 b ) et de iungatis per Septem divide et 
quicquid et remanserit quere in pagina argumenti et invenies quis prius moriatur 
vel vivat vincat vel vincatur. Etenimhoc argumentum talis sensus quod litteras 
per latinas quae equalem habent numerationem sicut praedictum est, per hoc 
enim argumentum alexander pergens ad multa praesciens plurimos vicit. Similiter 
et egit pythagoras. Tu vero numera nomen stelle et nomen egri cuius die eger 
deeubuerit. si vicerit nomen egri vivet, si nomen stelle, morietur proeul dubio. 
De egris et contencione (98 a ) per nomen divide. De coniugatis per Septem, Nam 
hoc est exemplum. De contentione hectoris et patroeli (hs. patrochi). De con- 
iugatis theodius et gamma. De fratribus leo et alexander; De pugna cranus 
et eneas. unum et unum minor vincit, unum et duo qui habet duo vincit, unum 
et tria qui habet tria vincit unum et quatuor qui habet quatuor vincit unum et 
quinque qui habet unum vincit unum et sex qui habet sex vincit unum qui habet 
et septem unum vincit unum et octo qui habet octo vincit. unum et novem qui 
habet unum vincit. (98*>) Duo et duo maior vincit. Duo et tria qui habet tria 
vincit. Duo et quatuor qui habet duo vincit. Duo et quinque qui habet quinque 
vincit. Duo et sex qui habet duo vincit. Duo et septem qui habet septem vincit. 
Duo et octo qui habet duo vincit. Duo et novem qui habet novem vincit. Tria 
et tria minor vincit. Tria et quatuor qui habet quatuor vincit. Tria et quinque 
qui habet tria vincit. Tria et sex qui habet sex vincit. Tria et septem qui 
habet tria vincit. Tria et octo qui habet octo vincit. Tria et novem qui habet 
tria vincit. Quatuor (99 a ) et quatuor maior vincit. . Quatuor et quinque qui habet 
quinque vincit. Quatuor et sex qui habet quatuor vincit. Quatuor et septem 
qui habet septem vincit. Quatuor et octo qui habet quatuor vincit. Quatuor 
et novem qui habet novem vincit. Quinque et quinque minor vincit. Quinque 
et sex qui habet sex vincit. Quinque et septem qui habet quinque vincit 
Quinque et octo qui habet octo vincit. Quinque et novem qui habet quinque 
vincit. Sex et sex maior vincit. Sex et septem qui habet septem vincit. Sex 
et octo (99 b ) qui habet sex vincit. Sex et novem qui habet novem vincit. Septem 
et septem minor vincit. Septem et octo qui habet octo vincit. Septem et novem 
qui habet septem vincit, Octo et octo maior vincit. Octo et novem qui habet 
octo vincit. Novem et novem minor vincit. Potestate vel etate. 

▼ii iüi ii i iiii i liii jX^l üij 

Sol. Luna. Mars. Mercurius. Jupiter. Venus. Saturnus. |TJ • 

b vj . e^. d 1 . e iij . f viij . g ix . h x . k ij . l xvij . m". 

n xv . o xvj . p^. q xix . r" j . s vj . t xv . v xxij . x\ y T . 

z viii . gg 

Qui scripsit scripta sua dextra sit benedicta. (Een ledig blad volgt.) 

(100 a ) Sofferan is heit unde droge, he vordrift des magen 
wallinge, unde des hovedes serecheit, efte inen den sofferan etet mit 
der spise; he maket oc sachten slap. So werae de mage vorkoldet 
is, de sal sofferan leggen an win ene nacht, unde drinken den win 
mit deme sofferane dre morgene nochterne. 

Witte minte is heit unde droge, se sterket den magen, unde 
gevet gude lust to etende. Se verdrift de unreinecheit des magen. 
(100 b ) Ere sap is gut, drunken, weder den kolden hosten unde 
weder den gischen. Se dodet de langen worme des magen, de se 
etet mit sodener petercilien. Se brenget de drogen melc gande stot 
mense unde leget se uppe der vrowen brüste. Ere sap mit honige 
menget, unde in de oren droft, vordrift de serecheit de van koldecheit 
unde van winden darin komen is, unde sachtet dat hovet ser. En 



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141 



plaster mit solte dar van maket, dat he(101 a )let de wunden, de en 
dovendich hunt hevet beten, ere sap in supende drunken is gut den 
vrowen de der kindere nicht nesen mögen an erer not. 

Isope is heit, unde droge. Mit vigen, mit rüden unde mit honege 
soden unde drunken is gut der bösen lungen, unde weder den bösen 
athme, weder den hosten, weder den \lote, de van deine hovede 
to der borst geit. Se dodet de spolworme. Ere sap mit honege 
drunken vordrift de bösen vuchtecheit des lives. (101 b ) Ere crut mit 
drogen vigen geten maket scone hut. Mit eteke soden unde den munt 
mede wasschen vordrift dat teneser. 

Levestok is heyt unde droge, he dowet wol de spise. He ope- 
net de bedempeden leveren. He vordrift de colden vuchtecheit des 
magen, den wint unde de sericheit des lives tobreket he. Der vrowen 
blomen brenget he gande. Sine wortelen in watere soden unde &$t 
antlat dar mede dwagen (p. 100 en 101 van andere hand dan p. 102). 

(102 a ) Werne de derme in de macht gath. 

De sede in wine polleyen, porloch, benwelle unde do dar in salven 
dat sal he dringen des morgenes unde des avendes; he sal och seden 
an wine swavel, clufloch unde solt unde binden dat up de macht, 
also he dat hetest doge möge; dat is eme got. 

Werne dat lif sere dun is. 
De scal stoten vencoles wortelen, merch wortelen unde dringet 
dat mit wine. He scal och nemen gerstenmele unde lin unde de 
wortelen van der lijlien (102 b ); sede dat to samene mit watere; do 
dar to sap van wegebreden; bin dat to samene up dat lif, so werst 
tu sunt. 

Pil efte en dorn in deme vlesche steket. 

Sweme en pil efte en dorn in deme live steket, de neme unde 
stote rores wortelen, unde do dar to honich, unde stric dat up ene 
doc, unde lieh den doc up de wnden, dar de pil inne is so get he 
ut. Dat selve dot oc clever mit der wortelen gestot unde honige dat 
unde yseren hart verbena gestot unde dar (103 a ) up geleget. 

Welic vrowe der blomen nicht en hevet. 

De sede in alden bere sevenbom, sinegrone, bivot, poppelen, 
materne, petercilien, veneeol, allike vele; alle desse crude mit der 
wortelen. Dat sal se dringen dre avende unde dre morgene vor der 
tit dat de blome plach comen. Ofte he sede an wine polleyen, 
aurine, batonien, unde dringe dat wlach dre avende unde dre morgene, 
ofte se stote muchwort, lubistoch, sevenbom, dar na sal se dar up- 
geten blangen win, (103 b ) unde dringen den in deme bade so wert 
here rat. 

So welich vrowe der blomen to vele. 

De neme verberan unde delem van des groperes ovene, unde 
pulveren den clene; dat do se in ere hemelicheit, so wert here bat. 



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En ander, Eyn vrowe scal sich uppe swinmes setten, dat men 
mestet, also warm; so vorgeidet er al to hant. 

Welich vrowe en dot kint. 

So welker vrowen der dat kint in deme live gestorven is: de 
scal to samene stoten rüden (104 a ) unde bivot, venecol, efte anis, 
unde menget dat mit wine, unde laten se dat drinken so geneset se 
dar van drade. 

En ander. De drinke satuream mit warmen watere, so wirt 
se van der bort gelost. 

To der siden. 

To deme siden ovele : drinc rolikensap mit wine, dat helpet anc 
tvivel. Deme de milte to grot is, de drinke stedeliken satuream mit 
warmen watere, so wert he gesunt. 

Deme de nese gerne blodet: de drinke (104 b ) merc sap; dat is 
eme gut. 

Van der pissen. 

De nicht pissen mac, de neme ene segen blasen unde gete de 
nette ut, de dar inne is, unde do dat in wlach water, unde bint se 
vaste to, unde hengen se in warm water, unde laten se seden en 
luttich. Dar na gete he dat water ut der blasen, unde drinken dat, 
so geneset he. 

Van deme hoved. 

Deme dat hovet we dot, unde hettet: de dwa dat vorhovet 
dicke mit colden watere, darna neme he fiolen water, unde (105*) 
huslokes sap unde steke dar in enen linenen doc unde bestrike 
dat vorehovet dar mede; dat is eme gut. 

To deme hovede. 

Deme dat hovet we dot van colde: de neme polleyen unde lor- 
beren. Dat scal he lange seden an watere unde laten den vor adeni 
ut deme gropen gan to deme hovede, also lange wente he swete: 
unde make en plaster dar van up dat hovet dat sachtet. 

Weder den hugen. 

To deme hugen: nim billen (105 b ) wortelen, unde make de to 
pulvere unde legen dat mit eneme lepele up den hugen, dat helpet 
eme wol. De drovich is de drinke stedes merc sap, dat maket ene vro. 

To deme spolworm. 

So we den spolworm hevet : de sede aurinen mit wine und drinc 
dat efte berne herteshorn to pulvere, unde drinc dat an wine; efte 
he sede dat lof van eme peisikes bome an wine unde drinc dat. 
So weme de tene we dot 
(Waarschynlyk zyn hier binden uitgevallen; hei volgcnde van dezelfdc 

hand as blz. 100 e. v.) 
(106 a ) vram, unde sut ene sere, unde drinch dat sot vaste. Nim crut 
dat in deme meye wasset, dat hevet kl e ne (voor en na e zyn Utters 



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uitgckrabd) witte blonien unde sin wortele in der erden de is ghescapen 
also crevetes roghen; wan de mey vorgat, so vorgat de wortelen; dat 
crut solt tu seden mit der wortelen unde drinket vaste, et de wortelen 
oc, dat dodet de varen an deme live. Dit is £n ander. 

En ander. Nim de braden van deme perde, berne se to pulvere. 
Scade dat pulvere in weke eygere, et se morghene (106 b ) nuctheren 
an deme namen ihesu cristi. 

Wan der hutser. 

Mennich minscbe de is vol an deme antlate unde knorrech unde 
de hut ser unde liket deme ovele unde en is doch nicht; de scal 
nemen gersten molt, bruwe dar af ber dat dicke si, dat it wol gheren 
moghe. Also it alder sereste gheret, so henget over dat vur, wirp 
dat in agrimonien, lat it seden, ghetet an ene bodene, also vele dat 
du de hette wol doghen mocht. Nim heder nethelen unde solt, eyn 
luttel (107 a ) sures deghes, wrif alle dinen lichamen sere mede unde 
swete also du ith lengeste doghen moch. Wanne du dat denne nicht 
lenger doghen unde macht, so wasche die mit deme bere dat in der 
bodene is. Wanne du Utgast, besla die an eneme wllenne kleyde, unde 
drinch enen ghoden thoge alandes wortelen de an wine ofte an bere 
soden si. Ga oppe din bedde unde swete also du ghedoghen macht 
unde rouwe die wol. Wanne du up stan wlt, so salve die wol 
mit der salven, (107 b ) de make aldus : nim de wortelen van der smalen 
slitten lodeken, de is ghele; wasche se reygne; make heden nat in starkem 
eteke, wrincht de wortelen dar in unde rake se an de heten hameren, 
get dar etech op unde lat se lange seden in der ameren unde in deme 
eteke, so nim witte asschen de van deme holte stuft, make se nat 
mit der nutteren speken. Nim swevel stot ene clene, sichtet dor enen 
dicken doch rames also dat yewelkes si en verdinch wich. (108 a ) 
Do dar to olt smer also vele dat it wol moghe inne seden, stot it 
altosamene clene unde du it an enen scapen, holdit over dat vur 
dat it to samene sede, so werp dat to dre penninewart quiesilveres, 
do an ene bussen, hir mede salve dich na deme bade, so helit di 
din hut unde wert slicht, unde gut, dat is verliken war. 

Thegen de antlates wlecke. 

Teghen de bulen unde de wlle unde vlecken des antlates. Nim 
ossengallen, do dar to circollen; des avendes wan du slapen (108 b ) 
geist stric op din antlat, make aldus dat du mede afwasschet. Nim 
venekoles crut, set an watere, also it ghesoden is unde beginnet colen, 
so werp dar in en luttel wetener clien, sette dat up unde late it stan, 
legge dar over enen dünnen duc; dat nate dat uppe deme doke si 
darmede wasche die alle morgene, so werstu ghesunt. 

Theghen de spruten des antlates. 

To den spruten unde to den bulen unde to den vinnen, to den 
suren van deme antlate to delghende. Nim fenugrecum, unde gersten, 
(109 a ) stot dat sere unde do dar water to unde dwa die wor du 



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wlt. Nim dat witte van deine eye sunder doder wringet dor enen 
doc unde do da to gersten mele fenugrecum, honnich, so make ene 
salven darmede bestrich die din antlat. 

Van den bladeren. 

Sweme de biedere in deme antlate uplopet unde werdet de 
roven, de sede saluien, beueritzen, hintberen unde drinc de ; if dat wives 
(hs. wines) name is, de salve de roven mit der witten salven, unde wassche 
se af des morgenes mit colt gothen; (109 b ) dat de assche si van 
haverstro ghebrant. Dit moghen oc de man don ofte se bedorven. 

Weder den buebete. 

Pulver peper, eppes sat, fenicolis sat unde trinkes tvene leffele 
in warmen watere. 

Weder de herte sweren. 

Stampe rutam mit etteke unde mit honeghe, unde mit gerstene 
mele, unde leghe dat dar overe, unde drinch der bramberen sap. 

Weder de ghelen sucht. 
Drinch kumin mit wine in deme blade. 

Weder de warten. 

Des hundes mes to aschen ghebrant unde gestot (110*) mit der 
assche, loghen darvan gemaket unde dar mede ghewasschen vor- 
delghet de warten. 

Weder dat hovet sweren. 

Sut eyn warmoseken van smerwortelen, unde beten; menge dar 
to olie unde coriandrum; et dat warmos, unde dat sot sup darmede; 
it roret unde nemet den hovet sweren. 

Weder dat witte in den oghen. 

Pulvere twe del berterames unde eyn del ingivers, unde nutte dat 
atter etende ghescaden up dat brot. 

Deme de oghen ioken. 

Der seide centauriam in virnen wine, (110 b ) unde drope darin. 

Weder de geicht. 

Nim weghebreden sat, salvien unde musschatenblomen, pulvere 
dat to hope, inde it dat uppe witten brode alle tid, unde beveritze 
helpt oc darto gegethen. 

Weder de vinnen in den oghen. 

Nim olde speeswarden unde scaf dar af dat vette also eyn 
walnut, stot dar to copperrot unde rüden, menghe dat to hope, do 
dar in en clene wan du slapen geist. 

Wan de mane prime is, so is he al den dach got. De andere 
dach de inde is nicht gut. De drudde dach de (lll a ) is in der 
drudden stunde gut. De verde dach de is vro got. De vifte de is 



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nicht gut. De süste is unnutte. De sevede de is gut. De attede 
de is vro gut. De ueghede is nicht gut. De tengde dac is gut. De 
elfte dac de is nicht gut. De tvelfthe is gut. De druttenghede de 
is nene tit gut. De vertengde de is gut. De viftengde is nicht gut. 
De sestengde de is unnutte. De seventengde de is alle den dach 
gut. De achtengende de is nicht gut. De negentengende de is hetere. 
De tvinthegheste (1 1 l b ) de is gut. De enundetvintegeste dach 
de is vro got. De tveundetvintegeste de is in der sevenden 
stunde gut. De dreundetvintegheste de is in der elften stunde gut. 
De verundetvintegheste de is gut. De vifundetvintegheste de is 
nicht gut. De ses unde tvintegheste de is gut. De sovede unde 
tvintegheste .... (uitgehrabd) de is . . . . (uitgehrabd!) gut. De att 
undetvintegheste de is nicht gut. De neghede unde tvinthegeste de 
is nicht gut. De dortegeste de is unnutte. 

Derne de luse den maghen eten. (van andere hand.) 
Gif im den reynvanen in deme Meyn nutteren drinken, dat is war. 
(112 a ) In allen manen. 

In allen manen scal men groten wäre nemen der dage, de dar 
hetent dies egiptyaci, de vorworpenen dage. Wente de hedenen lüde 
eren touer, unde ere vorgiffnisse to semene temperden, wente se denne 
wisten den duvel weidiger, den to ener anderen tyt. So ne scal men 
den nin blot laten noch drenken nemen noch werken beginnen. Disse 
dage holdet, alse se hir bescreven stat, dat is di nutte. In iewelikeme 
iare sint ene unde(112 b ) dertich dage scedelich, also de mestere van 
paris geprovet hebbet in den planeten. So wat en mensche beginnet 
in den dagen, dat get eme ovele. Januarius de hevet der dage sesse, 
den ersten, den (onderaan: anderen, den) viften, den sevenden, den 
achten, den viftenden. Februarius hevet er dre, den sesten, den 
sevenden, den negenden. Martius hevet vere, den viftenden, den ses- 
tenden, den seventenden, den achtenden. Aprilis hevet dre, den sesten, 
den sevenden, den viftenden. (113 a ) Maius hevet dre, den sevenden, 
den viftenden, den seventenden. Junius hevet enen, den sevenden. 
Julius hevet tve, den viftenden, den seventenden. Augustus hevet tve, 
den negentenden, den tvintegesten. September hevet tve, den ses- 
tenden, den achtenden. October hevet enen, den sesten. November 
hevet tve, den sestenden, den seventenden. December hevet er dre, 
den sesten, den sevenden, den viftenden. In dissen (113 b ) dagen scal 
sie en mensche bewaren, dat he nen blut late in deme achten dage 
des Aprilis, efte des ersten in Decembri, de stervet binnen vertich 
dagen. We des sevendes efte des achten dages des Aprilis blot let, 
de wirt blint. We up den lesten dach in Martio efte des viften 
dages b . lot (een letter uitgehrabd) latet, deme wirt in deme iare dat 
colde ovel in dissen dagen. Beware die wol, dat rade ic die. 

Weder dat horent. 

So weme dat blot vor den (114 a ) oren is, dat he nicht hören 
mach, de sal ene witte gans wullen mit eme witten ale unde mit twen 

niederdeutsches Jahrbuch. XV. 10 



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queden. De gans sal he laten braden, also lange bet se alle gare 
werde. Under dhe gans salinen setten enen scapen unde ontfan dat 
smolt. Dat salmen don in de doven oren des avendes ; des morgenes 
salmen dat utwisken mit bomwullen. Efte me sal neinen emeten eyere, 
vrowen melch, porrolokis sap unde (114 b ) segengallen. Fuchtigeth 
desse ding, sal men to semene stoten unde mengen, unde dropen in 
de oren; ofte me sal enen sipolen boven afsniden unde maken se 
binnen hol, dar sal men in don win unde bom oley, unde setten de 
uppe hete aschen, dat se wech werde, so scal men de fesen afscellen 
unde towriven an ene scotelen unde wringen dat dor enen doch an 
enen gropen skervel; dat salmen des avendes warm don in de oren, 
unde drogen se des morgenes mit bomwllen. (115 a ) 

(Hier ontbreken bladen.) 

unde bint dat to. Nim linsat unde sut dat sere mit borne unde 
wrinc dat dor enen duch; nette den duch dar inne, unde sla dat 
umme dat ben ; dot dit vif dage, enes des dages. Hevet sie dat ben 
ut gegeven, make enen knust van linenen doke unde bint dat mit 
den scenen, unde dwinc dat ben (gl. den) to samene, na vif dagen 
bint ene twige des dages mit salven unde mit sweden. Jo he dickere 
badet, io it eme betere is. Sut be-(115 b ) wellen (lees bevenellen) in 
alden bere unde gif eme alle dage drinken. 

Van der salven. 

Nim alt smer unde smelte dat unde lüttere dat van deme solte 
unde do dar hart to, unde nim wincrud, fenekel, benedictam, ribwort 
unde reliken. Dat stot to samene an eme morsere unde do it to 

deme smolte unde to deme harte . . unde (uitgekrabd) latet so 

lange seden wente it al groue werde, unde wrineget dor enen sconen 
dok, unde latet colden, unde do it an ene bussen. 

(116 a ) En ander. Nim dat lof, van deme wepdorne unde stot 
dat mit reyneme swinensmolte ; der blade twie also vele so des 
smoltes; do in ene bussen, unde latet roten. Na pinkesten lüttere it. 
Nim nachtscaden, crueewort, hunswarf, iunc lof van sproewiden, 
lindenlof, bladelosen, levestok, venekol, huslok allike vele, stot dat. 
Nim svines smoltes al also vele also des (doorgeschrapt: smoltes) crudes 
is. Nim wirokes ene halve marc, de soir si. Smelte (116 b ) dit to samene 
unde do it to deme ersten crude. Nim dat erste crut unde dat smalt, 
lat dat tosmelten an ener pannen; set it af unde lat it melcwara 
bliven; do denne desse crude to samene an ene pannen unde sedet 
so lange, wante it grone werde unde wringe it denne dor enen dok 
an ene bussen. Dit is gut weder dat vressem, weder de dovende gicht, 
weder de wunden de sie missescapen hevet. 

Gichtsalve. 

Nim salvien, rüden, sevenbom (117 a ), der drier like vele, unde 
stot dat clene. Nim ölde boteren unde smelte de, unde scume de, 
unde lüttere se van deme solte. Menget mit der boteren, unde set it 



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147 



also lange, wente it grone werde. Wringet dor enen sconen dok in 
ene bussen. 

Piastersalve. 

Nim olde boteren, lüttere de reine, do dar to en del dyalten 
unde hartes unde sede dat to samene unde wringet dor enen dok. 
So wanne it clar is, so scal tu it sere slan mit ener scenen (117 b ) 
unde do it an ene bussen. 

Sweden. 

Nim bücken talch, unde vifte del wasses, unde hart. Smelte dat 
to semene, wringet dor enen dok, unde ce de sweden dar dore. 

Dyalte. 

Nim fenugrecum, weket an wine enen dach, unde ene nacht, to- 
stot it denne an eneme morsere. Nim dranwortelen unde siechte 
lodiken wortelen like vele, unde sede de wec unde scelle de scone. 
Stot it an eneme morsere, unde dat fenegrecum dar to, unde tempere 
dat to semene. (11 8 a ) Nim aide verssche boteren, smelte de, lutter 
se van deme solte, do (op den rand: dat) dar in unde set it sere, unde 
wringet dor enen dok an en becken unde lat it koylen, do dar to bom- 
olye, unde sla it to gadere, do it dan an ene bussen. Dit is dyalte 
unde is gut weder de gicht. It helet de senen, unde vordrift dat swel. 

Dit is agrippa. 

Nim billenkrut, nim hedernetelen like vele, unde grensinch also 
vele, nim boteren, unde lüttere de; stot it to samene mit harte, 
(118 b ) unde set it, wringet dor enen dok an enen becken, lat it kolen. 
Nim de salven van deme drose. Nim den gersten olie, tempere de 
salven darmede, dat so hart blive. Dit is gut weder de leveren unde 
de lungen. 

Bensalve. 

Nim bomolie, unde bliwit, menge dat to semene, dat it even 
dicke werde. Dit is gut voor benser. 

Weder aide worme (op den rand: wrif). 
Orprement, temperet mit bomolie (van latere hand: unde strich 
dat in de stede dar de worm is) it vordrift aller(119 a )hande worme. 

Weder den bucbete. 

De den bucbete hevet, de neme rot minium unde wrive dat 
mit wine, unde drinc dat negen dage nüchteren. 

Weder de moter. 

Set hoppen an eneme nyen gropen, siget dor enen dok unde set 
bivot dar inne; so welc vrowe er blomen nicht ne hevet, unde swellet, 
se drinke dat in deme bade. So scal se seden an watere lumeken 
nortmanen. Nim nacht unde (119 b ) dach unde weermoden, batonien, 
sprocwiden, scorflodeken, negenkraft, dar bade de vrowen ane, dar 
na scal se slapen gan up en bedde, unde late sich warme bedecken; 

10* 

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148 



io se dat dickere dot, io it er betere is. Dit is (gl. dat) gut weder 
dat water, weder de gelen sucht, weder dat swel der vrowen. 

Weder dat water. 

Nim varn unde grone bonen an scoden, grone erwitte an scoden, 
grone wicken, unde hoppen. Set dat unde bade dar ane unde gif erae 
en oximel (120 a ) also hir vore screven stet. An deme viften dage gif 
eme dat pulver, also hir vore gescreven stet. 

Dit is en vullenkomen sirop. 

Nim hertestungen enen halven verdinc, copillam, polipodiura, 
lacricien, kristianen, kastifistulam, dragantum, rosen, fiolen, helpe, 
sudistelen, lungewort, lacricien sap, desser allike vele; dat dar wor- 
telen hevet, dat scal men stoten. Anis en lot, venecoles sat, akeleyen 
blomen, peterciliensat, desser vere allike vele (120 b ); dat pulvere unde 
bindet lose an enen reinen dok, unde sedet an eneme nyen gropen. 
So wanne dat water goltvare si, so nim it up, lutteret denne in enen 
reinen scapen, unde nim en half punt suckeres unde temperet mit 
witteme van eyeren, unde set it so lange, wente it lutter werde, unde 
lat it gan dor enen doc in en vat. Dit is gut weder den magen, 
weder de hette, weder de leveren, weder de lungen, unde weder aller- 
hande (121*) ovel. 

Ingibe[r] conditum. 

Nim de wortelen van orendula; wassche se scone van deme sande, 
nim petercilien wortelen, venecoles wortelen, der drie allike vele, snit 
se an denen stucken unde lat se drogen, pulvere dat clene. Sichtet 
dor enen harbudel, unde engever, dat verde del also vele, pulvere 
den clene. Menge disse pulvere to semene, roden sucker twies so vele 
so des pulveres is. Do dit an enen scapen. Do dar enen (121 b ) lepel 
vol wateres to unde lat it to semene seden, dat it dicke werde, unde 
roret wol, unde do it den an ene bussen. Dit is gut weder de borst 
unde hettenden magen. 

In salve. 

Nim aide boteren de reyne si, nim III saluen wortelen unde sede 
dat to semene, lüttere dat dor enen dok in enen bussen, gif eme dat 
drinken, mit warmen bere. 

Weder de borst. 

Nim bomvarens wortelen, nim smerwortelen, nim dranwortelen, 
disser drier (122 a ) like vele. Set de unde stot de mit oldeme smere; 
sut lumeken, unde bade de borst dar mede. so wanne . . . Hierby aan 
den rand: les die . . . to deme . . . gestenbl ... De laatste letters zijn 
afgesneden. Na dit voorschrift dat niet voltooid is, volgt weder de&elfde 
hand, die het begin schreef. 

Wedder der vrowen snke. 

So wanne der vrowen blomen is enstant. So sal se eten dar na 
negen dage porloc mit petercilien soden. Se sal oc eten des morgenes 



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149 



unde des avendes en electuarium, clat beten is: trifara magna. Se 
sal oc seden an wine afruden, agrimonien, batonien unde sindowen; 
in den win sal se en pulver don dat heten (122 b ) is: syceleos. Den win 
sal se drinken swan se gethen hevet. Trifaram magnam, dat is er 
got, also meyster ypocras spricht. 

Swelicb vrowe des kindes nicht nesen mach: der sal men seden 
biwot ofte isernehart in wine ofte in bere, dat sal se drinken. Men 
sal er hoc dat crude binden tieghen de moder op den navel so neset 
se. Men sal oc de crude to hant van er nemen swanne se des kindes 
ghenesen is. Men sal scriven in enen bref : + Elisabeth genuit precus- 
sorem (sie), Sancta maria genuit salvatorem. Sive masculus sivefemina, 
sie veni foras. Christus te vocat. Oves saneti dei intercedite pro me. «+- 

UTRECHT. j. H. Gallee. 



Noch einmal das Hundekorn. 

Vortrag 

in der Jahresversammlung des Vereins für niederdeutsche 
Sprachforschung zu Osnabrück am 28. Mai 1890. 

Eine neue Erörterung des vielbesprochenen „Hundekorn" bietet 
eine doppelte Schwierigkeit. Denn der Gegenstand ist einerseits von 
den gewiegtesten Forschern mit reichen archivalischen und sprachlichen 
Mitteln behandelt und besprochen und hat durch den Richterspruch 
des K. preussischen Obertribunals gewissermassen seinen Abschluss 
gefunden. Andererseits ist, wenn freilich auch die Wissenschaft nicht 
an Aussprüche der Gerichte gebunden sein kann, die Schwierigkeit 
einer Kritik darin begründet, dass sie nur wenig neue materielle 
Funde heranzuziehen vermag. 

Unter dem Namen Hundekorn wurden zunächst in Neuvor- 
pommern (Schwedisch Pommern) vom Mittelalter her Abgaben von 
Bauerhöfen an die fürstliche Kammer, aber auch an andere Grund- 
herrn gezahlt, der Regel nach in Getreide, meist den drei Arten 
Roggen, Hafer und Gerste, seltener als Ablösung in Geld 1 ). Nach 
der Aufhebung der Jagd-Dienste und -Gebühren in Preussen durch 
das Gesetz vom 2. März 1850 2 ) wurde nun die Leistung dieses „Hunde- 
korns a wiederholt geweigert, die Weigerung auch gerichtlich als zu 
Recht bestehend anerkannt, da schon der deutsche Name der Abgabe, 



*) So schon Haltaus Glossarium. 

2 ) Preuss. Gesetzsamml. 1850 S. 77 ff. 



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150 



wie auch der lateinische der Urkunden: annona canina, frumentum 
canum etc., sie als eine Jagdpflicht bezeichne. Ja der Gesetzentwurf 
selbst hatte „Hundekorn, Hundehafer, Hundebrot" als aufzuheben 
genannt, und diese Namen waren später im Gesetz nur ausgelassen, 
um nicht anderen Jagdabgaben durch diese Nennung zu präjudizieren. 

Die Universität Greifswald aber, welche aus dem städtischen 
Dorfe Hinrichshagen das Hundekorn bezog, weigerte den richterlichen 
Erklärungen die Anerkennung und verlangte die Abgabe nach wie 
vor; sie forderte über deren Natur nacheinander vom königlichen 
Staats-Archivar Dr. Klempin in Stettin 1873 und 1874 und vom 
damaligen Grossherzogl. Archivrat Dr. Wigger in Schwerin 1875 
Gutachten ein und erstritt damit 1878 die Beibehaltung des Besitzes. 
Diese Gutachten sind ausgezeichnete archivalische Forschungen voll 
reichster historischer und germanistischer Belehrung, was freilich 
nicht einschliesst, dass man mit den Schlussfolgerungen einverstanden 
sein müsse. Die drei sind vereinigt mit einer Einleitung und einem 
Anhange „Zur Etymologie des Wortes Hundekorn" versehen vom 
Appell.-Ger.-Präsidenten Dr. Kühne herausgegeben 1 ). Klempin hält 
sich nun vorzugsweise an die Deutung der Archivakten; Wigger geht 
ausserdem auf Etymologie ein, und ihm folgte auf ähnlichem Wege 
Kühne. Ihnen hat sich nachher im Allgemeinen Frommann 2 ) an- 
geschlossen. Klempin leugnet nun gradezu, dass die annona canum 
eine Jagdabgabe sei; er beschränkte sich aber in seinen Untersuchungen 
auf Neuvorpommern und meint, der Name „Hundekorn" sei als „pars 
pro toto" erst von Herzog Wartislav nach 1411 aus Brandenburg ins 
Herzogtum Wolgast „diesseits der Swine u gebracht. Er glaubt er- 
weisen zu können, dass die Leistung nichts sei als die alte Hoheits- 
abgabe an die Herrschaft, Pacht oder Bede oder beides zusammen. 
Dass gelegentlich (und grade in dem strittigen Dorfe) Hundekorn 
neben Bede und denstghelt (doch das alte pactum, die Pacht!) be- 
zahlt wird, hebt er nie hervor, zieht auch aus dem „pars pro toto 4 
keine weiteren Schlüsse. Dass es keine Abfindung für Jagddienste 
irgend welcher Art gewesen sein könne, will er daraus schliessen, dass 
diese Leistung auf deutschen Hagendörfern laste, und aus deren 
enormer Höhe z. B. im Dorfe Saal. Nun giebt es aber höchst ver- 
schiedene Jagdleistungen: Ausser der Futterlieferung an die fürstlichen 
Hundeställe kommt die Hunde-Aufzucht und -Eigenfütterung, das 
Hundelager und das Jagdlager (Ablager), das so ungeheuer drückend 
im Herzogtum Lauenburg war, und endlich ein Abkauf des auf dem 
Dorfgrunde ruhenden Jagdrechts zur Schonung von Acker und Weide 
in Frage. 

Klempin, welcher weiss, dass die „Ablager der späteren Zeit 4 * 



J ) Baltische Studien 29. (Stettin. 1879) S. 311—455. Dann gesondert er- 
schienen „Das Hundekorn" etc. von Dr. Kühne in Greifswald. Stettin. Dannen- 
berg. IV, 145 S. Vergl. Jahresber. der Geschichtswissens. 1879 II, 174 f. 

2 ) 40. Jahresbericht der Rügisch-Pomm. Abth. der Gesellsch. für Pomm. 
Gesch. u. Altert. 1877—79 S. 76. 



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151 



abgelöst sind, und dass die „Fütterung fürstlicher Jagdhunde a nur 
den Frei- und Lehnschulzen und Müllern obgelegen habe und einfach 
durch NichtÜbung erloschen sei 1 ), behauptet also direkt, dass Hunde- 
korn keine Jagdabgabe sei, sondern dass in ihr das alte „Pacht- 
und Bedekorn" stecke, und denkt sich, dass der Name daher habe 
kommen können, dass aus bestimmten Dörfern die Pacht- und Bede- 
korn-Lieferungen direkt für die Erhaltung der Jägerei und die Hunde- 
ställe bestimmt wurden. An den Abkauf von Jagdausübung hat er 
gar nicht gedacht. Dass aber gerade um Saal herum in den grossen 
Wäldern am Bodden viel fürstliche Jagden stattfanden, ist schon aus 
dem bekannten Vatermorde im mecklenburgischen Fürstenhause bei 
einer dortigen Jagd ersichtlich. 

Ganz unerwiesen ist aber, was (S. 338) von der „annona,canum, 
Hundekorn u als einer einfachen Übersteurung im 14. Jahrh. gesagt 
wird, etwa wie bremische Junker im vorigen und noch in diesem 
Jahrh. in der selig verflossenen Meierzeit ihren Bauern ein „Stiefel- 
geld" auflegten. Dass so nahe an der pommerschen Grenze Herzog 
Heinrich II. von Mecklenburg (der s. g. Löwe) dieses „Supererogatum" 
direkt unter dem Namen „Hundekorn" in seinem Testamente 1329 
(nicht 1319) aufgehoben habe, und gleich jenseits der Recknitz der 
Name eine andere Bedeutung gehabt haben sollte, ist ohne Beweis 
nicht anzunehmen. Und den hat Klempin nicht erbracht. Die etwas 
dunkele Angabe Emsts v. Kirchberg, um 1400, enthält freilich — 
wie Wigger 1. c. richtig nachweist — einen Irrtum: 

daz man daz hundekorn nümmer me 

solde geeyschin recht als ee 

ubir syne lant und syn herschaft. 

Des bevalch her by der sele craft. 

Syn nachkommen solden syn nemen nicht 

um synre sele heyles pflicht. 2 ) 

Denn es handelt sich um Einnahmen der Geistlichen, die Heinrich für 
sich hatte einfordern lassen. Indessen zeigt der Name doch, dass um 
1400 die Abgabe am mecklenburgischen Hofe bekannt war. Mar- 
schalls Thurius hatte herausgelesen 3 ), dass Heinrich sie nur dem 



1 ) Im Strelitzischen, wo Klempin die Verpflichtung anführt, existierte sie noch 
in diesem Jahrhundert, vielleicht noch. Sie war auf bestimmte Landstücke gelegt, 
die „Hundeäcker" hiessen. Der Name ist noch bekannt. Mit dem von Kl. bei dem 
Ablager erwähnten „Hundedezem" (S. 340), der in Altenburg vorkommt, mag es 
anders stehen. Auch in Westfalen kommt Koppel Ii aver mit der Bezeichnung 
vor: quod est indebita pensio ex canibus venaticis superducta ut ajunt. 
Korr.-Bl. 13, 3 S. 43; aus Cod. tradit. Westph. Münster. II S. 165. 

2 ) Westphalen, Mon. Ined. IV S. 824 unten. Cap. CLXIX. Eine andere 
Stelle sagt: „daz hundekorn er in erliesz". 

3 ) Ann. Herul. V Cap. 4 bei Westphalen 1. c. I, S. 298, wo erklärt ist: 
„Hundekorn, woraus das Brodt, welches die Griechen Mistyle heissen, gebacken 
wurde.' 4 — [/.ugtiXy) oder [mgtuXti hiess aber das als „Schüsselbrot*' bekannte, 
zum Auffüllen von Saucen (daher auch — Löffel) oder auch zum Abputzen der Hände 
beim Essen mit den Fingern dienende Grobbrot, mit dem schon der Sultan von 
Kairo (Kölner Pilger in ZDPh. 19, 1, (1886) S. 77) die Lieblingshunde bei Tisch 



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152 



Kloster Doberan erlassen habe, d. h. dessen Bauern, die gewiss nicht 
darum (wie Klempin meinte) dem Kloster so viel weniger hatten zu 
zinsen brauchen, als der Fürst von ihnen einforderte. Es scheint 
danach Klempin eine teilweis richtige Darlegung, dass nicht Alles 
im 15. oder 16. Jahrhundert genannte Hundekorn Jagdabgabe sei, 
sondern manche andere Leistung unter diesen Namen später einbe- 
zogen worden, irrig auf alles Hundekorn verallgemeinert, und dann, 
weil die alte Herrenpacht und ebenso das Hundekorn aus drei Fruclit- 
arten bestand, irrig geschlossen zu haben, alle aus drei Fruchtarten 
bestehende Abgabe, also auch das Hundekorn, sei jene Pacht oder 
Bede. Kühne's Citat, dass die Stadt Anklam (S. 455) 1348 eine 
Summe „Korngeld" an das Kloster Stolp zu leisten übernahm, „die 
man 1773 mit Unrecht Hundgeld nenne wäre dann auf solche 
Namenserweiterung neuerer Zeit zu deuten. Wenn Kühne dann aber 
sogar den Jagthabern, Forsthabern, der gegeben wurde in recogni- 
tionem et symbolum jurisdictionis saltualis seu venatoriae, ähnlich 
auffassen will, so bezieht sich doch der eine allerdings wohl auf das 
Holz- oder Markenrecht, der andere aber sicher auf die Jagd. 

Nun kommt aber Hundekorn viel früher und in viel weiterem 
Gebiete vor, als Klempin annimmt. Bereits Wigger 1 ) wies nach, dass 
der Name für dieselbe Abgabe schon in der Mitte des 14. Jahrhunderts 
in Neuvorpommern vorkomme, also nicht erst durch Wertislav aus 
Brandenburg mitgebracht sein könne. In Brandenburg, sagt Wigger, 
kommt überhaupt nur 2 mal nachweislich der Name Hundekorn vor, 
wohl aber im Magdeburgischen und seit dem Beginn des 14. Jahrh. 
in Werle, der Landschaft und Herrschaft Slavia in Mecklenburg, die 
sich mit dem späteren Herzogtum Mecklenburg-Güstrow deckt 2 ), und 
noch heute in der ständischen Verfassung als „Wendischer Kreis u fort- 
lebt. Mit ungeheurer Belesenheit und Umsicht weist er dann das 
Vorkommen der Abgabe, stets in den drei Fruchtarten, vom Beginn 
des 14. Jahrh. her in Werle nach; sie ist so konstant, dass wohl mit 
Recht hier jede vorkommende Dreifrucht-Abgabe für Hundekorn an- 
gesprochen werden kann. W. schliesst sich nun Klempin an und erklärt 
Hundekorn für die Herbstbede in Naturalabgabe, daher komme sie 
neben den Geldabgaben stets besonders vor. Ihre Höhe, die zur 
grösstdenkbaren Hundehaltung in keinem Verhältnis stehe, spreche 
entschieden gegen eine Leistung für Jagdzwecke. Günther, Herr zu 
Werle, Domherr zu Magdeburg, werde von dort den Namen mit nach 
Werle gebracht haben, von dort werde er nach Pommern gekommen 
sein. Dabei bleibt die überaus wunderbare Erscheinung völlig un- 
aufgeklärt, wie und warum damals für eine längst bekannte und 
geübte Abgabe ein Name eingeführt sein sollte, den man auf Hund 
beziehen musste, und auch, wie die lateinischen Namen lehren, regel- 
fütterte. Schiller-Lübben 4, 127. — Danach hat denn Weigand (Grimm DW. IV, 
2, 1920) irrig erklärt: „Hundebrod, wie es für Hunde gut genug ist." 

1 ) Balt. Stud. 1. c. S. 359 ff. 

2 ) Zumeist das alte Circipania. 



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massig bezog, der also gehässige Irrtümer zu erzeugen geeignet war. 
Die Ausrede: der Name habe etwas anderes ursprünglich bedeutet, 
sei aber als veraltet fälschlich aufgefasst und übersetzt, kann durchaus 
nicht gelten, so lange nicht nachgewiesen wird: 

Warum denn solch ein irreführender Name für 
eine bekannte unzweifelhafte Sache eingeführt sei. 
Bis dahin muss frumentum canum, annona canina, Hundekorn „Korn 
für Hunde" bleiben, in welcher Schattierung der Bedeutung es auch 
sein mag, ebenso wie in Westfalen rossekoren (avena equina que 
rossekoren dicitur 1 )) nur eine Haferabgabe für Pferde sein kann. 

Nach Preuss 2 ) wurde auch im Lippischen Hundekorn in den 
drei Kornarten geliefert, und er hat wegen der Höhe der Abgaben 
dieselben Bedenken wie Klempin und Wigger. Aber gerade Lippe 
war stark mit Jagd belastet; dort kamen neben den Saupackern 
(roden), auch die Hetzleute (roethisser) urkundlich vor, die ebenfalls 
erhalten werden sollten. Auch dass in Magdeburg das Hundekorn 
der Unterthanen des Klosters Leitzkau dem Schirmvogt ad expensas 
judiciarias mit überwiesen wird 3 ), darf nicht irren, denn der Schirm- 
vogt konnte auch die Jagd üben. 

Wenn dann aber W. Seelmann aus der Provinz Sachsen in 
der Versammlung in Stettin 4 ) aus dem 15. Jahrhundert die urkundliche 
Angabe nachwies, dass ein Wispel Korn „geheten Hundekorn" von 
8 Hufen gezahlt wurde, damit man den Hof zu Aderstedt „mit 
hunden effte myt jacht nicht schullen besweren", so ist hier 
wenigstens der Hund, canis, wirklich vorhanden und man kann nur 
zweifelhaft sein, wie weit man das W r ort „Jagd" ausdehnen darf. 
Durch „mit Hunden" ist Hunde-Fütterung und -Haltung in jeder Aus- 
dehnung sicher verboten, auch die Lieferung von Atzung. 

Durch „myt jacht" ist das Aufbieten der Bauern zum Treiben, 
Hetzen, Wildtodtschlagen (so bei Rostock noch im 16. Jahrh.) und 
Wildfahren, das Jägerquartier und die Jägeratzung ebenso sicher be- 
troffen. Ob auch das Jagen über das Hoffeld, also die Ausübung der 
Jagd selbst? Ist letzteres die Absicht gewesen, dann kann auch die 
Höhe der pommerschen und Werleschen Abgaben nicht mehr auffallen; 
es war gewissermassen eine Ablösung des ganzen Jagdrechts. 

Nach dieser rein sachlichen, noch nicht sprachlichen, Erwägung 
ist das Urteil der niederen Gerichtsinstanzen in dem Greifswalder 
Prozesse durchaus erklärlich und folgerichtig. Bei dieser Jagdablösung 
wäre es auch erklärlich, dass die Hundekorn-Abgabe grade in den 
deutschen und Hägen-Dörfern vorkommt; schwerlich hätten die Slaven 
ablösen können oder dürfen. Für diese bringt aber Fuchs doch den 
slavischen Namen Psare bei 5 ) und erklärt sie als Abgabe „zur Ab- 

J ) Korr.-Bl. 13, S. 43. Meckl. U.-B. XV Nr. 9019 nennt ein Hundehaus mit 

2 ) Korr.-Bl. 12, S. 10 f. [einem ganzen Hofe zu Güstrow. 

3 ) Balt. Stud. 1. c. S. 357. 

4 ) Korr.-Bl. 12, S. 11—13. 

5 ) Fuchs, Der Untergang des Bauernstandes und das Aufkommen der Guts- 



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lösung der Last des Erhaltens der fürstlichen Jagdhunde". Damit 
wäre denn Gadebusch und v. Bilow, sowie Schiller und Lübben wieder 
zu Ehren gebracht 1 ). 

Wigger hat nach bestem Wissen und Geschick plaidiert wie oben 
angegeben; er hatte sich sachlich, wenn auch irrig, konstruiert, dass 
von Jagdabgabe im „ Hundekorn u keine Rede sein könne, sondern dass 
es der Teil der alten Naturalgrundsteuer sei, welche die Fürsten für 
den Bedarf ihres Haus- und Hofhalts beibehalten und nicht in Geld 
ablösen lassen wollten. Für diesen Beweis hat er nicht bemerkt, dass 
er den Werler Vertrag über gemeinsame Regierung von 1341/47 2 ) 
höchst willkürlich und gezwungen konstruierte und deutete, und auch 
gelegentlich eine schwer zu beweisende Behauptung wagte, wie z. B., 
dass man Gerste nicht als Hundefutter verwandt habe 8 ). Aber ab- 
gesehen davon, dass man um 1350 am Sultanshofe zu Kairo die 
Hunde nur mit Gerstenbrot fütterte 4 ) und ebenso 1588/89 urkundlich 
in Rostock 13 Scheffel und ein andermal 2 Drömt (24 Scheffel) Gerste 
für die Jagdhunde gegeben werden (s. u.), konnte doch in eine Jagd- 
abfindung, die zur Ernährung des Hofes dienen sollte, recht gut Gerste 
zu der massenhaften Bierbereitung, nicht bloss für die Jägerei, mit 
aufgenommen werden. W T igger hat auch das Seltsame der Annahme 
eines unerklärlichen Namens für die Kornrente lebhaft genug em- 
pfunden; er suchte deshalb eine andere Erklärung und meinte, Hund 
sei nur aus Miss Verständnis mit canis übersetzt; es stecke das alte 
Ackermass „hunt", bei Miraeus (und danach bei Duconge) „hondus* 
darin 5 ). Ob es möglicher sei, dass jene Abgabe in Werle und Pommern 
nachträglich nach einem in diesen Landen unerhörten Ackermasse 
benannt wäre, darüber hat er sich nicht ausgesprochen. Kühne hat 
denn auch die Möglichkeit dieser Ableitung mit vollem Rechte abge- 
wiesen 6 ). Es ist nirgend in älteren Zeiten eine Grundabgabe nach 
Ackerstücken bemessen, wie sie einer heutigen Spatenkultur zukommen. 
Ein Hunt ist nur Ve eines allerdings etwas verschieden grossen Marsch- 
morgens, ein wenig grösser als das göttingische „Vorling" 7 ). Es ist 

herrschaften. Nach archiv. Quellen a. Neuvorpommern und Rügen (Abh. a. <L 
Staatswissensch. Seminar zu Strassburg VI.) 1888, S. 7. S. Jahresber. d. Geschichts- 
wiss. 1888 II, 232 Nr. 333. Wigger erklärt diese Psare als polnisch-schlesische 
Verpflichtung der Slaven, fürstliche Hundewärter und Hunde bei sich aufzunehmen 
(Hundeführer, Jäger und Bieberfänger. Balt. Stud. 1. c. S. 351). 
*) Balt. Stud. 1. c. S. 313. 

2 ) Balt. Stud. S. 361. Meckl. Urk.-B. 1 Nr. 6169. Zu der niedersächsiseben 
Übersetzung einer Waren'schen Urk. (S. 365): . annona canum „iahrfrucht" ist zu 
bemerken, dass alle Waren'schen Urkunden-Übersetzungen, die mir vor Augen 
kamen, sehr schlecht und unzuverlässig gemacht sind. Hier ist nur annona über- 
setzt, canum aber ausgelassen. 

8 ) Das. S. 399. 

4 ) Kölner Pilger 1. c. (s. S. 151 Anm. 3). 

5 ) Balt. Stud. 1. c. S. 346 f. 

6 ) Das. S. 423 ff. Die Besprechung des Ackermasses : S. 439—454. 

7 ) Der Kalenberger Morgen (120 M-Ruten kalenb. oder hannoversch) hatte 
2 Vorling, der Kedinger Marschmorgen, einschliesslich der Gräben, ist = 4 Kalenb. 
Morgen, also 8 Vorling; der Altländer Marschmorgen ohne die Gräben ist = 3 1 i 



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aber weder Vorlingskoni oder -Geld, noch Huntkorn oder -Geld da, 
wo das Ackermass gilt, je bekannt geworden. Zu Kühnes Bemerkungen 
über das Hunt ist zu beachten, dass er das Wort irrig aus dem 
Friesischen herleiten will. Es steht aber weder bei Doornkaat Koolman, 
noch Stürenburg, noch Molema, und so fällt Kühne auf das altfriesische 
hunt = Knittel und bringt zur Vergleichung A einen „Block Landes" 
herbei, der nie Mass war; er hätte dann auch Ort, Kil, Kilort, Winkel, 
Gehre herbeiziehen können, die sämtlich sinnliche Ackerbezeichnungen 
sind. Er hat jedoch in bekannter Weise irrig Holländer und Friesen 
verwechselt. Das Mass ist holländisch, nicht friesisch, und findet sich 
daher ausser in Holland nur in den holländischen Marschkolonieen 
an Weser und Elbe in den Holler-Ländern (Hollandrinis), wo irgend 
eine Form des alten Holländer Morgens, die Hollerhufe und die Holler- 
Rute zu 14 Fuss üblich ist oder einmal war 1 ). 

Kühne suchte nun in derselben Verlegenheit wie Wigger nach 
einer anderen Ableitung für Hundekorn und glaubte sie im altdeutschen 
hunno (hunt, hunne, hun, honne) gefunden zu haben 2 ), dem alten 
fränkischen ceutenarius oder vicarius, entsprechend etwa dem späteren 
bremisch-verdischen Gografen als Ämtsunterbedienten. Der hunno 
führt uns an den Niederrhein, und es wird von ihm freilich keine 
Korn-, aber doch eine Weineinnahme (vinum hunicum) angegeben 8 ). 
Im 12. Jahrhundert seien starke Einwanderungen vom Niederrhein 
und Holland unter Erzbischof Wichmann in's Magdeburgische gezogen, 
die möchten den Ausdruck huntkorn als Richterabgabe wohl mit- 
gebracht haben. Da es dort einen hunnen nicht gab, so sei schliesslich 
die Namenserklärung vergessen und nun statt annona judiciaria annona 
canina übersetzt. Auch nach Pommern hätten gleich die ersten 
Kolonisten den Namen vom Rheine her gebracht. Die Cisterzienser 
Abtei Rosengarten oder Neuenkamp, Tochter von Kamp bei Geldern, 
sei hier die Vermittlerin gewesen. Eigentümlicher Weise soll auch 
hier dasselbe Vergessen und dasselbe Missverständnis dann auch zu 
annona canum geführt haben. Recht seltsam und wenig wahrscheinlich! 

Die Annahmen von Wigger und Kühne haben denn auch die 
Kritik von A. Lübben herausgefordert, der durchaus das Zwingende 
vermisst, da in Pommern (und Werle) weder ein hunne, noch in den 

Kalenb. Morgen, also 7 Vorling. Übrigens ist in den Marschen nie nach Vorlingen 
gerechnet. Das Balt. Stud. S. 448 genannte „Hoedt" als V« holländ. Morgen ist 
gerechnet zu 100 Ruten Länge bei 1 R. Breite, also auch 50 X 2 oder 25 X 4, 
und der holländ. Morgen hält dann 600 H-Ruten. Die daselbst S. 443, Anm. 216 
von Kühne gesuchte hannoversche Bekanntmachung (Grimm [Weigand] D. Wtb. 4, 
II S. 119 v. „Hund") stand im „Stader Regierungsbl. u und ist seiner Zeit von mir 
an Jac. Grimm eingesandt. Weigand schreibt „Hund" statt „Hunt". Ein „Morgen- 
korn" kenne ich nur aus Lippischen Städten und Münster. In Osnabrück wurde 
bemerkt, dass es auch im dortigen Stadtarchiv vorkomme. 

*) S. Lübben im Jahrb. V. f. niederdeutsche Sprachforschung IV S. 110. 
Über die Form hoet, höt = hunt s. noch Korr.-Bl. 6, 78; XII, 1, S. 11. 

2 ) Balt. Stud. 1. c. S. 427 ff. 

3 ) Übrigens kommt vinum hunicum, Heunenwein, als schlechter Wein vor. 
Lacomblet, xVrch. f. d. Gesch. d. Niederrheins, I S. 233 ff. 



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Gebieten, wo es einen Hunnen gab, ein Hunnekorn vorkam. Dazu ist 
noch zu betonen, dass auch ein Hunnekorn, eine annona canina nicht 
sofort nach der Kolonisation, sondern erst ein Jahrhundert später 
auftritt 1 )! 

Es ist daher nicht darum wegzukommen, im Hundekorn muss 
der Hund, canis, wiedergefunden werden, und dann steckt irgend eine 
Jagdablösung oder Jagdleistung darin. Das wird bestärkt durch zwei 
von Lübben angeführte Stellen aus Westfalen 2 ); nach der einen müssen 
die Hörigen des Hauses zu Steinfort Hundegel4 zahlen; nach der 
andern verspricht der Bischof von Münster nicht mit Jagd zu be- 
schweren (venatione gravare). Die Stellen erklären sich gegenseitig 
und zeigen eine Jagdablösung. 

Die Erinnerung an diese Bedeutung des Namens selbst hat sich 
denn auch recht spät noch erhalten: noch 1714 musste bei Anwesen- 
heit Karls XII. in Pommern den „zur Fällung des Wildes vor die 
königliche Tafel gebrauchten Heydebedienten von jedem Müller in 
Königl. Amtern monathlich ein Scheffel Hunde-Korn gereicht* 
werden 3 ). Es war deutlich eine ausserordentliche Abgabe an das 
Jagdpersonal. Im Rostocker Stadtarchive liegen Akten von 1588/89, 
wonach eine Anzahl Bürgermeister und Ratsherren (1595 waren es 
ihrer 12) für sich auf eigne Kosten eine Privatjagd in der Rostocker 
Heide auf Stadtgebiet einrichten und den Jürgen Brandt als ihren 
Jägermeister und Wildschützen annehmen 4 ). Derselbe erhält ein 
Deputat für sich und seinen Jungen, Lieferung für Geschirr und 
Futter für 2 Pferde und Korn zur Ernährung einer Koppel Jagdhunde 
und eines Stricks Winde. Letzteres sind gewöhnlich 3, wie viel 
erstere ist nicht festzustellen. 1595 sollten 24 Hunde angeschafft 
werden, fraglos eine ganze Anzahl von Koppeln. In Hannover bildeten 
2 — 3 Saupacker eine vom sog. Hundejungen zu führende Koppel. 

In den sehr lückenhaften Registern nennt der Ratssekretär die 
Zahlung für den Bedarf der Hunde vom November 1588 bis 11. April 
1589 geradezu „Hundekorn". Man hatte anfangs anscheinend nur 
2 — 3 Jagdhunde und 3 Winde; geliefert wurden dafür nach Buchung 
in dem einen Register 13 Scheffel Gerste und 25 Scheffel Roggen. 
Nach einem Bericht des Jägermeisters vom 24. Mai 1588 hatte er 
bis dahin 2 Drömt 10 Schepel 56 „Matle" oder „Matte" Gerste er- 
halten „den Jagethunden davon zu etten gegeben" und 2 Drömt und 
1 Scheffel Roggen „for drei Winde". Das Korn wurde zu Brot ver- 
backen, ein Abrechnungsbuch des Bäckers Franz Ploch liegt noch 
bei den Akten. Hiermit ist Wiggers Beweisführung durch die Gerste 
völlig beseitigt und die alte und auch unsere Voraussetzung, dass 
„Hundekorn" wesentlich für Hundehaltung und Jagdzwecke bestimmt 
war, jedenfalls ernstlich bestärkt worden. Nachträglich sei bemerkt, 

') Jahrb. des Ver. f. niederd. Sprachforschung IV (1878) S. 106—116. 

2 ) Mesert, Münster. Urk. 6, S. 135 und 7, S. 169. 

3 ) Balt. Stud. ib. S. 400. 

*) Acta betr. die Ausübung des Jagdrechts etc. III Vol. 



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dass für die General- Versammlung des Gesamtvereins der deutschen 
Geschichts- und Altertums -Vereine zu Schwerin i. M. vom 7. — 10. 
September 1890 als Frage 9 aufgestellt war, ob nicht die Abgabe 
Chunowe (Meckl. U.-B. I Nr. 182) das Hundekorn sei. Bei der Ver- 
handlung kam nichts heraus. Die Urkunde von 1208 gehört in das 
Bistum Ratzeburg und die Grafschaft Schwerin. 

ROSTOCK. K. E. H. Krause. 



Karl Straekerjan. 

Es gebührt sich wohl, dass auch das Jahrbuch an Karl Strackerjan, 
Direktor der Oberrealschule in Oldenburg, dessen Tod bereits im 
Korrespondenzblatte mitgetheilt worden ist, in freundlichem Gedenken 
erinnere. Denn er war nicht nur ein treuer Genosse unseres Vereins, 
sondern auch ein unermüdlicher Forscher auf dem Gebiete der Sprach- 
kunde, und manch' schöner Fund im Grossen wie im Kleinen wird 
seinem Scharfblick und der Folgerichtigkeit seiner Schlüsse verdankt. 
Da er ausserdem vielen Lesern des Jahrbuchs in seiner echten und 
klaren Biederkeit eine liebe persönliche Erinnerung sein wird, so mag 
es in jeder Weise gut sein, ihm hier an der ihm so lieben Stelle ein 
Denkzeichen zu errichten. 

Karl Diedrich August Strackerjan, Sohn des Amtmanns Chri- 
stian Friedrich Strackerjan und dessen zweiter Frau Sophie geb. 
Brünings, Tochter des Hofraths Brünings in Varel, wurde am 10. August 
1819 in Jever geboren, besuchte die dortige Provinzialschule und nach 
der Versetzung des Vaters nach Oldenburg 1833 das Gymnasium 
daselbst. Am 21. März 1834 konfirmirt, machte er im März 1837 
sein Abiturienten-Examen und trat dann zur Ableistung seiner etwaigen 
späteren Dienstpflicht am 1. Mai auf sechs Wochen in die Reserve 
ein. Den 14. Oktober 1837 ging er nach Jena, um Theologie zu 
studiren ; er schloss sich hier der Burschenschaft an, deren Principien 
und Bestrebungen er sein ganzes Leben hindurch getreu geblieben ist, 
und fand in ihr viele Freunde, von denen Ludwig Häusser ganz be- 
sonders zu nennen ist. Strackerjan genoss die jugendselige Studenten- 
zeit in Jena mit ganzem Herzen, und auch im Alter noch schweiften 
ihm gern die Gedanken hinüber in die liebliche Musenstadt an der 
Saale, die er noch manches Mal wieder besucht hat, zuletzt im Sommer 
1887, um sich am Lutherfestspiele Devrients zu erbauen. 

Im Herbst 1839 ging er nach Berlin, wo er im August 1840 
seine Studien beendete. Nachdem er in Oldenburg sein Tentamen 
gemacht hatte, ging er 1841 als Hauslehrer der Kinder des Amt- 
manns Lauw nach Rastede und verlobte sich hier 1843 mit Wilhelmine 
Helene Lauw, der ältesten Tochter des Hauses. 1844 ging er auf 
Anordnung des Grossherzoglichen Konsistoriums nach Jever, um die 



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Tertia der dortigen Provinzialschule zu verwalten, und erhielt bald 
darauf die Stelle des vierten Lehrers dort. 1845 machte er sein 
zweites Examen, ward 1846 definitiv angestellt und verheirathete sich 
in demselben Jahre. 1851 rückte er in die Stelle des zur Disposition 
gestellten dritten Lehrers, des Dr. Bockel, auf. 

Wie sein Vater grosse und vielseitige litterarische Thätigkeit, 
besonders in der Erforschung der Oldenburger Geschichte, entfaltet 
hatte*), so ging auch Karl Strackerjan früh und frisch an's Werk, 
durch das gedruckte Wort auf einen grossen Leserkreis zu wirken 
und seine gesunden, von wahrer Vaterlandsliebe durchdrungenen An- 
schauungen zu verbreiten. 

Ausser fleissiger Mitwirkung an den von seinem Vater teilweise 
gegründeten und lange geleiteten „ Oldenburger Mitteilungen", „Olden- 
burger Blättern der „Oldenburger Zeitung u u. a. betheiligte sich 
Strackerjan in den Jahren 1848 und 1849 auch als Korrespondent 
der „ Weserzeitung der „Deutschen Reichszeitung u u. s. w. am politischen 
Kämpfen und Ringen jener heissen Tage und übernahm 1848 die 
Redaktion der „Jeverländischen Nachrichten", in welcher Thätigkeit 
er manchen Strauss zu bestehen hatte, da nicht wenige Leute im 
Jeverland ihn als den „vorzüglichsten Vertreter der damals sogenannten 
Reaktion" ansahen. Er hielt aber auf dem Posten aus, bis der Kampf 
beendet war, und er, „durch keinen Gegner verdrängt", die Waffen 
niederlegen konnte. Mit dem Jahre 1853 übernahm er die Redaktion 
des noch heute im Oldenburger Lande und darüber hinaus wohl- 
bekannten Volkskalenders „Der Gesellschafter", die sein rühriger 
Vater von 1840 bis 1848, seinem Todesjahre, geführt hatte. 

K. Strackerjan ward damals auch Mitarbeiter an der von 
Dr. Frommann in Nürnberg herausgegebenen Monatsschrift „Die 
deutschen Mundarten" und schrieb für die Jeverschen Schulprogramme 
einige wichtige Abhandlungen. Eine dieser Arbeiten „Zur Lehre von 
der Congruenz im Lateinischen" (1856) erwarb ihm von dem Rektor 
Breier in Lübeck den Antrag, sich um eine Stelle am dortigen Gym- 
nasium zu bewerben, doch gab Strackerjan demselben keine Folge. 

Am 3. Dezember 1857 traf ihn das schwere Leid, seine Gattin 
durch den Tod zu verlieren. Dies beugte ihn tief nieder und ver- 
düsterte ihm auch die 300jährige Jubiläumsfeier der Universität Jena, 
zu der ihn sein Schwiegervater, um ihn aufzuheitern, geführt hatte. 
Erst seine Vermählung mit der Tochter des Ratsherrn Schröder, 
Mathilde, (1859) gab ihm frischen Lebensmuth wieder. Im Frühjahr 
1864 als Rektor der höheren Bürgerschule in Oldenburg dorthin be- 
rufen, wirkte er rege und erfolgreich auf dem neuen Gebiete und 
errang nach manchem nicht leichten Kampf „seiner Schule", wie er 
dieselbe zu nennen liebte, die Erhebung zur Oberrealschule. 



*) Von den Werken Ch. Fr. Strackerjans nennen wir hier nur „Beiträge zur 
Geschiente der Stadt Jever 1836", „Beiträge zur Geschichte des Grossherzogtums 
Oldenburg 1837", „Geschichte der Buchdruckerei im Herzogtum Oldenburg 1840", 
„Oldenburgs Fest- und Jubelbuch 1839" und das bis jetzt noch ungedruckte, vor- 
treffliche „Oldenburger Gelehrtenlexikon". 



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Ihm verdankt die Schule zum grossen Teil auch, dass sie 
schon 1872 aus engen und wunderlichen Räumen in ein neues schönes 
Prachtgebäude an der Herbartstrasse übersiedelte, und auch das 
Herbartdenkmal in den Anlagen vor dem Schulgebäude verdankt 
seinen Platz dem Eifer Strackerjans, der den Blick des Denkmal- 
komites auf diese Stelle lenkte. Die Gründung und Einweihung dieses 
Denkmals brachte ihn in Beziehungen zu Männern wie Simson und 
Lazarus u. a., und deren Glückwunschtelegramme zu seinem Dienstjubi- 
läum (1889) gaben dem Tage besonders festlichen und von ihm dank- 
barlichst genossenen Glanz. 

Zu Ostern des Jahres, in welchem er das ihm durch langjährige 
Beziehungen trauliche und liebe Jever verliess, erschien im dortigen 
Schulprogramme seine in der altdeutschen Forschung epochemachende 
Abhandlung: „Die jeverländischen Personennamen u . Strackerjan gab 
darin Kunde und zwar die erste Kunde von seiner für die weitere 
Entwickelung der germanistischen Namensforschung höchst wichtigen 
Entdeckung, dass alle altdeutschen Namen aus zwei Stämmen zusammen- 
gesetzt sind, und Strackerjan hat zuerst das Princip der Kosenamen 
„rund und nett ausgesprochen a (vergl. A. Fick, Die griechischen 
Personennamen. Göttingen 1874). Das ihm leider von weniger 
Kundigen zuweilen bestrittene Verdienst dieser wichtigen Entdeckung 
giebt dem bescheidenen Manne, der es verschmähte, um seine An- 
erkennung zu streiten, einen Ehrenplatz in der Geschichte der deutschen 
Forschung, und es ist wissenschaftliche Pflicht, besonders jetzt daran 
zu erinnern. 

Der Wissenschaft der Sprachforschung blieb Strackerjan immer 
eifrig ergeben, doch konnte er zu weiteren umfangreichen Arbeiten 
auf diesem Felde, das er besonders in der Etymologie zu bebauen 
liebte, nicht die Zeit erübrigen. Denn das Emporringen seiner Schule 
machte ihm nicht allein viele Freude, sondern auch viele Arbeit. 
1867 wurde er ausserdem in die Schulkommission des Norddeutschen 
Bundes berufen und gehörte auch wiederholentlich, zuletzt 1879/80, 
der Reichsschulkommission an, in der seine Stimme gern gehört wurde 
und er manche für ihn selbst und das Oldenburger Schulwesen wert- 
volle Beziehungen anknüpfte. Er wurde im Juni 1866 als Direktor nach 
Schwerin berufen, lehnte jedoch den Ruf ab, da er zum Direktor der 
unter ihm emporgeblühten Realschule in Oldenburg ernannt wurde. 
Mit den Leitern der für die Entwickelung des deutschen Schulwesens 
ringenden Bewegung blieb er aber immer in innigster Beziehung und 
hat stets unentwegt zur Schulreform im besten Sinne sein redlich 
Teil beigetragen. War doch Anregen und Fördern einer guten Sache 
ihm stets ein Ding, für welches er mit Begeisterung einzutreten pflegte. 
Hier sei z. B. an die „ Dichterabende die er mit einer Erinnerungs- 
feier für Ludwig Uhland einleitete, in Dankbarkeit erinnert. Er 
wählte zu denselben immer Gedichte eines besonders hervorragenden 
Dichters oder einer „ Schule a oder der Dichter eines Landes aus und 
Hess sie vor einer grossen Anzahl geladener Gäste von seinen Schülern 
in der Aula vortragen. Er selbst leitete diese anregenden Abende 



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stets mit einem litteraturhistorischen Vorwort ein und hat in den 
Jahren 1872 — 1889 vierundzwanzig solcher Abende veranstaltet. Seine 
Einleitungen sind fast alle in den Osterprogrammen der Oberrealschule 
erschienen und würden gesammelt ein hübsches Buch geben. 

Dankbar werden seiner die Schüler gedenken, die er auf der 
sich immer erfolgreicher gestaltenden Schule mit mildem Ernste 
erzog und bildete, sowie die Lehrer, die er im Einverständnis 
mit den städtischen Behörden für seine Schule auswählte und denen 
er die Freudigkeit am Berufe nie irgendwie getrübt hat. Er Hess 
Schülern und Lehrern gern Spielraum zu freier Entwickelung ihrer 
Thätigkeit, und alle hingen an ihm mit gleicher Verehrung. 

Am politischen und kommunalen Leben nahm er gleichfalls 
regen Anteil, und auch ihm war es beschieden, die meisten seiner 
Jugendideale in leuchtender Herrlichkeit verwirklicht zu sehen. Mit 
jugendfrischem Enthusiasmus begrüsste er die Neugestaltung des 
deutschen Kaiserreiches; mit treuer Liebe hing er an dem Oldenburger 
Lande, dessen Herrscherhause er innig ergeben war, und freute sich 
mit kindlich reinem Gemüte, wie dies aus seinen guten Augen leuch- 
tete, an allem Guten, Wahren und Schönen, was das Leben bieten 
kann. So stand er in blühendem Alter, von Kindern und Enkeln 
umgeben, ragend wie ein mächtiger Baum; da trat ihn vor zwei 
Jahren plötzlich Krankheit an, der er zu erliegen drohte, und der 
Tod einer geliebten Tochter, Frau Sophie Treitschke in Erfurt, traf 
sein Herz schwer. Er hob sich freilich wieder empor, nahm seine 
Thätigkeit frisch wieder auf und konnte noch im April 1889 sein 
2 5 jähriges Jubiläum als Direktor seiner Schule im Kreise seiner 
Kollegen und Schüler feiern, aber die alte Spannkraft war dahin, der 
Faden löste sich allmählich ab, und es ging zu Ende: er starb am 
19. November 1889. 

In seinen letzten Bestimmungen hatte sich Karl Strackerjans 
schlichter Sinn alle Blumen- und Kranzspenden für seinen Sarg ver- 
beten, aber in herzlichem Gedenken legt dankbare Erinnerung an den 
treuen deutschen Mann einen vollen Eichenkranz auf sein Grab auf 
dem Gertrudenkirchhof zu Oldenburg. Ehre seinem Andenken! 

OLDENBURG. Reinhard Mosen. 



Nachtrag und Berichtigung. 

Nach Mitteilung der Herren Volkmann & Jerosch in Rostock ist der oben 
S. 37, 2. genannte Druck des Dithmarsclien Liecks (für 5 L. St.) und das nnter 
3. angeführte Loszbuch (für 20 L. St.) an das British Museum in London verkauft. 

Jahrg. XIV S. 19 Z. 2 v. u. lies 'Nordosten' anstatt 'Südosten'. 



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General . 
Universiry of v 
Berkeley